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Gerichtsprozess Grundschule und Eltern streiten um Kündigung

Sechs Elternpaare haben ihre Kinder in der evangelischen Grundschule Gardelegen abgemeldet. Ein Fall ging vor Gericht.

Von Gesine Biermann 09.03.2019, 00:01

Gardelegen l Die Entscheidung war gut überlegt. Insofern zumindest besteht Übereinstimmung zwischen beiden Parteien an diesem Nachmittag im Gerichtssaal. Gut überlegt hatte sich ein Gardeleger Ehepaar, sein ältestes Kind kurz vor den Winterferien in der evangelischen Grundschule in Gardelegen abzumelden. Eine solche Entscheidung treffen Eltern schließlich auch nicht aus einer Laune heraus.

Genau die Tatsache, dass sie es sich gut überlegt haben, sieht man in der Johannesschulstiftung indes als Affront gegen die Schule und das, wofür sie steht. Deshalb sanktionierte der Träger – an der Spitze Naumburgs Domprediger Pfarrer Michael Bartsch – die Abmeldung mit einer Kündigung seinerseits: Als die Eltern ihren Viertklässler für das letzte Schulhalbjahr offiziell abmelden – bis zum Schuljahresende zahlen sie das Schulgeld weiter –, überreicht ihnen Schulleiterin Katrin Niemeyer völlig unerwartet die fristlose Kündigung für dessen jüngere Schwester, die eigentlich weiterhin an der Schule lernen sollte.

Der große Bruder war wenige Stunden zuvor, wie auch drei andere Viertklässler, die ebenfalls die Schule wechseln, herzlich von allen Mitschülern und Lehrern verabschiedet worden. Seine kleine siebenjährige Schwester hatte am selben Tag ihr Halbjahreszeugnis bekommen und es fröhlich und stolz den Eltern präsentiert. Nun hatte die Jüngste plötzlich keine Klasse mehr ...

Doch das erfährt sie natürlich nicht. Ihre Eltern erwirken in der Ferienwoche vor Gericht eine einstweilige Verfügung. Unter Androhung einer hohen Geldstrafe wird der Schulträger gezwungen, das Kind weiter zu beschulen.

Das jedoch akzeptiert die Johannesschulstiftung ihrerseits nicht. Zwar darf das Mädchen nach den Ferien zur Schule kommen. Gegen den Entscheid des Amtsgerichtes legt die Stiftung jedoch Widerspruch ein. Die fristlose Kündigung der Schülerin sei wirksam. Die Schuld sieht die Stiftung bei den Eltern. Weil es ihnen „an Vertrauen fehlt“, könnten Stiftung und Schule eine Beschulung der Zweitklässlerin nicht mehr leisten.

So bleibt den Eltern schließlich gar keine andere Wahl: Wenn für ihre kleine Tochter nicht die Welt einstürzen soll, müssen sie klagen. Und so sitzen die beiden Gardeleger vor wenigen Tagen im Gerichtssaal Pfarrer Michael Bartsch und seinem Anwalt gegenüber.

Alles, was sie wollen, ist, dass ihre Tochter wenigstens noch bis zum Schuljahresende an der evangelischen Grundschule bleiben kann. „Dann können wir sie in Ruhe auf den Schulwechsel vorbereiten“, betont der Vater.

Ein Kompromiss, den auch Richterin Nicoline Helfrich der Stiftung anträgt: „Grundsätzlich geht es hier ja nicht um Ihre Befindlichkeiten“, erinnert sie. Sie fände es auch persönlich sehr schrecklich, betont Helfrich, wenn das Kind die Schule verlassen müsste. „Sie wollen mit den Eltern nicht? Okay. Aber Sie sollen ja nur die kleine Süße nehmen! Und vier Monate nur noch. Das schaffen Sie!“

Doch selbst mit so viel Charme beißt die Richterin bei Michael Bartsch auf Granit: Schließlich hätten die Kläger ihr ältestes Kind faktisch „ohne Begründung“ von der Schule genommen und sich damit gegen „die Ordnung der Stiftung“ gestellt. „Wenn wir nicht versuchen, das zu sanktionieren, können wir die Schule gleich an den Nagel hängen.“

Worin er denn den Ordnungsverstoß sehe, will die Richterin daraufhin wissen.

Die Eltern hätten die Kündigungsfrist nicht eingehalten und zudem nicht mal Gründe für die Abmeldung ihres älteren Kindes genannt. „Es gab nichts, nur die Mitteilung, dass sie das Kind von der Schule nehmen wollen.“

Dass die Eltern ihren Sohn lediglich abgemeldet hatten und die reguläre Kündigungsfrist zum Jahresende durchaus einhalten, erwähnte Bartsch dabei nicht.

„Ich muss doch aber dem Schulträger meine Gründe nicht erörtern“, erinnert Helfrich, „und wir sprechen hier immer noch von einem kleinen Mädchen, dem der Boden unter den Füßen weggezogen werden soll. Ich finde das ganz schrecklich für das Kind.“

„Und ich finde das ganz schrecklich für die Stiftung“, erwidert Bartsch. Durch das Verhalten der Eltern sei „Unordnung entstanden“, wendet er sich danach direkt an die Kläger, die ihn ungläubig ansehen, „eine Zusammenarbeit ist hier nicht mehr möglich.“

Immerhin seien es insgesamt sechs Kinder, die die Schule in den vergangenen Wochen auf diese Weise gewechselt hätten. „Und das ist nicht okay.“ Eine Freie Schule könne so nicht bestehen.

Dafür habe auch sie Verständnis, betont Richterin Nicoline Helfrich. Eine Freie Schule müsse sich große Mühe geben, Schüler zu gewinnen. Mit bösen Worten sei solch ein Bemühen schnell wieder eingerissen und nur schlecht rückgängig zu machen, mahnt sie alle Anwesenden.

Wenn Bartsch bei seiner Entscheidung bleibe, müsse dieser Rechtsstreit allerdings durch alle Instanzen gehen. „So kriegen Sie alles, nur keine Ruhe.“ Sie könne der Schulstiftung deshalb nur empfehlen, noch einmal in sich zu gehen. „Mein Besprechungszimmer würde ich Ihnen zur Verfügung stellen.“

Ein kluger Vorschlag offenbar. Denn am Ende der längeren Besprechung erklärt Rechtsanwalt Ulrich Wegener schließlich das Einverständnis seiner Mandantschaft zum Vergleich: Die Tochter der Kläger darf noch bis zum Ende des Schuljahres in der evangelischen Grundschule bleiben. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich die Eltern bereit erklären würden, „für den Rest der Schulzeit wohlwollend und kooperativ mit der Schule zusammenzuarbeiten“, was beide ohne zu Zögern zusagen.

Der Aussage, dass sie mit der Abmeldung ihres älteren Kindes das Vertrauen zwischen Schule und Elternschaft beschädigt haben – auch diesen Zusatz will Michael Bartsch von den Eltern unbedingt unterschreiben lassen – stimmen sie indes so nicht zu.

„Wir können verstehen, dass die Stiftung das so sieht“, versichert der Kläger. Als Eltern würden seine Frau und er das aber nicht so sehen. Denn es gebe sehr wohl Gründe für die Abmeldung des älteren Kindes.

Die Kläger selbst wollten sich nach der Verhandlung auf Nachfrage der Volksstimme mit Hinweis auf den gerichtlichen Vergleich nicht dazu äußern.

Nach Informationen der Volksstimme haben die Eltern, die ihre Kinder in den vergangenen Wochen abgemeldet hatten, erhebliche Zweifel an der ausreichenden Vermittlung der Unterrichtsinhalte. So gebe es derzeit für die vier Klassen nur noch drei festangestellte Lehrer und einige Honorarkräfte. Horterzieher beaufsichtigten die Kinder zeitweise während des Unterrichtes, weil nicht genügend Lehrkräfte zur Verfügung stünden.