1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. Rollstuhltest auf Barrierefreiheit

Inklusivität Rollstuhltest auf Barrierefreiheit

Ein paar Unternehmen könnten sich bald mit Empfehlungen von „Altmark Inklusiv“ schmücken, das ihre Eignung für Behinderte prüft.

07.08.2020, 02:00

Gardelegen l Sechs Unternehmen im Altmarkkreis haben sich am 6. August darauf testen lassen, wie gut Menschen trotz Behinderungen bei ihnen vorankommen. Das Bündnis „Altmark Inklusiv“, bestehend aus dem Kreisbehindertenbeauftragten Norbert Block und Mitgliedern der Selbsthilfegruppe Multiple Sklerose sowie der SPD, begutachteten mehrere Betriebe auf ihre Barrierefreiheit, um die engagiertesten von ihnen später auszuzeichnen.

In Gardelegen waren dies das Schützenhaus, das Café am Rathaus und der Fischerhof Gahrns. Die Auswahl der Kandidaten erfolgte laut Arvid Schwerin (SPD) folgendermaßen: „Wir haben uns einfach das Telefon genommen und Unternehmen durchgeklingelt.“ Der SPD-Politiker habe die Unternehmen nach ihrem Interesse an und der Umsetzung von Barrierefreiheit befragt, schilderte er. Neue Bewerber werden übrigens weiter angenommen (Kontaktdaten dazu am Ende des Berichtes).

Die Tests erfolgten sowohl praktisch durch Jurymitglieder, die selbst eingeschränkt sind, als auch über Simulation, für die die Tester sich in einen Rollstuhl setzten. Ein blindes Jurymitglied war an dem Tag verhindert und konnte den Aspekt Sehbehinderung daher nicht beurteilen. Hier musste gemutmaßt werden.

Die erste Gardelegener Station war das Schützenhaus, mit dem Jury-Mitglied Sylvia Preetz schon vertraut war. Denn die Selbsthilfegruppe Multiple Sklerose (MS) trifft sich dort. Ihre Mitglieder sind durch die Folgen der Krankheit in ihrer Bewegung eingeschränkt. Das Schützenhaus sei für sie aber gut zugänglich, erzählt Preetz – besser als andere Räume, die sie ausprobiert habe. Daher habe sie es selbst für die Aktion vorgeschlagen.

Rollstuhlfahrer kommen über eine Rampe am Eingang hinein. Im Inneren kommen sie dank des ebenen Bodens gut voran. Ein Vorteil im Restaurant gilt allerdings nur bestimmte Zeit: Da die Tische wegen der Corona-Maßnahmen weiter auseinander stehen, ist zum Fahren mehr Platz.

Für Treppen gab es früher eine Rampe, die aber kaputt ging. Eine neue sei schon in Arbeit, versicherte Robert Klöpper, Sohn des Inhabers. Durch den gut durchleuchteten Saal ist die Sicht sehr kontrastreich, Sehbehinderte können sich gut orientieren. Insgesamt gab es „wenig zu beanstanden“, schätzte Simon Herting (SPD) ein.

Das Café am Rathaus ist nicht wirklich barrierefrei. Das gab Inhaber Kevin Schönemann schon im Vorabgespräch zu, lud das Bündnis aber trotzdem ein. Schon das Reinkommen ist hier mit Rollstuhl schwierig. Auf die Terrasse komme man zwar schnell. Wer ins Café will, muss sich aber erst eine Rampe von Mitarbeitern aufbauen lassen. Hier hatte die „Altmark Inklusiv“, die auch Beratungen anbietet, den Hinweis, dass es für diese Option kein Schild gebe.

Den Fischerhof Gahrns schätzte Schwerin wieder als hervorragend ein. Ein Vorteil ist hier, dass das Gebäude sehr jung ist, also Maßnahmen für die Barrierefreiheit umgesetzt werden konnten, die an anderer Stelle vielleicht der Denkmalschutz verhindert hätte.

Solche Maßnahmen setzen die Betreiber von sich aus um, denn weitreichende Barrierefreiheit stehe vor einem großen Hindernis, wie Katrin Gensecke von der Behinderten-Arbeitsgruppe „Selbstaktiv“ der SPD erklärt: „Private Dienstleister sind – anders als öffentliche Einrichtungen – nicht zur Inklusion verpflichtet.“ Dabei könne sie auch gut fürs Geschäft sein, erklärte sie weiter. Denn behindertenfreundlich bedeute nicht nur freundlich für Behinderte, andere Gruppen profitieren auch.

Als Beispiel nannte sie ein altes Gebäude mit „ein, zwei Stüfchen“. Diese seien auch ein Hindernis für Leute mit Kinderwagen oder ältere Menschen. Eine Rampe oder ein Handlauf würden da schon verschiedenen Leuten helfen. Es gebe also mehr Kunden und damit möglicherweise mehr Profit. Heißt, so Gensecke: „Wer einmal barrierefrei baut, baut nachhaltig.“

Am 20. August sind weitere Besichtigungen geplant, zu einem späteren Datum wird die Jury dann beschließen, welchen der Betriebe sie auszeichnet. Drei Gewinner sollen es pro Stadt sein. Aktuell stehen Besuche in Salzwedel und Klötze an. Gardelegener Unternehmen können sich noch bewerben. Dies ist bei Simon Herting unter der Mail-Adresse simon-herting@gmx.de möglich oder bei Arvid Schwerin unter der Nummer 0176 / 414 577 08.