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Massaker in der Feldscheune Isenschnibbe Projekt der Gedenstätte in Gardelegen: Das Totenbuch wird digital

Aktuelles Projekt der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe will Menschen weltweit die Suche nach Opfern einfacher machen: Datenbank soll in die Homepage eingebunden werden.

Von Gesine Biermann 15.12.2023, 11:07
Gedenkstättenleiter Andreas Froese vor dem Gedenkbuch aus Metall direkt vor dem Gräberfeld.
Gedenkstättenleiter Andreas Froese vor dem Gedenkbuch aus Metall direkt vor dem Gräberfeld. Fotos: Gesine Biermann

Gardelegen. - Sie stehen in Metall geprägt für eine kleine Ewigkeit. Rund 300 Namen. Hinter jedem steht ein Schicksal. Am Ende jedes einzelnen Lebens steht ein grausamer Tod. Das Namensbuch vor dem Gräberfeld der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen erzählt eine traurige Geschichte, die zudem nie komplett sein wird. Denn nur knapp ein Drittel der 1.016 KZ-Häftlinge, die am 13. April 1945 in der Feldscheune Isenschnibbe bei lebendigem Leibe verbrannt oder erschossen wurden, konnten identifiziert und den Toten in den Gräbern tatsächlich zugeordnet werden. Von einigen ist nur der Name bekannt, und nicht der Ort aus dem sie stammten, von anderen wiederum ist nur geklärt, welche Nationalität sie hatten. Von vielen nicht einmal das.

Und doch sprechen die Einträge in den langen Reihen für sich. Besucher blättern oft durch die Seiten aus rostfreiem Stahl, bleiben vielleicht bei dem einen oder anderen Geburtsdatum hängen. Manche der Toten waren fast noch Kinder. Daten, die wohl besonders berühren.

All diese Fakten sollen nun digitalisiert und in einer Datenbank zusammengefasst werden. Das Projekt, das Gedenkstättenleiter Andreas Froese gemeinsam mit dem pädagogischen Mitarbeiter der Gedenkstätte, Lukkas Busche, bereits begonnen hat, soll es Menschen weltweit möglich machen, ihre Familienangehörigen zu suchen. „Es wird also die digitale Version des Metallbuches sein, das dann auch in die Homepage der Gedenkstätte eingebunden werden soll“, erklärt Froese.

Die Suche soll dort nicht nur nach Namen möglich sein, sondern auch nach bestimmten Ländern, nach Personen eines bestimmten Alters oder Gruppen – zum Beispiel nach Menschen, die aus einem Ort oder einer Stadt stammen. Das digitale Gedenkbuch soll später außerdem auf der Gedenkstätte nutzbar sein. „Besucher können dann selbst Gräber finden“, erläutert Frose. Bislang mussten dazu die Angaben im Dokumentationszentrum erfragt werden. Das war nur während der Öffnungszeiten möglich.

Und das digitale Buch soll selbstverständlich weitergeschrieben werden, denn selbst nach fast 80 Jahren können auch heute immer noch Namen zugeordnet und so die Lücken in vielen Familiengeschichten gefüllt werden. Das ist vor allem der unermüdlichen Recherche und Forschung von Historikern wie Andreas Froese und seinen Kollegen deutschland- und weltweit zu verdanken.

Hunderte  Namen und Daten werden nun digitalisiert.
Hunderte Namen und Daten werden nun digitalisiert.
Gesine Biermann

So konnte erst in diesem Jahr eine Verwechslung aufgeklärt werden: Im Grab, in dem viele Jahre der Mexikaner Joseph Salazar vermutet wurde, konnte dieser nicht beerdigt worden sein. Wie Recherchen ergaben, hatte Salazar im Mai 1945 noch Dokumente unterzeichnet, die ihm die US-amerikanischen Befreier vorgelegt hatten.

Der Austausch zwischen der Gardelegener Gedenkstätte und dem Zentrum für Dokumentation, Information und Forschung über die nationalsozialistische Verfolgung, NS-Zwangsarbeit sowie den Holocaust im hessischen Bad Arolsen (kurz Arolsen-Archiv), brachte dann schließlich die wahre Identität des Toten in jenem Grab zutage. Dort war der Algerier Rabia Boucif bestattet worden. Nach so vielen Jahrzehnten hatte dessen Familie endlich Gewissheit über sein Schicksal. Seine Angehörigen hatten sogar geglaubt, er habe sich abgesetzt. Nun konnten sie um ihn trauern und abschließen.