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...oder eine kleine Sprichwortkunde zu einem Fuchs, der heute genau 60 Jahre alt wird "Reineke (Konrad) Fuchs, der sitzt im Rat, an allen Tagen von früh bis spat"

Von Gesine Biermann 05.12.2011, 05:33

Seit zehn Jahren lenkt Konrad Fuchs die Geschicke von Gardelegen. Nomen est omen, sagt ein lateinisches Sprichwort. Der Name ist ein Zeichen. Aber ist das wirklich so? Die Volksstimme ging dieser Frage anlässlich seines heutigen 60. Geburtstages anhand von Sprichworten zum Thema Fuchs auf den Grund.

Gardelegen l "Wer den Fuchs fangen will, muss mit den Hühnern aufstehen", sagt ein altes deutsches Sprichwort. Nun, es ist nicht so ganz früh am Morgen, als Konrad Fuchs sich vor wenigen Tagen etwas Zeit nimmt für ein Interview.

Eigentlich ist er den Umgang mit Fragestellern durchaus gewohnt. Gefragt wird er ja schließlich dauernd, was er so zu diesem oder jenem politischen Sachverhalt zu sagen hat. Diesmal allerdings ist alles ein bisschen anders. Diesmal geht es um ihn selbst. "Der Dialog mit einem Fuchs endet meist damit, dass jemand Federn lässt", sagte einst so schön der Schweizer Journalist Walter Ludin. Aber das muss ja nicht zwangsläufig so sein. Ist es dann glücklicherweise auch nicht. Denn der Bürgermeister weiß, dass man sich als Mann der Öffentlichkeit auch schon mal in sein Privatleben schauen lassen muss.

Das von Konrad Fuchs, so viel ist sicher, beginnt jedenfalls am 5. November 1951 im thüringischen Bremsnitz. "Ein kleines Dorf am Ende der Welt", sagt Fuchs selbst. Der Vater Schuhmachermeister, die Mutter "führt eine kleine Wirtschaft". Arbeit ist für den kleinen Fuchs also kein Fremdwort. Er muss früh mithelfen. Sogar Melken könne er, versichert Konrad Fuchs glaubhaft. Doch wie formulierte es der luxemburgische Aphoristiker Jacques Wirion einst so schön: "Der Fuchs, dem die hoch hängenden Trauben in die Wiege gelegt werden, findet sie nicht sauer, sondern fade". Deshalb finde er es heute auch noch "gut so", dass ihm seine Eltern nichts schenkten, beteuert Fuchs. Und damit meint er nicht "den warmen Pullover als Weihnachtsgeschenk", der ihm in offensichtlich sehr schöner Erinnerung geblieben ist, sondern die Tatsache, dass viele Menschen seiner Generation noch wissen, was es bedeutet, sich seinen Lebensunterhalt mit ihrer Hände Arbeit zu verdienen.

Und das macht Konrad Fuchs Jahre später auch ganz praktisch weiter so. Denn nach Volksschulzeit - "vier Klassenstufen, Schiefertafeln und ein Lehrer für alle" -, der anschließenden Oberschule - "zwei Kilometer jeden Tag zu Fuß" - und der Erweiterten Oberschule in Stadtroda - "zwölf Kilometer mit dem Rad über ordentliche Steigungen" - macht Fuchs zwar sein Abitur, wird aber gleichzeitig Betonfacharbeiter. Ein bisschen hatte Opa Fuchs da wohl Pate gestanden. Der nämlich war Maurerpolier. Ein bisschen hatte aber auch Vater Fuchs schuld. Denn der drängte den Sohn, erst einmal "was Anständiges zu lernen".

Und so unvernünftig, sagt Konrad Fuchs, sei das tatsächlich nicht gewesen. Denn mit 20 Jahren, kurz nach der Armeezeit, aus der er "zwei gute Dinge" mitgenommen habe, nämlich "Ordnung zu halten und sich auch mal unterordnen zu können", ist er schließlich bereits Brigadier in einer Maurerbrigade. "Das gefiel mir eigentlich", sagt Fuchs heute. Der Studienplatz ist zu diesem Zeitpunkt allerdings schon fest. Und da ist es wieder der Vater, der nun darauf besteht, dass der Junge studiert, wo er "doch schon mal das Abitur bestanden" habe.

Und schließlich kann man nicht "Fuchs und Hase zugleich sein", sagt das Sprichwort. Deshalb beginnt dieser Fuchs 1972 mit dem Lehrerstudium an der Humbold-Universität in Berlin. "Einen Fuchs kriegt man nicht aus seinem Bau", sagt man zwar auch. Doch für ihn sei Berlin "einfach toll" gewesen, sagt Fuchs. Und in der Hauptstadt findet er schließlich nicht nur sein "politisches Bewusstsein" zum Beispiel im Kabarett "Distel", sondern in Aufführungen der Staatsoper auch die Liebe zur Kultur und beim "Sechs-Tage-Rennen oder Gewichthebereuropameisterschaft, einfach großartig" zum Sport, sondern auch seine persönliche erste Liebe.

Und genau wegen der verschlägt es ihn schließlich in die Altmark. In Jävenitz wird Fuchs dann nicht nur heimisch, sondern auch Vater von zwei tollen Töchtern. Und er wird zudem Ende 1986 - "genau vor 25 Jahren, noch ein Jubiläum" - einer der ersten Lehrer der damaligen Dimitroffschule. Später soll ausgerechnet er dafür sorgen, dass sie abgerissen wird. Trotz aller Erinnerungen an seine Zeit dort sei das dennoch "eine gute Entscheidung" gewesen, sagt er heute.

Zwei ganz persönliche Entscheidungen trifft Fuchs dann auch einige Zeit später. Zum einen beginnt er eine Vollzeitweiterbildung zum Staatsbürgerkundelehrer in Leipzig - "auch das war für mich wichtig, denn da habe ich begonnen, mich mit politischen Themen zu befassen, und das hat mir eine Menge mitgegeben" -, zum anderen lernt Fuchs nach der Trennung von seiner ersten Frau seine zweite Frau Christine kennen. Obwohl ja ein weiteres Sprichwort eigentlich sagt: "Der Fuchs geht nicht zum zweiten Mal ins Garn." Er schon. Es ist eine gute Ehe. Und auch die beiden Töchter seiner Frau werden für ihn bald zu "eigenen Kindern". Mittlerweile gebe es heute "fünf kleine Kinder", die zu ihm Opa sagen dürfen, erzählt Fuchs stolz. Dazu zählt er auch das Enkelkind seiner derzeitigen Partnerin. Denn seine Frau Christine verlor Konrad Fuchs schließlich viel zu früh an einer schweren Krankheit. Ein Thema, das ihm immer noch sehr nahe geht. Manchmal bekommt eben auch der Fuchs eine Gänsehaut.

Mit seiner zweiten Frau an seiner Seite übernimmt er Anfang der 1990er Jahre selbstbewusst eine Stelle als Schulinspektor, und wird dann 1993 hauptamtlicher Bürgermeister von Jävenitz - "als Nachfolger von Ludwig Pawlik, von dem ich sehr viel gelernt habe" -, und kandidiert schließlich 2001 für das Amt des Bürgermeisters in Gardelegen.

"Bär und Büffel können keinen Fuchs fangen", prophezeihten unsere Vorväter. Und das stimmt wohl. Denn Fuchs gewinnt in der Stichwahl damals gegen seine Amtsvorgängerin Hannelore von Baehr und nach seiner ersten Amtszeit mit einem überragenden Ergebnis auch die Wiederwahl 2008.

Woran es liegt, dass er so erfolgreich ist, weiß Fuchs auch nicht so genau. "Vielleicht merken die Menschen, dass ich ehrlich bin", sagt er. Ganz sicher aber merken die, dass er einer von ihnen ist. Einer, der sich auch mal in die Kneipe setzt - "Walter Fehse fehlt mir übrigens sehr" -, einer der das Ferienlager Gager mit aufgebaut hat und der schon mal das Sakko ablegt und ein Fußballspiel pfeift, wenn Not am Schiedsrichter ist.

Bereits seit 1994 ist Fuchs zudem Kreistagsmitglied. Damals, so erinnert er sich, sei er noch als Nichtparteimitglied über die Liste der SPD eingezogen. Dass er später auch das Parteibuch bekommt, "obwohl ich eigentlich nicht mehr in eine Partei eintreten wollte", (Fuchs war zu DDR-Zeiten SED-Mitglied), ist für ihn selbst dennoch eine konsequente Entscheidung. Denn er fühlt sich zur SPD auch politisch hingezogen. "Ich bin eben ein alter Sozi", sagt Fuchs - oder auch wieder sprichwörtlich ausgedrückt: "Ein Fuchs verkehrt wohl seine Haut, aber nicht sein Gemüt."

Obwohl, ein Gemütsmensch ist Konrad Fuchs ja eigentlich nicht. Eher doch einer, der für seine Überzeugungen einsteht. In der jüngsten Zeit mehr denn je. "Wenn der Fuchs noch Zähne hat, geht er nicht ins Kloster", sagt man in Bulgarien. Und dass ein Bürgermeister Zähne braucht, zeigte ihm in den vergangenen Monaten denn auch wieder einmal die Gebietsreform.

Nein, immer beliebt mache man sich da nicht, weiß der Fuchs. So manches Gefecht war schwer und nur mit Kompromissen möglich. So wie jenes ums Dorfgemeinschaftshaus in Dannefeld. Doch auch das ist nun ausgetragen und vertraglich fest. Dass alles Hand und Fuß hat, ist ihm wichtig. Schon der deutsche Autor Martin Gerhard Reisenberg wusste schließlich: "Schließt der Fuchs mit dem Bauern einen Vertrag ab, lässt er ihn sich mit Gänseblut besiegeln."

Bei allem Kampfgeist nimmt allerdings auch ein Fuchs so manches Problem mit in seinen Bau. Die Konsolidierung zum Beispiel, lasse ihn zuweilen sogar nachts nicht zur Ruhe kommen. "Der Fuchs zählt auch im Schlaf noch seine Hühner", bestätigt ein Zitat des Philosophen Manfred Hinrich. Da helfe oft nur der "Notizblock auf seinem Nachttisch", sagt Fuchs schmunzelnd. "Wenn mir was einfällt, schreibe ich es auf. Dann kann ich manchmal wieder ruhig schlafen." Trotz allem aber komme er wirklich sehr gern jeden Tag in sein Büro im Rathaus, sagt er. Oft wird es auch lange. Sagt ja schon Goethe: "Reineke Fuchs, der sitzt im Rat an allen Tagen von früh bis spat."

Dahin allerdings radelt er meist. Seit vier Jahren hat er sogar ein Rennrad. Obwohl: Eigentlich ist für ihn sonst nicht der Weg das Ziel. "Ich liebe eher konkrete Ergebnisse", gibt Fuchs zu. Was er hingegen gar nicht leiden könne seien "Eigennutz und Hinterlist", und das ist doch eher untypisch für einen Fuchs.

Aber jetzt mal ganz außerhalb von Sprichwörtern und Aphorismen: Er ist ja schließlich auch keiner. Er ist ein Mensch, ein sehr fröhlicher dazu, wie jeder weiß, der ihn kennt. Und so feiert Konrad Fuchs heute Vormittag auch ganz menschlich seinen 60. Geburtstag im Schützenhaus. "Wer kommt, kommt", sagt er. Und er freue sich auch garantiert darüber, wenn der eine oder andere Bürger vorbeischaue.

Damit bleibt eigentlich nur noch ein Sprichwort übrig. Oder besser ein alter deutscher Trinkspruch, nämlich: "Er soll leben so viel Jahr, wie der Fuchs am Schwanz hat Haar."