Bibliothek Spielzentrale zwischen Büchern
Der Büchermarkt setzt aufs Digitale - auf Videospiele. Genau diese sollen eine tragende Rolle in der Bibliothek Gardelegen bekommen.
Gardelegen l Die Welt wird digitaler. Das mag mancher bedauern, aber Einrichtungen müssen sich daran anpassen, um weiter zu bestehen. Bibliotheken sind ein gutes Beispiel dafür: Sie verlassen sich schon lange nicht mehr allein auf die Bücherausleihe, der Angebote wie Online-Versand und eBooks zu große Konkurrenz machen. Stattdessen kommen andere Medien zum Tragen – Videospiele zum Beispiel, deren Rolle in Gardelegen dank finanzieller Förderung wächst.
Ums Ausleihen geht es hier aber nicht, denn „wir sind zu spät eingestiegen“, gesteht Vizeleiterin Romy Topf, stellvertretende Leiterin der Bibliothek, ein. Dafür soll das Spielen vor Ort und zusammen mit anderen gefördert werden, was verschiedene positive Effekte mit sich brächte. „Es geht nicht darum, rumzudaddeln“, erklärt Topf das Vorhaben. „Gerade so ein Turnier zu organisieren, macht auch Arbeit, von der Öffentlichkeitsarbeit über Organisation, Preise ausdenken, Urkunden drucken….“
Schon im vergangenen Jahr hat sich ein Club in der Bibliothek gegründet, der unter anderem eigene Turniere und einen Spieleabend mit dem benachbarten Altenpflegeheim organisierte. Auch online ist der „Bibo-Gaming-Club“ schon auf der Internetplattform „Twitch“ vertreten, die vor allem von Videospielen lebt. Der Club soll nun zu einer richtigem eSport-Zentrale ausgebaut werden, durch 6000 Euro Eigenbeteiligung und 18.400 Euro Fördermittel aus dem Programm „Vor Ort für Alle“, das Maßnahmen zur Modernisierung von Bibliotheken unterstützt.
Die Modernisierung der Gardelegener Bibliothek ist im Obergeschoss geplant, mit einem Raum für Gaming-Aktivitäten – allerdings nicht nur für diese, sondern auch Workshops und andere Vorhaben. Daher muss das „Hub“, also das Zentrum, mobil sein, mit Gaming-Laptops, die sich schnell auf- und abbauen lassen. Dafür sind auch Sicherheitsmaßnahmen wie Brand und Lärmschutz notwendig – Letzteres, damit im Rest des Gebäudes der normale Bibliotheksbetrieb nicht gestört wird.
Ziel sei, Leute zusammenzubringen und die Bibliothek zu einem Treffpunkt, zu einem kulturellen Zentrum zu machen, beschreiben die beiden Leiterinnen Laura Zerneke und Romy Topf das Vorhaben. Das Projekt stehe auch für sich, nicht etwa dafür, sinkende Buchausleihzahlen anzukurbeln. „Am Ende des Tages ist es ja der Ort Bibliothek, der besucht wird“, betont Zerneke. Während das aktuelle Angebot erstmal von 14- bis 18-Jährigen genutzt wird, sollen auch Ältere angesprochen werden. Der Durchschnittsspieler ist schließlich um die 35 Jahre alt, wie Topf auch in ihrer Bachelorarbeit zum Thema E-Sport und Bibliotheken hervorhob. Ein weiterer Punkt: Chancengleichheit. Denn teure Computer oder Konsolen können sich bei weitem nicht alle leisten, in der Bibliothek stünden sie aber zur Verfügung.
Der Begriff „E-Sport“ deckt theoretisch alles vom Kleinstadtturnier bis hin zu internationalen Großveranstaltungen ab. Das Projekt orientiert sich eher an ersterem, wird aber mit einigen erfahrenen Spielern zusammenarbeiten.
Martin Müller vom Deutschen und Magdeburger eSport-Bund hat sich die Bedingungen etwa schon vor Ort angesehen. Er setzt sich für Akzeptanz des Sportes ein, ebenso wie Aufklärung, um „vielleicht die eine oder andere Fehlwahrnehmung“ anzugehen – aus beiden Richtungen. So sehr es für Jugendliche auch nach einem Traumjob klingt, fürs Spielen bezahlt zu werden, verdienen nur die wenigsten genug, dies hauptberuflich zu tun. Spätestens in dem Fall greift aber auch nicht mehr das Klischee dicker, fauler Kinder vor dem Computer – Profis brauchen einen sportlichen Ausgleich und „leben nicht anders als ein Fußballprofi“, schildert Müller.
Unterstützung gibt es auch aus der Kommune, Bürgermeisterin Mandy Schumacher etwa betont ebenso den Wandel der Bibliothek, während sich für Topf und Zerneke der Beruf der Bibliothekarin stark verändert hat. Schumacher sieht es als Möglichkeit, die Zukunft der Bibliothek abzusichern: „Der Bereich E-Sport und Gaming ist so ein bisschen Zukunftsmarkt, das sollten wir schon beachten“ – auch wenn sie nicht tief in der Materie steht, nach eigenen Schilderungen – die letzten Spiele, die sie gespielt hat, stammen noch aus den 1990ern.