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Talent Die Zielscheibe immer im Fokus

Liezl Röhrs ist elf Jahre alt, wohnt in Klötze, trainiert in Mieste und zählt zu den besten Compound-Bogenschützen ihrer Altersklasse.

Von Malte Schmidt 22.03.2020, 22:00

Mieste l Es ist ruhig im Schützenhaus in Mieste. Langsam spannt die elfjährige Liezl Röhrs aus Klötze ihren Bogen, schließt ihr rechtes Auge und fokussiert mit voller Konzentration die Mitte der Zielscheibe. Es dauert keine Sekunde. In Windeseile fliegt der Pfeil in Richtung Mitte. „Der Versuch war nicht so gut“, resümiert die Altmärkerin, die in den zurückliegenden Monaten landesweit immer wieder auf sich aufmerksam gemacht hat. Doch wie? Mit ihren elf Jahren ist Liezl Röhrs eher eine der „kleineren“ Mitglieder des Schützenvereines in Mieste. Sobald das talentierte Mädchen jedoch einen Bogen in ihre Hände nimmt, gehört die Schülerin zu den größten ihrer Altersklasse im Compound-Bogenschießen im Land Sachsen-Anhalt. So konnte sie bereits zahlreiche regionale Wettkämpfe für sich entscheiden, in ihrer Altersklasse Landesmeisterin werden und Anfang Januar dann sogar die Ostdeutschen Meisterschaften in der Schülerklasse B in Berlin gewinnen. Hinzu kommen 13 Landesrekorde und zwei Deutsche Rekorde in der Altersklasse U 12.

Man sieht der zierlichen Klötzerin, die während ihrer Wettkämpfe immer ein Kopftuch mit der Aufschrift „Echte Prinzessinnen kommen nicht im Kleid, sondern mit Pfeil und Bogen“ trägt, nicht auf Anhieb an, welche Energie in ihr steckt. Wie mobilisiert sie also diese Energie, um bei allen Wettkämpfen stets eine gute bis sehr gute Leistung abzuliefern? Liezl Röhrs Mutter Marion ist sich sicher, dass es an einem Foto liegen könnte, das bei jedem Wettkampf mit dabei ist. Es ist ein Foto von Liezl großem Bruder Michael.

Es war im August 2018, als ihr großer Bruder bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. „Sie konnte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr mit einem normalen Bogen schießen, da sie immer gezittert hat, wenn sie an ihn dachte“, erzählten Mutter Marion Röhrs und ihr Vater Thomas Röhrs. So kam es, dass Liezl auf den Compound-Bogen umstieg und mittlerweile zu den besten ihrer Altersklasse gehört. Dass ihr das Foto wichtig ist und ihr sehr viel Kraft spendet, merkt Marion Röhrs immer wieder aufs Neue. „Liezl passt immer genau auf, wenn ich zum Beispiel die Tasche für die Turniere packe, dass das Bild von ihrem Bruder mit dabei ist“.

Angefangen habe ihr Interesse am Bogensport im Alter von acht Jahren. „Da habe ich eine DVD geschenkt bekommen“, erinnert sich Liezl Röhrs. Die Klötzerin erzählt weiter, dass es sich dabei um den Film „Merida – Legende der Highlands“ gehandelt habe. Merida, die Hauptdarstellerin in dem Film, darf wählen, in welcher Disziplin die Erstgeborenen um ihre Hand kämpfen sollen. Sie entscheidet sich für das Bogenschießen. „Ich habe diesen Film sehr gemocht und wollte dann auch mit diesem Sport beginnen“, weiß Liezl Röhrs noch ganz genau. So schieße sie derzeit sowohl für den Schützenverein in Mieste als auch für den Sportverein in Kuhfelde. „Man sieht, dass sie ein ganz besonderes Talent in sich trägt“, beobachtet Hans-Dieter Kregel, Vorsitzender des Schützenvereines in Mieste, schon seit einigen Monaten.

Demnach trainiere sie bis zu dreimal in der Woche, sowohl in Mieste als auch in Kuhfelde, um immer besser zu werden. „Es ist einfach Wahnsinn, dass sie bei jedem Wettkampf konstant sehr gute Leistungen abliefert und damit oft auch besser als Schützen ist, die weitaus älter als sie sind“, sagt Kregel. Er überreichte Liezl Röhrs kürzlich einen Blumenstrauß, eine Urkunde sowie die Glückwünsche aller Mitglieder des Vereines. „Wir freuen uns einfach, dass sie auch bei uns im Verein ist und hier trainiert“, zeigt sich Hans-Dieter Kregel erfreut.

Warum sie so zielstrebig ist, weiß die Elfjährige natürlich auch. Sie möchte immer erfolgreicher in dem Sport werden. „Ich habe Sara Lopez aus Kolumbien als Vorbild. Sie ist wirklich sehr gut und trainiert dafür sehr viel“, erzählt Liezl, während sie im Schützenhaus in Mieste nach einem neuen Pfeil greift, den sie mit ihrem Bogen mit hoher Geschwindigkeit in die Mitte der mehrere Meter entfernten Zielscheibe donnert. „Ich glaube, dass der Schuss jetzt ein wenig besser war“, freut sich Liezl, die in ihrer Freizeit gerne Rap-Musik hört oder sogar tanzt, wie ihre Mutter Marion Röhrs stolz erzählt.