EIL

Theaterprojekt Frühlingserwachen

Liebe, Sex oder die Angst vorm Schulversagen - ein besonderes Theaterprojekt von 24 Schülern des Gardeleger Gymnasiums.

Von Gesine Biermann 26.06.2018, 23:00

Zichtau l Moritz und Melchior reden über Mädchen. Ein bisschen altmodisch sind ihre Worte. Der Inhalt ist es nicht. Genauso wenig wie kurz darauf das Gespräch zwischen Martha, Thea und Wendla: Martha wird nämlich von ihrem Vater geschlagen. Unfassbar für die beiden anderen. Doch damit, dass das diesjährige Theaterstück der Gardeleger Gymnasiasten Ende des 19. Jahrhunderts spielt, hat das nichts zu tun. Denn die Probleme, von denen es erzählt, gibt es auch heute noch. Da ist die Angst von Moritz, das Abi nicht zu schaffen, da ist Wendla, die ungewollt schwanger wird, da sind Lehrer, die nur an den Ruf der Schule denken und Eltern, die nur ihre Werte gelten lassen wollen.

Dafür, dass das alles so richtig ankommt im Kopf der vielen Zuschauer im Zichtauer Rinderstall, sorgen die Zehnt- und Zwölftklässler des Gardeleger Gymnasiums auch beim fünften Theaterprojekt wieder eindrucksvoll. Denn in die etwas schwergängige Prosa von 1891 mischen sie ihre eigene Sprache – und ihre Songs: Da erstarren Melchior (ein beeindruckender Tor Persson) und Wendla (eine bezaubernde Isabell-Corvette Kühn) mitten in der (übrigens sehr mutigen) Liebesszene ... und es erklingt der Werbesong eines bekannten Interneterotikhandels. Und als Moritz (Hannes Liebrucks) klar wird, dass er nicht versetzt wird und über Selbstmord nachdenkt, spielt Trailerparks „Bleib in der Schule“: „ ...wir wollen doch alle nur nen Job und dann sterben.“

Dass auch ein Drama lustig sein kann, beweist an diesem Abend vor allem Tabea Sosath in der Rolle der Rektorin Sonnenstich, als sie dem Publikum rautenhändig versichert: „Wir schaffen das“, oder dem Herrn Ministerialrat am Telefon unterwürfig um den Bart geht. Und auch das Thema Machogehabe kommt nicht zu kurz, als Melchior seine Mutter zum Teekochen abkommandiert: „Mensch, mach mal hinne!“ So manche Mama im Publikum nickt da nachsichtig lächelnd vor sich hin. Während der Beerdigung von Moritz, der sich auf der Bühne kurz zuvor so ganz ohne Pathos in den Kopf geschossen hatte, läuft allen Eltern im Publikum allerdings ein Schauer über den Rücken, als Schulleiterin Sonnenstich Moritz` Vater mit den Worten „Mein Beileid, aber wir hätten Ihren Sohn ohnehin nicht durchs Abi bringen können“ kondoliert ...

Der Applaus für ihr eindrucksvolles Stück gilt am Ende natürlich allen 24 Jungschauspielern, die in Sachen Regie auf Ex-Abiturientin Carolin Stekla, die beiden Lehrerinnen Nancy Müller und Sandra Riethmüller und das Wissen von Profischauspielerin Charlotte Knappstein vertrauen konnten. Unterstützt wurde das Projekt wieder von der Stiftung Zukunft Altmark, dem Schulförderverein, vom Land Sachsen-Anhalt, Kupfer Musik und den Offenen Kanal, auf dem das Stück demnächst zu sehen sein wird.