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Gardelegerin übernahm die Patenschaft für einen besonderen Vierbeiner aus dem Tierheim Trainingsstunden für einen blinden Hund

Von Gesine Biermann 22.09.2012, 05:18

Ein blinder Hund ist kein Blindenhund. Eine gute Ausbildung brauchen indes beide. Wie das bei einem Hund funktioniert, der nichts sieht, zeigt die Gardelegerin Gundula Klinke eindrucksvoll.

Gardelegen l Gerade hat sie ihm ein Stöckchen hingeworfen. Das hat er brav zurückgebracht. Dann läuft er schon mal ein bisschen voraus. "Achtung, Peppy, jetzt links", sagt Gundula Klinke. Abrupt bleibt der puschelige Mischlingshund einige Meter vor ihr stehen und läuft dann langsamer, aber zielsicher in die angesagte Richtung.

Wer den beiden zusieht, staunt nicht schlecht. Schließlich ist es toll, wenn ein Hund so prima hört. Schön, mit einem so braven Kerl spazieren zu gehen, denkt wohl so mancher, der ihnen begegnet.

Bei Peppy allerdings ist das ein kleines Wunder. Der Tibetterrier-Schnauzer-Mix ist nämlich vollkommen blind. Ohne Kommandos würde er gegen so manches Hindernis rennen. "Und das ist natürlich auch schon oft passiert", sagt die Gardelegerin lachend. "Er muss wohl einen ziemlich harten Schädel haben."

Allerdings wird es von Tag zu Tag besser mit seiner Orientierung, erzählt Klinke. Und das ist ganz sicher ihrem Training zu verdanken. Schon seit Monaten übt die 52-Jährige täglich mit dem gelehrigen kleinen Kerl. Dabei gehört ihr der Vierbeiner gar nicht. Peppy ist ein Tierheimhund. "Vor gut einem Jahr wurde er dort abgegeben", erzählt Klinke, die schon seit Jahren regelmäßig dort aushilft, mit den Hunden spazierengeht und sogar mal mit dem Tierheim-Pkw zum Tierarzt nach Wolfsburg fährt, wenn von den Mitarbeitern kein anderer Zeit hat.

Als Peppy ankam damals, war er einer von insgesamt fünf Welpen. Alle ganz bezaubernd, erst wenige Wochen alt. Doch schnell wird den Tierheimleuten klar, dass einer von ihnen nicht sehen kann. "Er ist ständig gegen irgendeinen anderen Hund gelaufen. Manchmal wurde er dann sogar gebissen." Dann war er wohl immer ziemlich verdattert.

Und während Peppys Geschwister alle in null Komma nichts einen neuen Besitzer finden, bleibt der blinde kleine Welpe im Tierheim zurück. Verständlich, wer will schon einen blinden Vierbeiner, auch wenn er noch so niedlich ist.

Natürlich habe er allen leid getan, sagt die Gardelegerin. Doch in der Einrichtung habe eben niemand die Zeit, sich intensiv um einen behinderten Hund zu kümmern. So habe sie sich immer besonders um ihn bemüht. Schon nach kurzer Zeit beherrscht der Kleine die Grundkommandos. Bald darauf nimmt ihn Gundula Klinke auf gemeinsame Spaziergänge mit ihrer eigenen Labradorhündin mit. Die ist schon eine alte Hundelady und sehr ruhig und geduldig. Der kleine aufgeweckte Kerl scheint auch ihr zu gefallen. Umgekehrt ist es genau so. Und so werden die drei schnell ein prima Gespann.

Allerdings nur leihweise. "Schließlich habe ich schon einen Hund", sagt die Tierfreundin. Weil der blinde Peppy sich aber durch ihre Hilfe offensichtlich immer besser zurechtfindet, bittet das Tierheim die Gardelegerin schließlich, so etwas wie eine Patenschaft für den Hund zu übernehmen.

Denn wenn ihn irgendjemand trainieren könne, dann sei es Frau Klinke, sagt Tierheimchefin Petra Gewasda. Vielleicht finde sich dann ja doch mal ein Tierfreund, der ihn zu sich nach Hause holt.

Und darauf bereitet ihn sein Patenfrauchen nun täglich ein Stückchen mehr vor. Was sie ihm schon alles beigebracht hat, ist unglaublich. Bei "Stopp" bleibt Peppy sofort stehen, bei "Stufen rauf" oder "Stufen runter" weiß er genau, was er tun muss. Zu Anfang, so erzählt Klinke, habe sie noch ein Glöckchen am Fuß gehabt, wenn sie mit ihm draußen war. Spielen konnte er anfangs nur mit einem Quietschball, weil der zu hören war. Jetzt hört er einfach auf ihre Stimme oder den Klang ihrer Schritte. Und er findet auch anderes Spielzeug, wie ein Stöckchen, nur mit seiner Nase; und selbst wenn ihn sein Trainingsfrauchen zum Beispiel auf einer großen Wiese frei herumtoben lässt, findet er problemlos wieder zu ihr zurück.

Wer ihn beobachtet, ahnt übrigens nicht im entferntesten, dass der Hund nichts sieht. Seine hellen Augen sind von seinem wuscheligen Fell verdeckt. Und tapsig oder irgendwie unsicher wirkt er schon lange nicht mehr. Nur manchmal, wenn er allzu forsch auf andere Menschen zugeht, sagt Gundula Klinke vorsichtshalber mal "Stopp, Peppy", und zu den Zweibeinern: "Kriegen Sie keinen Schreck. Der Hund ist blind. Er sieht Sie nicht."

Dass das tatsächlich so ist, weiß die Gardelegerin seit kurzem übrigens ganz sicher: "Ich habe eine ganze Weile geglaubt, dass er zumindest hell oder dunkel unterscheiden kann", erzählt Klinke. "Manchmal hat er nämlich Lampen angebellt." Der Augenspezialist in einer Magdeburger Tierklinik konnte ihr das dann allerdings nicht bestätigen: "Er ist vollkommen blind", versicherte der Veterinär nach kurzer Untersuchung. Keine Operation könne das reparieren. Vermutlich habe der Hund als Welpe eine Augenentzündung gehabt. Sein Besitzer habe das damals aber wohl nicht gesehen oder nicht sehen wollen, vermutet die Tierfreundin.

Wenn sie an den Tierarztbesuch denkt, muss sie "trotz all der Enttäuschung, dass man ihn nicht operieren kann", allerdings auch ein bisschen lachen: "Der Arzt hat nämlich gleich nach der Untersuchung ganz streng zu mir gesagt: Der Hund sei zwar blind, aber das sei überhaupt kein Grund ihn einzuschläfern. Er hätte schließlich noch sein ganzes Leben vor sich." Darüber allerdings habe im Tierheim auch niemand nachgedacht, habe sie ihn beruhigt. Und sie natürlich schon gar nicht.

Dass Peppy "noch viel lernen wird, um seine Blindheit zu kompensieren", habe ihr allerdings nicht erst der Tierarzt sagen müssen. Einige Zeit wird es zwar noch dauern, bis er sich gefahrlos überall selbst zurechtfindet. Dass das aber ständig besser wird, so Klinke schmunzelnd, "erlebe ich schließlich jeden Tag selbst".

Aber auch sie habe schon einiges gelernt, verrät seine Patin zwinkernd: Zum einen, dass "Peppy und ein Staubsauger niemals Freunde werden", vor allem aber, "dass man auf gar keinen Fall Möbel umstellen sollte". Dann nämlich vertraue Peppy nicht auf seinen Instinkt, sondern auf Gewohnheiten. "Und das hört man dann."