Gericht Ukrainischer Arzt freigesprochen
Ein Urteil gab es am 17. Januar im Falle des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung durch einen Arzt am Altmark-Klinikum Gardelegen.
Stendal l Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Stendal hat den 56 Jahre alten Arzt N. von der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Sie folgte damit den Anträgen von der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung.
Dem Ukrainer war vorgeworfen worden, Ende November 2011 einen Wirbelsäulenpatienten am Altmark-Klinikum Gardelegen operiert zu haben, ohne dass dafür eine medizinische Indikation vorgelegen habe. Das MRT, das wenige Wochen zuvor von der Wirbelsäule des Mannes gemacht worden war, habe keine Einengung des Spinalkanals gezeigt. Außerdem habe N. nicht den sogenannten Facharztstandard eingehalten. Als Assistenzarzt mit ukrainischen Wurzeln, dessen Facharztabschluss seines Heimatlandes in Deutschland nicht anerkannt worden war, hätte er laut Anklage nur im Beisein eines Fachspezialisten operieren dürfen.
Nach sieben Verhandlungstagen haben sich, wie die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung deutlich machte, die Vorwürfe, dass der Angeklagte seine ärztlichen Pflichten verletzt habe, nicht bestätigt. Seine ärztliche Qualifikation habe aufgrund seiner jahrelangen Erfahrungen nicht in Frage gestanden.
Man könne zwar davon ausgehen, dass der Angeklagte den Patienten ohne Anwesenheit eines Facharztes operiert habe. Ob aber der Facharztstandard nicht eingehalten wurde, konnte nicht geklärt werden. Denn dieser gebe vor, wie in der Beweisführung laut Richterin deutlich wurde, dass ein Facharzt nicht bei der Operation direkt am OP-Tisch dabei sein, sondern in Rufbereitschaft im Haus sein müsse. Und das konnte nicht abschließend geklärt werden, da sich auch die als Zeugin vernommene OP-Schwester nicht mehr genau daran erinnern konnte.
Zudem konnte nicht ohne Zweifel geklärt werden, ob eine Indikation für die Operation vorgelegen habe oder nicht. Der Gardelegener Radiologe, der sachverständige Zeuge sowie zwei Gutachten von einem Radiologen und einem Neurochirurgen aus Berlin, die der Verteidiger noch vorlegte, diagnostizierten zwar anhand der MRT-Bilder eine relative Foramenstenose, also eine knöcherne Verengung des Nervenkanals, und einen Verschleiß an der unteren Bandscheibe mit einer Vorwölbung, die eine Operation hätte initiieren können.
Ob das der Fall war, konnte nicht abschließend geklärt werden. Ein Grund dafür seien die lückenhaften Dokumentationen zur vorherigen konservativen Behandlung und Schmerztherapie. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese ausgeschöpft wurden. Sehr lückenhaft sei auch die OP-Dokumentation, die nicht genau Auskunft darüber gebe, was unternommen wurde, um die Verengung zu beseitigen. Es gebe laut Richterin Anhaltspunkte für Zweifel, es sei aber nicht auszuschließen, dass eine OP notwendig gewesen sei. Eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden, was zum Freispruch führte.
Die Staatsanwältin hatte in ihrem Plädoyer ähnliche Worte gefunden. Wie sie dazu ausführte, sei die verhandelte Anklage die letzte aus dem „riesengroßen Verfahren unter dem Schlagwort Wirbelsäulenskandal“ gewesen. Und bei der Anklageerhebung sei ihr „teilweise die Spucke weggeblieben“. Denn es sei ja so gewesen, dass zu der Zeit im Gardelegener Altmark Klinikum „eine ganze Reihe an Wirbelsäulen-Operationen stattgefunden haben, deren Dokumentationen teilweise falsch oder unvollständig waren“. Das sei nicht strafbar, erschwere aber die Feststellung, was konkret gelaufen sei, ob eine fahrlässige Körperverletzung vorliege.
Es sei viel schief gelaufen, stellte sie fest. Und es sei ihr unverständlich, dass sich der Geschäftsführer hier hinsetzt und sagt: „Das geht mich nichts an, das ist Sache des Oberarztes, dem aber die Hände gebunden sind.“ Aber man hatte nicht über den Altmark-Klinik-Skandal zu befinden, sondern über die persönliche Schuld des Angeklagten, der auf Weisung gearbeitet habe.