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Jubiläum Abiturienten mit Facharbeiterbrief

31 ehemalige Schüler des Abiturjahrganges 1967 kamen in Genthin zu einem Klassentreffen zusammen.

Von Mike Fleske 01.10.2017, 08:00

Genthin l Eine muntere Runde kehrte kürzlich im „Hotel Müller“ ein. Bei den Besuchern handelte es sich um den Abiturjahrgang 1967 der Erweiterten Oberschule Genthin.

Damals seien die Schüler aus allen Schulen des damaligen Kreises Genthin zur Erweiterten Oberschule (EOS) gegangen. „Wir wurden nach dem Leistungsprinzip ausgewählt“, erinnerten sich die Teilnehmer. Allerdings sei nur ein kleiner Teil der Schüler in die EOS gegangen. „Ein großer Teil beendete die Schule nach der 8. Klasse und lernte einen Beruf.“ Viele absolvierten noch die 9. und 10. Klasse und begannen dann mit der Berufsausbildung.

Eine Besonderheit dieses Jahrgangs war die Tatsache, dass es eine A-Klasse mit erweitertem Fremdsprachenunterricht gab. Es wurde neben Russisch und Englisch noch das große Latinum gelehrt. In der B-Klasse hingegen wurde vorwiegend naturwissenschaftlicher Unterricht erteilt. Heute würde man diese als MINT-Fächer bezeichnen. Den sprachlichen Zweig, die A-Klasse, gab es an dieser Schule in den Folgejahren nicht mehr.

Ein weiteres Merkmal dieses Jahrgangs war, dass neben dem Abitur gleichzeitig ein Facharbeiterbrief in einem Ausbildungsberuf erworben wurde. Die Schüler konnten Maurer, Betriebsschlosser, Elektriker, Gärtner, Rinderzüchter sowie Betriebs- und Verkehrseisenbahner werden. Der Jahrgang war der zweite, der diese Form der Ausbildung durchlief.

„Wir waren damals so etwas wie Versuchskaninchen“, meinten die Ehemaligen mit einigem Humor. Zunächst fand die berufliche Ausbildung an einem Tag in der Woche in den Ausbildungsbetrieben statt, ab der 10. Klasse änderte sich dann der Rhythmus auf drei Wochen Unterricht in der EOS und eine Woche berufliche Ausbildung im Betrieb. „Auch in den Schulferien waren noch Ausbildungszeiten in den Betrieben zu absolvieren.“ Die Ferien waren dadurch etwas verkürzt.

Mit dem Abiturzeugnis erhielt jeder Absolvent neben dem Abiturzeugnis bei bestandener Prüfung auch einen Facharbeiterbrief, heute Gesellenbrief. „Kurioserweise ist die bundesdeutsche Rentenversicherung die einzige Institution, die diesen Gesellenbrief nicht anerkennt, während er in jedem Betrieb Bestand hat“, erläutert der 67er Abiturient und heutige Genthiner Stadtratsvorsitzende Gerd Mangelsdorf.

Erwähnenswert sei zudem die Zusammensetzung der Klassen. Während in der A-Klasse nur vier Jungen saßen, war es in der B-Klasse umgekehrt mit nur drei Mädchen. Daher machten nur gemeinsame Klassenfeiern Sinn, um Stimmung aufkommen zu lassen. Fast wie heute war damals die Musik wichtig für die jungen Leute.

1963 bis 1967 begann die Zeit der Beatles und der Rolling Stones, die ihren Siegeszug in der ganzen Welt antraten. „Das war auch verbunden mit den Modeerscheinungen Niethose und längere Haare.“ Da sei es dann schon mal vorgekommen, dass man von den Lehrkräften aufgefordert wurde, zum Friseur zu gehen oder nicht mehr mit Niethosen in der Schule zu erscheinen, blieb bei Gerd Mangelsdorf als Betroffenem in Erinnerung.

Zu dieser Zeit gab es in der heutigen Jerichower Straße noch ein Internat, in dem beispielsweise einige Schüler aus dem Kreis Burg untergebracht waren. „Ich denke gerne zurück an die familiäre und fürsorgliche Atmosphäre im Heim. Die damalige Leiterin, Frau Homann, war wie eine Mutter zu uns. Sie trug so zu unseren schulischen Erfolgen bei“, äußerte sich Bernd Natho rückblickend.

Der Schülerverkehr war damals noch nicht so komfortabel wie heute. Heute sei es gang und gäbe, dass Eltern ihre Kinder mit dem eigenen Auto zur Schule bringen. „Das gab es bei uns nicht.“ Es gab wenige Busse, häufiger Bahn und Fahrrad. Der Sportunterricht fand am Nachmittag statt, und Samstag war normaler Unterrichtstag.

„Rückblickend positiv erscheint uns heute",  so Herbert Prokop, „dass es kein FDJ-Studienjahr, keinen Wehrkundeunterricht, keine vormilitärische oder GST-Ausbildung, keinen Druck gab, sich für drei Jahre oder länger für den Armeedienst zu verpflichten.“ Angenehm in Erinnerung hingegen bleiben die Schülerbälle im heutigen „Lindenhof“ mit Bands aus Magdeburg wie „Kellergeister“ oder „Klosterbrüder“. Das Ferienlager in Markgrafenheide war bei allen Schülern sehr beliebt.

Während bisher das Zeltlager als Belohnung des vergangenen Schuljahres galt, wurde nach Abiturjahrgang 1967 umgestellt: Das Sommerlager an der Ostsee wurde vor das kommende Schuljahr gelegt und galt als ‚kollektivbildende Maßnahme‘. Die Abschlussfeier, also der auch heute noch so genannte „Abi-Ball“, fand im Volkshaus, der späteren Schülergaststätte, mit einer Band aus Magdeburg statt, was nicht unbedingt Begeisterung bei der Schulleitung auslöste.

Auf diesem Ball gab es dann auch eine Auszeichnung für das erste Abitur „Mit Auszeichnung“ an der EOS Genthin für eine Schülerin aus der B-Klasse. Nach dem Abitur nahmen fast alle Absolventen der EOS dieses Jahrgangs ein Studium auf. Die Teilnehmer erzählen, dass die Verbindung zwischen den Abiturienten des Jahrgangs zum größten Teil über die Jahre aufrechterhalten und in einer größeren Zahl von Klassentreffen gepflegt wurde. „Leider sind auch schon einige unserer ehemaligen Mitschüler verstorben.“

In der Runde haben sich die Teilnehmer vorgenommen, die Abstände zwischen den Treffen nach dem Motto: „Rentner haben ja Zeit!“ zu verkürzen.Übrigens: Es gibt nur ein Ehepaar aus den Schülern der beiden Klassen. Die beiden haben in Zusammenarbeit eine Urkunde im historischen Gewand zur ‚Goldenen Abiturfeier 2017‘ entworfen und dafür den Dank aller erhalten.