1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Frau Holles Erben in Tucheim

Backofenfest Frau Holles Erben in Tucheim

Fienerdorf begeht das traditionelle Backofenfest. Dabei wurden 200 Brote in einem 170 Jahre alten Ofen gebacken.

Von Simone Pötschke 04.09.2019, 07:00

Tucheim l Zugegeben, Frau Holle ist ein Backofenfest fremd, dafür hat es aber im Tucheimer Veranstaltungskalender längst zur Freude seiner Gäste einen festen Platz.

Als Bäckermeister Thomas Osterburg sich am Sonntag gegen 14 Uhr nach stundenlanger schwerer Arbeit für einen Moment zurücklehnte, konnte er zufrieden feststellen, dass auch bei diesem Brotbackfest die Ware aus dem historischen Ofen reißenden Absatz gefunden hat. Der Aufwand hat sich wiedereinmal gelohnt, den alten Backofen aus dem 19. Jahrhundert – wenn auch nur einmal im Jahr - in Betrieb zu nehmen. Heimatvereinsmitglieder, Helfer und Bäckermeister dürften zurecht davon ausgegangen sein. Bäckermeister Osterburg wollte dies allerdings nicht am finanziellen Erlös festmachen. Sich am alten Backhandwerk auszuprobieren sei schon etwas Besonderes, sagte er.

Zirka 200 Brote zu 750 Gramm haben Thomas Osterburg, sein Sohn Lukas und seine fleißigen Helfer Heinz Schnorrer und Wolfgang Schulze aus dem auf etwa 250 bis 270 Grad Celsius vorgeheizten Ofen an der Feldstraße geholt. Duftend, noch warm und in gleichmäßiger Bräune, gebacken aus vom Bäckermeister angesetztem Natursauerteig.

Schon um 4 Uhr in der Frühe musste der Ofen angeheizt werden. Notwendiges Holz und Buschwerk war schon über die vergangenen Monate gesammelt worden und lag passend zerkleinert zum Verfeuern bereit.

Nachdem der Heimatverein den Backofen im Fienerdorf Anfang der 2000er Jahre wieder instandgesetzt hat, lässt sich Osterburg ehrenamtlich jedes Jahr aufs neue als „historische Brotbäcker“ gern in die Pflicht nehmen. Man müsse sich das Ganze ausprobieren, mit der Zeit bekommen man den Bogen raus, meint er.

In Anbetracht der zahlreichen Besucher sah sich Monika Böhl vom Heimatverein darin bestätigt, dass der Verein das gesamte Backofen-Konzept richtig angegangen ist. „Wir haben große Mühen mit der Instandsetzung des Ofens auf uns genommen, das kommt heute dem ganzen Dorf zugute“, freute sich Monika Böhl im Namen ihrer Vereinskollegen. Der Aufwand, ein solches Backofenfest auf die Beine zu stellen, sei allerdings enorm. Ein Dutzend Helfer, hauptsächlich Heimatvereinsmitglieder, aber auch Freiwillige, trugen zum Gelingen des Festes bei.

Früher, erzählt Wolfgang Schulze, der dem Meister beim Backen zur Hand ging, habe es in Tucheim fast in jeder Straße ein gemeinschaftlich genutztes Backhaus gegeben.

Aber auch das gehört zur historischen Realität dieser Zeit: Als das Backhaus 1850 an der Feldstraße errichtet wurde, packten etliche Tucheimer ihre Habseligkeiten zusammen und verließen in der Hoffnung auf ein besseres Leben ihre Heimat. Sie wanderten nach Australien aus.

Der inzwischen einzig freistehende funktionsfähige Backofen im Ort wird wie eine Rarität vom Tucheimer Heimatverein für die Nachwelt erhalten.

Viele solcher original erhalten gebliebenen Backöfen, die noch genutzt werden können, gibt es in der Region Genthin allerdings nicht mehr. Einer davon steht in Fienerode und befindet sich im Privatbesitz von Ottmar Rostkovius. Auch hier wird versucht, Brotbacktage zu veranstalten, die waren bisher allerdings allein für die Bewohner des Ortes ausgerichtet.

Der Tucheimer Heimatverein öffnet sein Fest seit vielen Jahren für die gesamte Öffentlichkeit und wird auch zukünftig nicht davon absehen, versicherte Monika Böhl.

Während das Brot im Backhaus gebacken wurde, gab es am Straßenrand Kaffee und Kuchen, boten Sitzgarnituren ausreichend Plätze für ein ungezwungenes Beisammensein an der Feldstraße. Der Erlös des Festes kommt dem Heimatverein zugute.