Zirkus in Genthin Circus Bravo gibt erste Vorstellung nach Corona-Zwangspause in Genthin
Lähmender Stillstand, neuer Mut und Überbrückung mit Hüpfburgen: Die Mitglieder des Circus Bravo aus Ostfriesland geben in Genthin ihre erste Vorstellung seit März 2020. Die Aufregung ist groß, die Vorfreude auch.

Genthin - Geschäftiges Treiben herrscht auf der Freifläche an der Genthiner Geschwister-Scholl-Straße. Hier hat Circus Bravo in den vergangenen Tagen sein Zelt aufgeschlagen. In der Manege staubt und rumpelt es. Hier werden große Schottersteine zusammengeharkt und in eine Schubkarre verladen, um für die erste Vorstellung nach der Corona-Zwangspause Stolperfallen für Ziegen, Pferde, Kamele und Lamas aus dem Weg zu räumen.
Neustart nach der Corona-Pandemie in Genthin
Lesly Köllner ist sichtlich nervös. Eigentlich sei es ja wie Fahrradfahren, man steigt wieder auf und fährt los, zieht sie einen Vergleich mit Alltäglichem. In Wirklichkeit aber wurde den drei Familien, die in der sechsten Generation Zirkus machen, im März 2020 durch die Corona-Pandemie alles genommen, was ihr Leben ausmacht. Auftreten, Reisen und der so enge Kontakt mit vielen Menschen, die ihre Arbeit schätzen. „Und auch der Applaus hat uns gefehlt, denn wer beim Zirkus arbeitet, möchte seine Arbeit ja auch zeigen und die Reaktion des Publikums erleben“, beschreibt es Köllner.
Auch die Tiere haben 1,5 Jahre kein Publikum gesehen. Die Probe hat geklappt. Die erste Vorstellung aber bleibt eine Wundertüte. „Wir sind mega aufgeregt“, spricht Köllner für die zwölf Erwachsenen und drei Kinder, die mit dem Circus Bravo bis zum 19. September fast täglich Vorstellungen geben werden.
Zuflucht und Quartier im Industriegebiet in Möckern
Rückblick: Genau zum eigentlich Start in die Zirkussaison muss die Bundesregierung im März 2020 die Notbremse ziehen. Plötzlicher angeordneter Stillstand durch ein bedrohliches Virus. Ein Umstand für ein sonst so buntes Leben, mit dem sich die Zirkusfamilien erst einmal arrangieren mussten. Im Möckeraner Industriegebiet fanden sie Zuflucht und Quartier. „Ein riesen Glück für uns, wir hatten Asphalt um die Lkw sicher abstellen zu können und grüne Wiese für die Tiere“, erinnert sich Köllner.
Wenn sie von den tollen Nachbarn und der großen Unterstützung durch Futterspenden erzählt, leuchten ihre Augen. Die Dankbarkeit und Erleichterung, diese ungewisse Zeit vorerst überstanden zu haben, sieht man der jungen Mutter an.
Vorstellungen zwischen dem 10. und 19. September
Sohn Georgio Sperlich hält währenddessen die fleißigen Familienmitglieder bei den letzten Vorbereitungen im Zelt auf Trab. Der Sechsjährige wurde vor knapp zwei Wochen in der Grundschule Stadtmitte eingeschult. „Und wurde superherzlich aufgenommen“, sagt Köllner. Nach dem 19. September heißt es Abschied nehmen und an der nächsten Station die Schulbank drücken.
Während der Pandemie wurde weiter geprobt und trainiert, um nicht aus der Übung zu kommen. Die Herren der Familie waren ab und an für Transporte mit den Lkw unterwegs, um etwas dazu zu verdienen. Nothilfen nahm die Familie nicht in Anspruch. „Da niemand wusste, wie es weitergeht, waren wir uns nicht sicher, ob wir diese zurück zahlen können“, sagt Köllner. Keine einfache Entscheidung, denn Versicherungen laufen weiter, Tierarztkosten stehen an und wo keine Einnahmen, da auch keine großen Sprünge.
Fördermittel von „Neustart Kultur“ in Hüpfburgen investiert
Sie nutzten später Fördermittel des Programms „Neustart Kultur“, schafften davon einige Hüpfburgen an, um als zweites Standbein mit dem Freiluftangebot wieder Geld zu verdienen. Zwischen 1000 und 8000 Euro kostet ein Exemplar.
So waren sie zunächst in Magdeburg, später in Stendal unterwegs und freuen sich jetzt darauf, zumindest 250 Besucher, unter Einhaltung der Hygieneregeln, in einem für 500 Personen Platz bietenden Zelt empfangen zu können.
Zirkusleben ist Berufung und Verpflichtung zugleich
Das was rastet auch rostet, bewahrheitet sich auch in Teilen beim Zirkus-Equipment. So gab die Zuckerwattemaschine nach langer Zwangspause ihren Geist auf. Größer aber war die Angst davor, dass Mäuse sich am Zirkuszelt zu schaffen gemacht haben könnten. Deshalb wurde vor dem Start in Genthin im Möckeraner Industriegebiet aufgebaut. Aufatmen: Alles ist heile geblieben.
Nicht tagtäglich den Tag gemeinsam zu verbringen und gewohnte Routinen nicht leben zu können, war für die „Arbeitsmenschen“, wie sie Köllner bezeichnet, eine große Umstellung. Das Zirkusleben ist der Inbegriff von Teamwork und Berufung. Auch deshalb hat niemand im Circus Bravo daran gedacht, in der Krise umzusatteln und ein über Generationen hinweg geschaffenes Lebenswerk aus finanzieller Not gegen einen anderen Beruf einzutauschen. Doch die Angst, im Spätherbst wieder alles einlagern zu müssen, bleibt. „Wir sind alle geimpft, in einigen Städten ist dies auch Voraussetzung, um spielen zu dürfen“, erklärt Köllner.
Zurück in die Manege und gespannt aufs Genthiner Publikum
Doch jetzt steigt zunächst die Aufregung, aus den Boxen erklingt Manegen-Musik, der Lichtspot funktioniert, Artistin Joline Lauenburger steigt in ihr Netz und wird mit vereinten Kräften unters Zeltdach gezogen. Mit grazilen Bewegungen, im dunkelblauen Kostüm besetzt mit schillernden Strasssteinen, wird sie in den kommenden Tagen das Publikum unterhalten. Endlich wieder Zirkus! Manege frei und toi, toi, toi!