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Besatzung Das Militärlazarett von Jerichow

An der Schwelle zum 20. Jahrhundert wurden Heilstätten wie in Jerichow zur Behandlung der grassierenden Tuberkulose oder psychischen Leiden vor den Toren der Städte errichtet. Bereits im Ersten Weltkrieg zweckentfremdete man diese Hospitäler auch als Militärlazarette, eine Nutzung, sich noch mal im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg fortsetzen sollte.

Von Thomas Skiba Aktualisiert: 08.06.2021, 15:49
Das Gebäude 17 war bis 1993 Teil des Militärhospitals.
Das Gebäude 17 war bis 1993 Teil des Militärhospitals. Foto: Thomas Skiba

Jerichow - 1946 – Besatzungszeit. Vieles was damals passierte, ist heute kaum noch vorstellbar. Etwa, dass die sowjetischen Truppen einfach Sachen, Häuser oder Grundstücke beschlagnahmen konnten, und das ohne Absprachen oder gar Entschädigungen.

So informierte der Verwaltungsleiter der damaligen Lungenklinik, heute AWO-Fachkrankenhaus, den Landrat des Landkreises Jerichow II: „Am 5. Juli ist in der Heilanstalt ein russisches Lazarett eingerichtet worden.“ Damit, so schreibt Heimatforscher Heinz Mangelsdorf, begann für die Stadt Jerichow eine 47-jährige Geschichte der Stationierung sowjet-russischer Streitkräfte, die erst mit dem 22. Juli 1993 beendet sein sollte.

Ursprünglich, so heißt es, war durch die Sowjetische Militäradministration befohlen, das Lazarett im nicht weit entfernten Wusterwitz einzurichten, nutzte man dann doch die schon vorhandenen Einrichtungen der Heilanstalt. Dafür trennte die Armee ein Teil des Geländes ab und errichtete zuzüglich der bestehenden Gebäude weitere Funktionsbauten wie Garagen, eine Tankstelle und die für sowjetische Kasernen obligatorischen Schweineställe.

Einzug der Soldaten ab 1946

Der Einzug der sowjetischen Soldaten erfolgte schrittweise ab 1946 und galt zwei Jahre später als abgeschlossen. Die volle Auslastung des Militärhospitals begann ab Oktober 1948, als das in Gut Lüben bei Burg eingerichtete Militärlazarett an die deutschen Behörden zurückgegeben wurde.

In dem Hospital praktizierten regelmäßig um die 15 Ärzte verschiedener Fachrichtungen.

Vorhanden waren eine chirurgische Station mit Intensivmedizin, eine Augenabteilung und eine Zahnarztgruppe. Das Jerichower Lazarett besaß den Rang eines Divisions-Lazaretts, sein Einzugsbereich erstreckte sich von der Altmark bis hin zur mittleren Elbe bei Roßlau/Dessau.

Schwere medizinische Fälle wurden per Krankenwagen in das Zentral-Lazarett in Beelitz-Heilstätten verlegt, von dort aus brachte ein sogenannter Katastrophenzug die Soldaten in Krankenhäuser der Sowjetunion.

Gebäude wurden abgerissen

Der letzte russische Soldat verließ Jerichow am 22. Juli 1993. Zwei Jahre später begann der Abriss der von den Russen errichteten Gebäude und die ehemalige Struktur des ursprünglichen Landesasyls, später Heilstätte, heute Fachklinikum, wurde nach und nachsichtbar.

Als letztes entfernte man den Zaun, der das ehemalige Lazarett von dem Rest der Klinik trennte. Jedes Klinikgebäude wurde nach und nach vom Keller bis zum Dach saniert und auf den neuesten Stand gebracht, mit der Modernisierung des Gebäudes Nr. 12 galt die Sanierung als abgeschlossen.

Dieses Haus ist heute Teil des AWO-Heimverbundes und in ihm werden geistig Behinderte dauerhaft betreut.

Das Wachgebäude am offiziellen Eingangsbereich des sowjetischen Militärlazaretts.
Das Wachgebäude am offiziellen Eingangsbereich des sowjetischen Militärlazaretts.
Repro: Thomas Skiba