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Erinnerung Ausstellung zieht in Kapelle um

Dier Ausstellung "Euthanasie und Eugenik - Das AWO Fachkrankenhaus Jerichow in der Zeit des Nationalsozialismus" wird wiedereröffnet.

Von Frank Bürger 14.09.2018, 05:00

Jerichow l Wolfgang Schuth, Vorstand des AWO Landesverbandes Sachsen-Anhalt, sowie Elias Steger, Referent Personalentwicklung beim Landesverband, haben die Ausstellung „Euthanasie und Eugenik – Das AWO Fachkrankenhaus Jerichow in der Zeit des Nationalsozialismus“ mit entwickelt. In der Magdeburger AWO-Geschäftsstelle beschreibt jeder auf seine Weise den Weg zur Ausstellung und den Blick in die Zukunft.

Die Arbeiterwohlfahrt wurde am 13. Dezember 1919 auf Initiative von Marie Juchacz gegründet. Auch sie musste unter der nationalsozialistischen Diktatur leiden und emigrierte.

An der Historie interessiert fand Steger 2009 als Student den Weg zur Arbeitsgruppe unter Leitung von Jan Bartelheimer, der die Ausstellung federführend mit vorbereitet. Vor allem der ethische Ansatz, über den sich die Themen Euthanasie und Eugenik herauskristallisierten, war von Interesse. „Das Gedankengut ist 1933 nicht einfach vom Himmel gefallen“, erklärt Steger. Es ist die Geschichte einer Zeit, in der das Wohl des Einzelnen durch eine menschenverachtende Kollektivethik verloren ging. Aufgrund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wurden über 400.000 Menschen zwangssterilisiert und 70.000 Menschen im Rahmen der Aktion „T4“ systematisch ermordet. Es traf diejenigen, die in den Augen des Systems nicht zur sogenannten Volksgemeinschaft gehörten: Schizophrene, Menschen mit erblicher Fallsucht, Blindheit, Taubheit und Alkoholismus. Die damalige Landesheilanstalt wurde jetzt auch als „Zwischenanstalt“ genutzt. „Patienten mit dem Vermerk ,in eine andere Anstalt verzogen‘ kamen in die NS-Tötungsanstalten Brandenburg und Bernburg“, sagt Steger. Über Recherchen wurden 930 Opfer des NS-Euthanasie-Programm „T4“ ausfindig gemacht, die durch Jerichow in den Anstalten Bernburg und Brandenburg ums Leben kamen.

Neben Steger wird bei der Vernissage auch die Jerichower Pfarrerin Friederike Bracht die ethische Note beleuchten. Den musikalischen Rahmen setzen die „Saitenspinner“.

Doch Thema und Ausstellung haben Strahlkraft. Am 28. September um 17.30 Uhr kommt der Schönhauser Pfarrer Ralf Euker mit einer Konfirmandengruppe nach Jerichow. Sie beschäftigen sich mit dem einstigen Schönhauser Pfarrer Hermann Gehlmann, der gegen das Grauen Widerstand leistete. Aushilfsweise war er Seelsorger in der Heilanstalt und versuchte die Machenschaften des Anstaltsleiters Carl Tietze auch nach dem amtlichen Abbruch im Juli 1941 aufzudecken. Nun erst einmal kann der Besucher über Einzelschicksale auf eine wertvolle Zeitreise gehen.