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Wirtschaft Früherer SPD-Chef Sigmar Gabriel besucht den Chemiepark Genthin

Mehr Mitarbeiter als zu Henkel-Zeiten, weitere geplante Investitionen: Rund um das traditionsreiche Genthiner Waschmittelwerk tut sich etwas.

Von Mike Fleske 20.05.2021, 15:23
Sigmar Gabriel (SPD, 2.v.l.) zu Besuch auf dem Chemieparkgelände in Genthin mit (v. li.) dem Genthiner SPD-Landtagskandidaten Udo Krause, dem Genthiner SPD-SchatzmeisterJulian Sperling, Inprotec-Bertriebsleiter Oliver hesse und QSG-Geschäftsführer Lars Bonitz.
Sigmar Gabriel (SPD, 2.v.l.) zu Besuch auf dem Chemieparkgelände in Genthin mit (v. li.) dem Genthiner SPD-Landtagskandidaten Udo Krause, dem Genthiner SPD-SchatzmeisterJulian Sperling, Inprotec-Bertriebsleiter Oliver hesse und QSG-Geschäftsführer Lars Bonitz. Foto: Mike Fleske

Genthin - Der Chemiepark in Genthin wächst, die ansässigen Firmen entwickeln neue Konzepte zum Fortbestand des Industriegebietes und können in diesem Jahr nicht gänzlich ohne Sorgen, aber durchaus mit Hoffnung den 100. Jahrestag der Gründung des Wirtschaftsstandortes begehen. Sigmar Gabriel (SPD), ehemaliger Wirtschafts- und Außenminister wird diese Nachrichten bei seinem Besuch gern gehört haben.

Auf Einladung des Genthiner SPD-Landtagskandidaten Udo Krause, war Gabriel im Jerichower Land zu Gast und besichtigte das Genthiner Industriegebiet. Hier sehen Zahlen sehen grundsätzlich gut aus: 400 Mitarbeiter sind seit Jahren kontinuierlich in den rund ein Dutzend Firmen auf dem Gelände beschäftigt. Mehr als zu den späten Zeiten der Firma Henkel, als es knapp 300 waren.

Firma stockt im kommenden Jahr Personalstamm auf

Beispielhaft für den Standort, erläuterte Inprotec-Betriebsleiter Oliver Hesse die Entwicklung seines Unternehmens. Die Firma produziert Granulate und Pulver, kam nach dem Weggang von Henkel auf das Gelände und begann mit rund zwei Dutzend Mitarbeitern. „Heute beschäftigen wir 150 Menschen und planen den Personalstamm im kommenden Jahr auf 180 zu erhöhen.“

Unter anderem weil kräftig investiert wird. Geplant ist etwa, bis zu 20 Millionen Euro in eine neue Trocknungsanlage zu investieren. Auch soll die seit 2014 brachliegende  Schienenanbindung des Chemieparks reaktiviert werden. Derzeit komme man mit dem Zug bis nach Magdeburg, danach verlade man die „letzte Meile“ auf Lkw, was sich als wenig günstig erweise, so Hesse.

Die Infrastruktur ist für Hesse ein allgemeines Problem, eine Autobahnanbindung wie in Burg fehle in Genthin, die Möglichkeiten des Elbe-Havel-Kanals müssten erst wieder erschlossen werden, aber die Schiffsbeladung sei ein Thema, das gemeinsam mit weiteren Firmen wieder stärker in den Fokus genommen werde.

Insolvenzen sorgten für schwierige Eigentumsverhältnisse

Gabriel sah allerdings durchaus Potenzial in Genthin: „Sie haben zwei Bundesstraßen, es war für mich heute nicht schwer herzukommen.“ Während der Unterredung mit dem Betriebsleiter, sprach Sigmar Gabriel auch einen wunden Punkt des Chemieparks an: „Wie ist es hier mit den Flächen, wenn jemand sich vergrößern möchte?“, wollte er wissen.

Das sei etwas schwierig, machte Lars Bonitz, Geschäftsführer der Qualifizierungs- und Strukturförderungsgesellschaft QSG, die für Verwaltung und Gebäudemanagement zuständig ist, deutlich. Es gebe eine Eigentümerstruktur, die sich aus QSG, Inprotec, der Firma Gehrlicher und der vor vier Jahren gegründeten Deutsche Industrie Infrastruktur GmbH zusammensetze.

Das sei etwas verworren und ein Erbe der Verwerfungen, die es nach dem Weggang von Henkel gegeben hatte. Seinerzeit gab es unter anderem im Waschmittelwerk mehrere Eigentümerwechsel und Insolvenzen, was auch zu einer Verschiebung von Eigentumsverhältnissen geführt habe. Man könne sich aber gut untereinander verständigen, ohnehin seien nur wenige freie Flächen auf dem Gelände verfügbar, erläuterte Bonitz.

Deutsche Wirtschaft muss sich Herausforderungen stellen

Zwei Probleme, sieht der ehemalige Wirtschaftsminister Gabriel auf Deutschlands Industrie zukommen: Das seien die Jahre nach 2030, die seiner Meinung nach von einem massiven Rentenproblem geprägt seien. „Meine Generation, die Babyboomer, wird dann in den Ruhestand gehen, und es gibt dann nicht mehr genug Jüngere, die arbeiten.“

Das umlagefinanzierte Rentensystem, das auf der Wirtschaftsleistung des Nachwuchs ruht, kommt dann in Schieflage. „Eine Besserung wird sich erst im Jahre 2040 einstellen, in der dann die Schere zwischen Verdienern und Rentnern wieder kleiner wird“, schätzt Gabriel.

Zudem sieht er massive Probleme insbesondere für die Industrie bei den steigenden CO2-Preisen. „Das ist eine große Herausforderung.“ Denn eine Energieversorgung durch Gas sei nicht ohne weiteres als Ersatz verfügbar, meinte er auch mit Blick auf den begehrten Träger Wasserstoff, den er als „Champagner der Industrie“ bezeichnete. Insgesamt zogen die Beteiligten ein positives Fazit.

Jerichower Land ist gut durch Corona-Krise gekommen

Landrat Steffen Burchhardt (SPD) machte deutlich, dass der Landkreis bislang gut durch die Corona-Zeit gekommen sei. Man habe kaum Arbeitsplätze einbüßen müssen. Mit Blick auf den Chemiepark betonte er, dass die Struktur mit vielen kleinen Unternehmen am Standort ein unbedingter Vorteil sei, da man nicht mehr von einem „großen Player“ abhängig sei.

Beeindruckt zeigte sich der einstige SPD-Chef Gabriel über das Gelände. Man erwarte nicht, dass es in einer Kleinstadt wie Genthin ein solches Industriegelände von diesen Ausmaß gebe.