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Gebühren Eigene Kläranlage - Hopp oder top?

Soll der Trinkwasser- und Abwasserverband Genthin eine kommunale Kläranlage bauen? Es geht ums Geld der Genthiner.

Von Simone Pötschke 13.07.2020, 01:01

Genthin l Ein heißer Sommer steht dem Gemeinderat Elbe-Parey und den Stadträten in Genthin, Jerichow und Möckern bevor. Die Mitgliedsgemeinden des Trinkwasser- und Abwasserverbandes Genthin (TAV) werden sich für oder gegen den Bau einer kommunalen Kläranlage entscheiden müssen. Sie stellen damit die Weichen für die Gebührenentwicklung im Bereich des Abwassers für die nächsten Jahrzehnte. Es geht um viel: Kann der TAV weiterhin Gebührenstabilität gewährleisten, oder muss perspektivisch an der Gebührenschraube gedreht werden?

Die Materie ist schwierig und komplex, eine Herausforderung für die Gemeinde- und Stadträte. Seit Mitte der 1990er Jahre leitet der TAV die kommunalen Abwässer in die Kläranlage der Firma ReFood (vormals Rethmann) auf dem Gelände des Chemieparkes ein.

Die Konstellation einer solchen Zusammenarbeit zwischen einem Privat- und einem kommunalen Unternehmen gibt es in Sachsen-Anhalt nur in zwei Fällen. Neben Genthin wird auch in Merseburg ein vergleichbares Modell praktiziert, bei dem kommunales Abwasser in einer Kläranlage eines Chemiebetriebes gereinigt wird.

Gerade an den Preisen scheiden sich in Genthin bereits seit Jahren die Geister: Rethmann/ReFood hat mehrere Entgeltanpassungen von anfänglich 0,77 Euro pro Kubikmeter (brutto) bis zu 1,26 Euro pro Kubikmeter (brutto) im Jahr 2012 vorgenommen. Das hat den TAV veranlasst, seit 2012 über den Bau einer kommunalen Kläranlage nachzudenken.

ReFood kündigte dem TAV schließlich den Einleitvertrag zum September 2017 und verband dies mit der Forderung nach einem neuen Vertrag mit besseren Konditionen für das Unternehmen. ReFood begründete dies damit, dass Investitionen an der Kläranlage vorgenommen werden müssten. ReFood und der TAV schlossen daraufhin einen bis 2026 geltenden Vertrag ab, der ein Reinigungsentgelt in Höhe von 1,56 Euro (brutto) pro Kubikmeter festschreibt. Der Vertrag beinhaltet aber auch eine Preisgleitklausel. Das Ende der Vertragslaufzeit in sechs Jahren drängt den TAV jetzt zum Handeln.

Kurz bevor nun die Entscheidung für oder gegen den Bau einer kommunalen Kläranlage in den TAV-Mitgliedsgemeinden fallen muss, scheint das ohnehin belastete Verhältnis zwischen ReFood und TAV an Schärfe zu gewinnen.

Anlass zu dieser Annahme gab die jüngste Genthiner Stadtratssitzung. Nachdem der TAV dem Stadtrat die Ergebnisse einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zum Bau einer kommunalen Kläranlage vorgestellt hatte, forderte Falk Heidel als Chef der Fraktion Wählergemeinschaft Genthin/Mützel/Parchen „gleiches Recht“ für die Firma ReFood. Markus Seidler von der Firma ReFood nahm ein entsprechendes Angebot kurzfristig an.

Allerdings war die Irritation nach seinem Vortrag im Stadtrat perfekt. Während der TAV seit langem erfolglos seit vielen Monaten darauf drängt, dass ReFood ein konkretes Preisangebot für das Reinigungsentgelt unterbreitet, stellte Markus Seidler vor den Genthiner Stadträten die Wirtschaftslichkeitsbetrachtung, die der TAV in Auftrag gegeben hatte, in Frage. Das Unternehmen habe kein Angebot unterbreitet, weil der TAV von anderen Prämissen und Grundparametern als ReFood ausgehe, führte er als Begründung an.

Seidler beschränkte sich in seinen Darlegungen vor dem Stadtrat allein auf die Wirtschaftslichkeitsbetrachtung des TAV, die dem Unternehmen bisher aus einer Kurzpräsentation bekannt ist. Die Fraktion WG Genthin/Mützel/Parchen, die sich für den Vortrag des ReFood-Vertreters stark gemacht hatte, stellte überraschenderweise keine weiteren Fragen zur Abwasser-Problematik.

Allein Klaus Voth, CDU-Fraktionschef und Genthiner Vertreter in der TAV-Verbandsversammlung, erwiderte den Auftritt des ReFood-Vertreters. Der TAV, stellte er klar, müsse nicht die Fragen von ReFood beantworten. Das sei die Aufgabe des Landkreises und des Landesverwaltungsamtes, die letztlich auch über den Bau der kommunalen Kläranlage zu befinden hätten. Es sei nicht so, dass der TAV unbedingt und um jeden Preis eine eigene Kläranlage bauen wolle. „Wir wollen keine Gegnerschaft mit ReFood, sondern ein faires Angebot unter Partnern, das im Interesse des Gebührenzahlers ist“, machte Voth klar. „Unterbreiten Sie uns deshalb endlich ein Angebot“. Eine Erwiderung seitens ReFood gab es darauf nicht.

Saria-Pressesprecherin Isabel Jarosch erklärte auf Anfrage, dass ReFood nach wie vor Informationen des TAV erwarte, mit denen die Rahmen- bedingungen für die Kläranlage definiert und konkretisiert werden, um eine fundierte Basis für ein Angebot zu haben. ReFood ist Teil der Saria-Gruppe mit Sitz in Selm (Westfalen). Der TAV verweist hingegen darauf, dass er ReFood alle Rahmenbedingungen für ein Angebot wie mögliche Vertragslaufzeit und Abwassermengen im Dezember 2019 benannt habe.

In der vergangenen Woche beriet die TAV-Verbandsversammlung über ihr weiteres Vorgehen in der Abwasserfrage. Nachdem der Landkreis die komplette Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgearbeitet hat, sollen gemeinsam offene Fragen erörtert werden. Einen Termin soll es schon in dieser Woche geben.