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Gerichtsurteil Eine Sache der Auslegung

Der Ausgang der Klagen des Genthiner Bürgermeisters drängt den Stadtrat zum Handeln. Bei einer Sondersitzung soll diskutiert werden.

Von Simone Pötschke 06.11.2020, 00:01

Genthin l Eine Sondersitzung am 26. November wird die Antwort der Genthiner Stadträte auf die vor dem Amtsgericht Burg gescheiterte Auskunftsklage des Genthiner Bürgermeisters sein. Erfolglos hatte Matthias Günther (parteilos) den Rechtsweg beschritten, um Harald Bothe und Nicole Golz als weitere Mitglieder des Gesamtvorstandes des Tourismusvereins dazu zu bewegen, einen Fragenkatalog zu unternehmerischen Entscheidungen der vereinseigenen Qualifizierungs- und Strukturförderungsgesellschaft (QSG) zu beantworten (Volksstimme berichtete).

Stadtratsvorsitzender Gerd Mangelsdorf (CDU) bestätigte auf Nachfrage, dass inzwischen die notwendigen Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Sondersitzung erfüllt seien. Es bestehe aus seiner Sicht kein Zeitdruck, jetzt einen Termin kurzfristig übers Knie zu brechen. Dass eine Sondersitzung vonnöten sein wird, deutete sich bereits mit Bekanntwerden des Urteils zur Auskunftsklage an. Eine Mehrheit des Stadtrates, darunter die CDU-Fraktion, erlegte sich seinerzeit Besonnenheit auf und wollte die Urteilsbegründung abwarten, um sich zu positionieren. Obwohl das Urteil von den im Stadtrat vertretenen Fraktionen offenbar nicht in Zweifel gezogen wird, lässt eine Passage der Urteilsbegründung für den Laien durchaus Raum für verschiedene Auslegungen, was eine hitzige Sondersitzung erwarten lässt.

Richterin Ulrike Walter gab Nicole Golz und Harald Bothe in der Urteilsbegründung die Aufforderung mit auf den Weg, eine mündliche Befragung des QSG-Geschäftsführers zu organisieren, bei der Günther Nachfragen stellen könne. Golz hatte in einer ersten Reaktion gegenüber der Volksstimme diese Deutung zurückgewiesen, indem sie betonte, dass sie sich nicht in der Pflicht sehe, ein solches Treffen zu organisieren. Denn Günther habe mehrfach die Möglichkeit gehabt, seine Fragen bei Gesellschafterversammlungen zu stellen. Diese habe er nicht genutzt.

Der Rechtsanwalt der Stadt Genthin, Dr. Joachim Natterer, wollte sich zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens gegenüber der Volksstimme nicht äußern. Eine Bewertung der Vorgänge gehöre nicht zu den Aufgaben eines Pressesprechers, sagt Dr. Michael Steenbuck vom Landgericht Stendal.

Bisher, so scheint es, bleibt der Weg für eine Einigung, wie er in der Urteilsbegründung aufgezeigt wird, versperrt. Dabei könnten alle Seiten ihr Gesicht wahren. Aber vorerst spaltet die Auslegung der Urteilsbegründung weiter die Fraktionen. Ihre Reaktionen reichen von Zustimmung, Ablehnung bis zu schweigendem Abwarten. Die SPD-Fraktion hat sich bisher als einzige Fraktion auf die Golz-Linie gestellt. Udo Krause, der für den befangenen Fraktionschef Lars Bonitz (Geschäftsführer der QSG) auf Anfrage antwortete, sieht in der Urteilsbegründung „eindeutig“ keine Aufforderung zu einer mündlichen Auskunftserteilung. Kein offizielles Statement kam aus der Fraktion Wählergemeinschaft Genthin-Parchen-Mützel. Fraktionsmitglied Wilmut Pflaumbaum gab zur Auskunft, dass das Thema noch nicht in der Fraktion erörtert worden sei. Zurückhaltung signalisierte die Fraktion Die Linke. „Vor der Sondersitzung werden wir uns öffentlich nicht positionieren“, sagte Gabriele Herrmann.

Trotz Klageabweisung gut davon gekommen – so könnte das Statement des Stadtratsvorsitzenden Gerd Mangelsdorf (CDU) verkürzt zusammengefasst werden. „Das Ziel von Bürgermeister Günther, Antworten auf seine Frage zu erhalten, ist jedenfalls dadurch erreicht, dass nun die Beklagten beauflagt wurden, eine Versammlung des Vorstandes zu organisieren, in der die Fragen Günthers durch den Geschäftsführer der QSG zu beantworten sind“, reagierte er auf Anfrage. Eine Berufung sei seiner Meinung nach überflüssig. Für Mangelsdorf stehen die Stadträte nun in der Pflicht, aus dem Handeln der Beteiligen die notwendigen Schlüsse zu ziehen.

Es müsse klar sein, in welcher Form es noch eine Zusammenarbeit der drei Gemeinden geben könne. „In der Form wie bisher jedenfalls nicht“, meint er. Die Begründung des Urteils habe ihn verwirrt, sagt der Fraktionschef der Grünen, Lutz Nitz. Die Richterin habe den drei Bürgermeistern keinen Gefallen getan, weil diese Urteilsbegründung beiden Seiten Raum zur Interpretation lasse. Das sollte ein Urteil eigentlich vermeiden und eine klare Sprache sprechen. Das sei aus seiner Sicht nicht geschehen. Nitz liest ähnlich wie Mangelsdorf aus der Urteilsbegründung die Pflicht der Beklagten heraus, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, auf der die Fragen Günthers mündlich beantwortet werden sollen. „Nicht mehr und nicht weniger wollte der Bürgermeister erreichen“, resümiert Nitz.

Klaus Voth, Fraktionschef der CDU, geht davon aus, dass die Zusammenkunft des Gesamtvorstandes mit dem QSG-Geschäftsführer zur Beantwortung der offenen Fragen möglichst schnell zustande kommen sollte, um die Arbeit des Tourismusvereins nicht länger zu belasten. Mangelsdorf geht davon aus, dass bei der Sondersitzung auch die zweite Klage Günthers thematisiert wird.