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Geschichte Kalender hat nicht immer 24 Türchen

Die Geschichte des Adventskalenders ist Thema der Weihnachtsausstellung im Kreismuseum Genthin.

Von Mike Fleske 23.12.2018, 00:01

Genthin l Bestens besucht ist die diesjährige Weihnachtsausstellung des Genthiner Kreismuseum. „24 Türchen bis Weihnachten“ zeigt Entwicklung des Adventskalenders von den Anfängen bis zur Gegenwart. Liebevoll und lehrreich sind die Exemplare zu einer eindrucksvollen Präsentation zusammengestellt worden. In die Genthiner Ausstellung konnten, wie Museumsleiterin Antonia Beran berichtet, „richtig gute Arbeiten“ aus zwei großen Privatsammlungen einfließen. Rund ein Dutzend Leihmittelgeber aus dem Jerichower Land waren seit dem vergangenen Jahr dem Aufruf des Museums gefolgt und hatten eine große Bandbreite an Kalendern zur Verfügung gestellt.

Besondere Unterstützung für die Weihnachtsausstellung erhielt das Kreismuseum durch das Museum Europäischer Kulturen Berlin. „Es war uns möglich, in Vorbereitung der Ausstellung auf interessante Forschungsarbeit zu den Kalendern zurückzugreifen, freut sich Antonia Beran. „Seit vielen Jahren pflegen wir einen Kontakt nach Genthin“, sagte Tina Peschel vom Berliner Museum im Gespräch mit der Volksstimme. Man habe der aktuellen Ausstellung im Kreismuseum Informationen zur Geschichte der Adventskalender, aber auch Exponate beisteuern können.

Diese Geschichte beginnt etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts. In der katholischen Kirche gab es schon damals tägliche Adventsandachten, in evangelischen Familien kam man in der Adventszeit zusammen, las Bibelstellen und sagte Gedichte auf. Auch damals fieberten Kinder den Weihnachtstagen und besonders dem Heiligabend entgegen. Eltern hängten daher Tag für Tag Bilder mit nach 24 Bilder mit weihnachtlichen Motiven an die Wand oder ans Fenster. Eine einfache variante war, dass die Eltern 24 Kreidestriche an Schranktüren malten. Jeden Tag durften die Kinder einen Strich wegwischen. Ein Vorläufer des Adventskalenders waren auch die Adventsbäumchen. Jeden Tag wurden an kleine Tannenbäume Fähnchen mit Bibelversen gehängt.

Zur Wende des 20. Jahrhunderts gab es selbst gebastelte Weihnachtsuhren. Auf eine runde Scheibe mit 12 oder 24 Unterteilungen wurde der Zeiger jeden Tag einen Schritt weiter gestellt. Die Unterteilungen wurden mit Liedtexten oder auch Bibelversen versehen. Die erste gedruckte “Weihnachtsuhr” für Kinder wurde 1902 in Hamburg hergestellt und erschien im Verlag der Evangelischen Buchhandlung Friedrich Tümpler. Als „Erfinder“ der heute bekannten gedruckten Adventskalender sah sich selbst Gerhard Lang (1881-1974). Im Jahr 1904 erschien als Beilage einer Stuttgarter Zeitung der Weihnachtskalender „Im Lande des Christkinds“, den Lang gestaltet hatte.

Dieser Kalender hatte noch keine Türchen zum Öffnen, sondern bestand aus zwei bedruckten Teilen. Einem Bogen mit 24 Bildern zum Ausschneiden sowie einem Karton, auf dem auf 24 Feldern jeweils von Lang selber verfasste Verse abgedruckt waren. „Die Kinder durften jeden Tag ein Bild ausschneiden und das Bild aufkleben“, erläutert Antonia Beran. „Am 24. Dezember wurde das weiß gekleidete Christkind aufgeklebt.“ Der Kalender befindet sich in der Ausstellung. Genau wie der Münchener Adventskalender „Christkindleins Haus“ von 1920. Dieser Kalender nach einem Motiv der Künstlerin Dora Baum war der weltweit erste Adventskalender mit Türchen zum Öffnen.

Wie viele Türchen darf ein Adventskalender haben? Bei dieser Frage muss Antonia Beran Schmunzeln: „Da können Sie in der Ausstellung einfach mal selbst zählen.“ So gibt es die Nikolauskalender, die am 6. Dezember beginnen und am 24. Dezember aufhören und nur 19 Türchen haben. „Doch Kinder sind ungeduldig und möchten nicht gern lange warten, deshalb setzte sich der Beginn zum 1. Dezember durch.“ In der Ausstellung gibt es auch Kalender, die die Adventssonntage mit einschließen und 28 Türchen haben. Spitzenreiter der Ausstellung sei aber ein moderner Kalender mit Puppe „Barbie“, der bis zum 1. Januar gehe und dadurch sogar 32 Türchen habe.

Während sich der Adventskalender in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Europa durchsetzte, erlebte er eine dunkle Stunde in der NS-Zeit. Damals wurde die Adventszeit umgedeutet und sämtliche christlich-religiösen Elemente entfernt. Ersetzt wurden sie durch vermeintlich germanische Wurzeln. Der Adventskranz wurde so zum Sonnenwendkranz, das Christkind zum Lichtkind. Das deutsche Wort Vorweihnachten ersetzte das lateinische Wort Advent. Der Kalender „Vorweihnachten“ ist ein typisches Beispiel für einen Adventskalender in der Kriegszeit. So werden Vorschläge gemacht, wie die Nichten und Neffen am besten „Feldpostbriefe an den Onkel“ schreiben sollen.

Der Kalender gilt als erster Mitmach- und Bastelkalender. Er ist in der Ausstellung ebenfalls zu sehen. Nach dem Krieg entwickelten sich in der Bundesrepublik schnell günstige Adventskalender mit zeitgemäßen Motiven und Schokoladentäfelchen. In der DDR wurden Adventskalendermotive oft von namhaften Illustratoren und Künstlern gestaltet. Viele dieser Kalender, etwa vom Planet-Verlag Berlin oder vom Wartburg Verlag, finden sich in der Ausstellung. Christliche Abbildungen hatten in und auf den Adventskalendern keinen Platz. Jedoch sind die ansprechend gestalteten Kalender begehrte Sammlerobjekte. Heute ist die Vielzahl der Adventskalender unüberschaubar. Von dreidimensionalen Modellen über solche zum selbst befüllen bis hin zu Adventskalendern für Erwachsene reicht das Angebot.

Wer selbst durch die Ausstellung im Kreismuseum Genthin (Mützelstraße) stöbern möchte, hat am 25. und 26. Dezember, sowie am 27., 28. und 30. Dezember von 14 bis 16 Uhr die Gelegenheit.