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Haushalt Genthin sucht Finanzkünstler

Genthin kann bis 2027 den Haushalt vorerst nicht ausgleichen. Der Rat muss einen neuen Etat vorlegen

Von Simone Pötschke 23.04.2019, 01:01

Genthin l Genthin, das liebe Geld und kein Ende: Die Stadt sitzt weiterhin in der Schuldenfalle und sucht nun, nachdem Bürgermeister Günther (parteilos) den Haushaltsentwurf 2019 zurückziehen musste, verzweifelt und möglichst schnell nach einem Ausweg. Doch den gibt es derzeit nicht. Schon bei der Verabschiedung des Haushaltes vor knapp acht Wochen war dem Stadtrat klar, dass der Entwurf bei der Kommunalaufsicht durchfallen würde. Trotzdem fand sich eine Mehrheit, die den Haushalt um jeden Preis vom Tisch haben wollte.

Das Projekt „Haushaltsstabilisierung 2019“, eine Wortschöpfung, die auf das Konto des Bürgermeisters geht, soll es jetzt richten. Es ist zwar zeitlich sportlich bis Juli fixiert, aber inhaltlich noch nicht unterfüttert. Der Bürgermeister kündigte an, dass die Fach- und Sachgebietsleiter in den nächsten Tagen aus ihren Ressorts Sparvorschläge zu unterbreiten hätten, über deren Umsetzung der Stadtrat zu befinden hätte.

Doch die Stadträte, das wurde bei den jüngsten Sitzungen sowohl des Finanz- als auch des Hauptausschusses deutlich, sind nach den harten Einschnitten, die ab 2017 vorgenommen wurden, sparmüde und zunehmend gefrustet. Höhere Eintrittspreise für Schwimmhallenbesucher, Absenken der Zuschüsse für die Ortsteile, Streichen der Sportförderung und vieles mehr machten mürbe. An der Steuerschraube will niemand mehr, auch nach dem neuesten Stand der Dinge, weiterdrehen. Freiwillige Leistungen, sie weisen derzeit nur noch sechs Prozent des Haushaltes auf, sind kaum noch weiter herunterzufahren. Das Tafelsilber, lukrative Immobilien wie die Bahnhofstraße 8, ist längst zu Geld gemacht worden. Der Handlungsspielraum der Räte ist begrenzt, auch wenn der Bürgermeister hinsichtlich möglicher Einsparpotenziale vieldeutig ankündigt, jetzt sei „alles erlaubt“. Mehr als einen Sparvorschlag bei der Straßenbeleuchtung hat man von ihm noch nicht gehört.

Dabei war von Krisenstimmung im vergangenen Jahr noch keine Rede. Die unpopulären Entscheidungen der Vergangenheit sollten eigentlich mit einer schwarze Null im Jahr 2023 belohnt werden. Nach der Vorlage des unbestätigten Haushalts wird nun auch bis 2027 kein Ausgleich hergestellt. Die Verwaltung begründet dieses Zurückrudern unter anderem mit steigenden Personalkosten, bedingt durch die Vorgaben des Kinderförderungsgesetzes (Kifög). Das sei nicht vorhersehbar gewesen.

Nach dem Haushaltsentwurf wird die Stadt Ende 2019 mit 780.000 Euro im Minus stehen. 2027 wird der Ergebnisplan perspektivisch ein Defizit in Höhe von 1.251.800 Euro ausweisen. Vor diesem Hintergrund entlädt sich nun zunehmend der Unmut der Fraktionen. Einen Anfang machten die Fachausschüsse, die in der vorigen Woche tagten. Die Hoffnung, den Haushalt doch noch irgendwie aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen, schmolz dahin.

Helmut Halupka (SPD) ließ den Geist aus der Flasche und beklagte, dass in Genthin schon mit der Ankündigung des Wegganges von Thomas Barz ein Stillstand eingetreten sei. „Die Stadt ist ins Hintertreffen geraten.“ Deshalb drängte er darauf, dass die Räte sogar möglichst noch vor der Wahl den Haushalt beschließen. Ehe der neue Stadtrat arbeitsfähig sei, wäre dann noch ein weiteres Jahr verloren. Dem schloss sich auch Andreas Buchheister (CDU) an. Mit einer Beschlussfassung vor den Wahlen sei noch zu retten, was zu retten sei. Eine Antwort, wie das vonstatten gehen kann, blieben er und alle anderen Ausschussmitglieder allerdings schuldig.

Auf schnelles Handeln setzt auch Lutz Nitz (Grüne), weil sonst die Gefahr bestünde, dass möglicherweise Fördermittelzusagen verloren gingen. Für ihn liege das Grundproblem des Haushalts darin, dass das Land die Kommunen derzeit nicht auskömmlich finanziere. Ihn persönlich irritiere allerdings, spitzte er zu, dass andere Kommunen, die ähnliche Sorgen wie Genthin hätten, trotzdem ihren Haushalt genehmigt bekämen. „Woran liegt das? Es läuft nicht gut für Genthin“, stellte er in den Raum – dem widersprach keiner.

„Selbst wenn wir alles streichen, was möglich ist, und inzwischen schon jetzt den Parksündern signalisieren, dass sie tun und lassen können, was sie wollen, weil wir das notwendige Personal für Kontrollen nicht mehr vorhalten können, schaffen wir keinen Haushaltsausgleich“, gab sich Harry Czeke (Die Linke) illusionslos.

Statements, die für Heinrich Telmes (Pro Genthin) zu einer Steilvorlage wurden, kräftig auch in Richtung Verwaltung auszuteilen. Mit dem Genthiner Lebensgefühl stehe es derzeit offensichtlich nicht zum Besten: „Wir reden Jahre davon, einen kleinen Kiosk wegzureißen und brauchen dafür sogar Architekten. Dass wir diese Sache nicht hinkriegen, ist einfach nur peinlich.“ Telmes ließ eine Reihe weiterer Vorhaben Revue passieren, die ins Leere zu laufen scheinen. Es gebe keinen Fortgang für die Brücke am Treidelweg, die Sanierung des Wasserturms sei ungewiss, das Henkelmuseum bleibe bis auf Weiteres geschlossen, die Kosten für die energetische Sanierung der Kita „Käthe Kollwitz“ steigen, vom Neubau des Stadtkulturhauses sei mittlerweile kaum noch etwas zu hören. „Dass die Menschen sauer sind, ist einfach zu verstehen. Man will was machen, aber es passiert einfach nichts.“