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Himmlisch Wo Engel zu Hause sind

Die Kirche in Schlagenthin ist seit ihrer Wiedereinweihung um einige Engel reicher.

Von Thomas Skiba 24.12.2020, 06:00

Schlagenthin l „Vom Himmel hoch, da komm ich her...“ Es war ein Engel, der den Hirten die frohe Botschaft von Christi Geburt verkündete und sie auf die richtige Spur zur Krippe im Stall zu Bethlehem brachte. Schon im Alten Testament finden sich in der Bibel viele Hinweise auf die geflügelten Lichtgestalten. Sie melden sich immer dann, wenn es um eine Botschaft Gottes an die Menschen geht, treten auf als Beschützer, Mahner, Vermittler, Wächter – aber auch als Vollzieher des göttlichen Willens.

So gesehen haben sich die Mitglieder des Fördervereins „Kirche Schlagenthin“ etwas dabei gedacht, als sie beim Vorbereiten der Wiedereinweihung der sanierten Kirche „ihre“ Engel im Eingangsbereich platzierten. „Vorher hingen und standen sie im hinteren Bereich, einer auch über dem Taufbecken“, sagt Yvonne Pilz vom Förderverein und nennt den Grund, „Jetzt begrüßen sie die Gäste.“ Wenn Engel einen irdischen Stützpunkt brauchen, dann könnte Schlagenthin dazugehören.

Nirgends sonst, so könnte der Beobachter meinen, finden sich so viele Engel und dazu in verschiedenen Formen und Darstellungen. Abgesehen von der einmaligen Engeldecke mit seinen 58 Götterboten, die Instrumente spielen, Marterwerkzeuge tragen oder einfach nur pausieren, tragen Engelfiguren aus Ton und Holz zum Eindruck bei.

Gerade in stürmischen Zeiten haben Himmelsboten Hochkonjunktur und das wird gern mit der Sehnsucht nach Schutz und Sicherheit begründet. Nach Ansicht der katholischen Kirche dienen Engel jenseits aller politischen Krisen als verlässlicher Ankerplatz für Gläubige. Engel erscheinen immer dann, wenn Menschen in Grenzsituationen kommen, in Augenblicken höchster innerer oder äußerer Not. Da werden sie auch von Menschen angerufen, die sonst vielleicht gar nicht an sie denken. In solchen Augenblicken werden sie auch am ehesten wahrgenommen und erkannt.

Hohe Würdenträger beider Kirchen sind sich sicher: Es gibt keinen Zweifel an ihrer Existenz. Nicht die Legende ist entscheidend, sondern unsere Wahrnehmung. Die Menschen sind erreichbar für diese Geistwesen und bringen es fertig, mit tief in uns verwurzelten Antennen ihre Signale aufzufangen. So wie jemand felsenfest davon überzeugt sein kann, dass ein anderer Mensch ihn liebt.

Zu beweisen und zu erklären ist das nicht. Aber die Realität als solche ist erfassbar. Mit den Engeln verhält es sich ganz ähnlich. Von dem Reformator Martin Luther ist der Spruch bekannt: „Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde. Amen. Und alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen...“ Auch wenn viele Menschen nicht an die Existenz von Engeln glauben, soll es sie geben. Doch wie erkennt man sie?

Sich darüber Gedanken zu machen, Vorstellungen zu entwickeln und auf eine künstlerische Reise zu gehen, die in dem Modellieren von Taufengeln mündete, gelang den Schlagenthiner Kindern mit der sogenannten Engelwerkstatt. „Unter dem Dach der Kirchensanierung haben wir die Kinder aus der Gegend eingeladen, um gemeinsam mit Künstlern und Kulturpädagogen, mit dem Pfarrer und den ehrenamtlichen Helfern Ideen zusammenzutragen, wie wir die Kirche mit ihren vielen Deckenengeln gerettet bekommen“, sagt Rüdiger Schnapp, Vorsitzender des Fördervereins „Kirche Schlagenthin“.

Was fehlte, war ein Taufengel, der darüber hinaus als Hüter der Kirche über die Sanierung wacht. Flugs entwickelte sich das Projekt „Engelwerkstatt“, das Schritt für Schritt immer weitere Kreise zog. Dafür konnte die Potsdamer Schriftstellerin Christa Kozik gewonnen werden, die von dem Projekt hörte, um dann aus ihrem Buch „Der Engel mit dem goldenen Schnurrbart“ zu lesen. „Christa Kozik war erstaunt und begeistert, was wir für kulturelle Veranstaltungen als kleine Gemeinde auf die Beine stellen“, erinnert sich Rüdiger Schnapp. Doch es blieb nicht nur beim Lesen und Grübeln. In einer Gruppe, geleitet von Marina Block, entstanden viele Engel aus Ton, die in der Gemeinde verteilt wurden und die Botschaft hinaustrugen, „dass in der Kirche etwas Besonderes geschieht“.

Eine zweite Gruppe zeichnete und malte. Hier hatte der Brandenburger Armin Schubert den Hut auf und es entstanden viele farbenfrohe Engel. Diese druckte Schubert gemeinsam mit den Kindern, um sie dann, wie die Ton-Engel im Ort zu verteilen. Der Bildhauer Dietmar Block nutze die Engel-Variationen als Modelle für seine hölzernen Taufengel. Die schnitzte und stemmte er aus einem Eichenstamm und führte die Kinder damit in die Geheimnisse der Bildhauerei ein. Nach und nach entstand so ein Ensemble aus verschiedenen Engeln in unterschiedlichen Darstellungen, die heute die Schlagenthiner Kirche bereichern.

Viele Maler, Bildhauer oder andere künstlerische Gestalter haben sich bis in die Gegenwart in der Darstellung von Engeln versucht. Sie stimmen dabei alle in den Hauptmerkmalen überein, wenn auch das eine oder das andere stärker betont sein kann. Auf nahezu allen Engeldarstellungen fällt der überaus wache Blick auf. Wach, ernst und wissend richtet er sich auf den Betrachter des Bildes. In der Ikonenkunst werden auch Erzengel, Cherubime und Seraphime dargestellt.

Das Wort Erzengel wird oft als Oberbegriff für alle höheren Ordnungen der himmlischen Wesen gebraucht und ist gleichzeitig die Beschreibung für eine kategorisch höhere Ordnung. Zusammengefasst wird die gesamte Engelwelt in Engelschöre und dieser Begriff wird insgesamt in neun Gruppen (Chöre) aufgeteilt, wobei die Kirche wiederum nur drei Chöre anerkennt. Je höher die hierarchische Ordnung ist, desto mehr Augen werden diesen Wesen zuerkannt.

Die Augen werden nicht nur im Gesicht, sondern auch an den Händen, an den Flügeln, ja zuweilen am ganzen Leib dargestellt, um zum Ausdruck zu bringen, dass diese Wesen alles wahrnehmen, alles wissen. Engel haben Flügel. Auch sie finden sich auf fast allen Darstellungen. Leichtigkeit, die der Erdenschwere nicht unterliegt, spricht sich darin aus, aber auch eine starke Kraft und Beweglichkeit. Oft halten Engel Musikinstrumente in den Händen. Die vollkommene Harmonie, die sich in großen Musikwerken ausspricht, die gern „himmlisch“ genannt werden. Auch sagt man, wenn wir eine schöne Stimme hören: Er oder sie sang wie ein Engel!

Überhaupt wird das Wort „Engel“ in der Umgangssprache häufig gebraucht. Wie oft wird gesagt: „Du bist wirklich ein Engel“, selbst wenn vielleicht nur im richtigen Moment eine Briefmarke zur Hand ist. Wenn das Richtige zum richtigen Zeitpunkt geschieht, empfinden wir dies wie eine überirdische Gnade, wie ein Geschenk des Himmels, wie ein Engelereignis. Wer dieses Empfinden spüren und auf sich wirken lassen will, sollte der Kirche in Schlagenthin einen Besuch abstatten. Hier sind die Engel zu Hause.