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Junge Katzen vor Tierarztpraxis und beim Tierschutzverein ausgesetzt Katzengejammer direkt vor der Tür

30.08.2013, 03:16

Obdachlose und ausgesetzte Katzen sind in Genthin nach wie vor ein Problem. Vier Katzenjunge wurden vor der Genthiner Tierarztpraxis ausgesetzt, drei beim Tierschutzverein über den Zaun geworfen. Auszubildende Lisa Brunow gewährt Obdach, kann die Kleinen aber nicht behalten.

Genthin l Kläglich miauen die kleinen Katzen, während sie in einer Handtasche sitzen. Abgestellt auf dem Parkplatz vor der Tür der Tierarztpraxis. "Sag mal, hörst du das auch?", fragte Arzthelferin Jacqueline Schwarz ihre Kollegin Lisa Brunow. Das Klagen konnte nicht von der Katze im Behandlungszimmer kommen. So klingt keine erwachsene Katze, wissen die beiden. Draußen vor der Tür, in einer Tasche in der prallen Sonne, zeigt sich die traurige Wahrheit. Es handelt sich um Katzenbabys, die jemand vor der Tierarztpraxis ausgesetzt hat.

Die kleinste der vier Katzen hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal die Augen geöffnet, erzählt Schwarz. Katzen kämen mit geschlossenen Augen zur Welt und öffneten diese nach circa zehn Tagen, erklärt Tierärztin Katrin Kühnel. Sie unterstreicht, dass das Aussetzen von Tieren verboten und das Halten von Tieren immer mit einer Verpflichtung verbunden ist.

Die Überforderung durch junge Katzen für manche Halter ist für den Tierschutzverein Genthin kein neues Problem. Auch in der Einrichtung des Vereins, wo herrenlose Tiere ehrenamtlich betreut werden, wurden am Wochenende drei junge Katzen über den Zaun geworfen. "Schrecklich, wie feige und faul manche Leute sind", sagt Schatzmeisterin Christa Rutt resignierend zu dem Vorfall.

Sie kennt das Problem mit ausgesetzten Tieren nur zu gut. Eine Katze ist öfter allein unterwegs als ein Hund, so dass Besitzer nicht immer wüssten, wo sich die Katze gerade aufhielte. Nicht sterilisierte Katzen sind mit einem Dreivierteljahr schon gebärfähig. Kaum ist die junge Katze aus dem Babyalter, kann sie selbst schon Nachwuchs haben. Das unterschätzen viele Halter und "sehen nur die niedlichen Katzenbabys", die dann doch zur Last werden, weiß Rutt, die seit der Gründung des Vereins 2006 beobachtet, wie der Verein zunehmend als Heim fungiert. "Das können wir eigentlich mit den drei Bürgerarbeitsstellen und drei ehrenamtlichen Mitarbeitern nicht leisten. Unsere Aufgabe als Tierschutzverein ist eine andere."

"Tiere auszusetzen ist strengstens verboten. Einfach wegwerfen geht nicht. Wir waren erschüttert über den Fund der Katzenbabys."

Katrin Kühnel, Tierärztin

Christa Rutt befürwortet eine gesetzliche Regelung, wie sie im Wirtschafts- und Umweltausschuss schon mehrfach diskutiert worden ist. Katzenhalter müssten dazu verpflichtet sein, ihre Tiere zu kastrieren. Vielen Haltern sei die Kastration, die 90 Euro koste, schlichtweg zu teuer, schätzt Rutt. Der Tierschutzverein kümmere sich derzeit um etwa 50 Katzen, ein enormer Aufwand für die Mitarbeiter. Auch finanziell, allein das Nassfutter koste pro Tag mehr als 20 Euro, weiß die Schatzmeisterin des Vereins, der sich nur aus Spenden finanziert.

Die Stadt hatte die Angelegenheit diskutiert, dann aber doch "mangels Bedarf" verworfen, so Bürgermeister Barz. Momentan gebe es keine Bestrebungen, die Angelegenheit voranzutreiben.

Die 18-jährige Auszubildende Lisa übernimmt nun die Rolle einer Katzenmutter. Die Katzen sind tagsüber mit in der Praxis und abends nimmt Lisa die zwei schwarzen und zwei grau getigerten Jungtiere mit nach Hause. Da haben sie das kleine Gartenhäuschen der Familie bezogen.

Alle zwei bis drei Stunden haben die Kätzchen Hunger. Auch nachts. Damit sie die Katzen auch nachts hört, wenn sie vor Hunger laut miauen, hat sie sich ein Babyfone geliehen und steht so auch nachts alle zwei bis drei Stunden auf, um den Kleinen ein Fläschchen anzurühren. Nach dem Trinken massiert sie den Kätzchen mit feuchten Tüchern den Bauch, damit sie verdauen können und imitiert so das Ablecken der Katzenmutter. Ansonsten würden die Katzen krank werden.

Das alles mache sie sehr gern, betont die Ersatz-Katzenmama. Dennoch sei es nicht ihre Pflicht und ihre Aufgabe, unterstreicht Tierärztin Kühnel. Bei aller Tierliebe obliege die Verantwortung für Tiere immer zuerst den Haltern. Die Tasche und auch das saubere Handtuch darin, auf dem die Kätzchen lagen, machten einen gepflegten Eindruck. Ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um wilde, streunende Katzen gehandelt habe, sondern um Katzennachwuchs, der den Besitzern einfach zu viel Arbeit mache, mutmaßen Tierärzte und Angestellten. "Empört", "entsetzt" und "traurig" seien sie beim Anblick des Fundes gewesen. "Wir sind keine Auffangstation für ungewollte Tiere."

"Die Stadt muss dringend was unternehmen. Wir brauchen eine gesetzliche Änderung, damit mehr Katzen kastriert werden."

Christa Rutt, Tierschutzverein Genthin

Lisa Brunow und die Mitarbeiter der Tierarztpraxis hoffen derweil, dass sich für die Kleinen aus der Handtasche ein neues Zuhause finden wird. Im Alter von acht bis zehn Wochen sollten sie fit und groß genug sein, um Lisa zu verlassen. Namen hat sie ihren Schützlingen mit Absicht nicht gegeben, weil "das Abgeben dann noch schwerer fällt", sagt die Ersatz-Katzenmama.

Tierarztpraxis Kühnel Telefon: (03933)8063764 Tierschutzverein Genthin Telefon: (0151)22885803