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  7. Moderne Windkraftanlagen sind Störenfriede im Lebensraum der Großtrappen

Rund 130 Trappen existieren heute noch in drei verbliebenen Einstandsgebieten Moderne Windkraftanlagen sind Störenfriede im Lebensraum der Großtrappen

Von Dorothée März und Bettina Schütze 15.08.2012, 03:23

Die Großtrappe (Otis tarda) stand Mitte der 90er Jahre kurz vor dem Aussterben. Eine Gefahr für die Erholung des Bestandes sind die Windräder.

Königsrode l Wa¨hrend es in den 1970er Jahren in Deutschland noch 30 Einstandsgebiete mit reproduzierenden Besta¨nden gab, existieren heute nur noch etwa 130 Trappen in drei verbliebenen Einstandsgebieten in den beiden Bundesla¨ndern Sachsen-Anhalt und Brandenburg: das Havella¨ndische Luch, die Belziger Landschaftswiesen und das Fiener Bruch.

Auf der weltweiten "Roten Liste" wird die Großtrappe als "verwundbar" eingestuft und in Deutschland sogar in der ho¨chsten Gefa¨hrdungskategorie "vom Aussterben bedroht" gefu¨hrt. Verantwortlich fu¨r den starken Ru¨ckgang dieser Art sind vor allem die durch den Menschen verursachten Vera¨nderungen der Lebensraumbeschaffenheit.

Aufzufu¨hren sind hier die massive Einengung des Trappen-Lebensraumes durch den Ausbau der Infrastruktur (Fla¨chenverlust durch Baumaßnahmen, Anlage von Verkehrswegen und Energietrassen), die Intensivierung und Technisierung der Landwirtschaft sowie eine ansteigende Dichte an Beutegreifern. Großtrappen haben einen großen Raumbedarf und beno¨tigen weite, u¨bersichtliche, unzerschnittene und sto¨rungsarme Offenland-Gebiete mit extensiver Gru¨nland- und Ackerbewirtschaftung.

Sie sind auf eine strukturreiche Vegetation mit lichten, sonnigen Bereichen angewiesen, die genu¨gend Nahrungspflanzen und ausreichende Insektenbesta¨nde zur Jungenaufzucht aufweisen. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit ha¨ufigen Wirtschaftsmaßnahmen unter Verwendung moderner Technik macht erfolgreiche Trappen-Bruten selten. Zudem bringen der Einsatz von Bioziden und großfla¨chige Monokulturen einen akuten Insektenmangel fu¨r die Ku¨ken, was fu¨r diese meist den Hungertod bedeutet.

Artenschutz-Abkommen sollen Großtrappe schützen

Der Schutz der Großtrappe basiert auf deutschen, europa¨ischen und sogar weltweiten Artenschutz-Abkommen. Insbesondere die Europa¨ische Vogelschutz-Richtlinie, die nicht nur auf die Vo¨gel selbst, sondern auch auf ihre Lebensra¨ume abzielt, ist hierbei hervorzuheben. Das "Schutzprojekt Großtrappe" des Fo¨rdervereines im anhaltinischen Bereich des Fiener Bruchs wird durch Gelder des Europa¨ischen Agrarfonds (ELER) finanziert, mit Unterstu¨tzung der beiden La¨nder Sachsen-Anhalt und Brandenburg.

Da die Großtrappe eine so genannte Flaggschiffart ist, kann durch ihren Schutz ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Biodiversita¨t in der Agrarlandschaft geleistet werden. Durch den Schutz dieser Art profitieren viele andere Pflanzen- und Tierarten, die ebenfalls in den Roten Listen aufgefu¨hrt sind. Jedoch trotz des hohen Schutzstatus und den ausgewiesenen Europa¨ischen Vogelschutzgebieten ist der Lebensraum der letzten Großtrappen Deutschlands akut gefa¨hrdet.

Der starke Ausbau der erneuerbaren Energien, und dabei vor allem die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft, durch Maisanbau oder intensiv bewirtschaftetes Gru¨nland, sowie die Errichtung von zahlreichen Windkraftanlagen wirken sich a¨ußerst negativ auf die Lebensraumsituation der letzten Trappen-Besta¨nde aus.

Aktuell macht dem Fo¨rderverein Großtrappenschutz die Planung eines weiteren Windparks, nahe der Gemeinde Bensdorf, große Sorgen.

Betroffen wa¨re mit dem Windkraftprojekt bei Bensdorf die Flugroute zwischen Fiener Bruch und dem Havella¨ndischen Luch. Das intensive Bestandesmonitoring des Fo¨rdervereines hat gezeigt, dass zwischen den drei genannten Einstandsgebieten ein regelma¨ßiger Austausch der Individuen stattfindet.

Der Einsatz von versteckten Wildkameras zur Ablesung der Codes auf den Fußringen, mit denen die Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburgs seit Jahren die zur Auswilderung bereit gestellten Tiere ausstattet, besta¨tigt diese Wanderbewegungen sehr gut. Ohne Zweifel, die Errichtung von Windenergie-Anlagen innerhalb der traditionellen Flugkorridore stellt eine große Gefa¨hrdung fu¨r die darin wandernden Großtrappen dar.

Großtrappen reagieren sehr sensibel auf Bewegungen im Luftraum. Freileitungen werden nur schwer wahrgenommen, so dass es immer wieder zu Kollisionen mit Leitungsseilen kommt. Trappen reagieren auf Heißluftballone und tieffliegende Flugzeuge mit panikartiger Flucht. Dabei ist kein Gewo¨hnungseffekt ersichtlich, da große fliegende Objekte, zum Beispiel Seeadler, zum Feindschema der Art geho¨ren. Es ist davon auszugehen, dass rotierende Windenergieanlagen (WEA) einen a¨hnlichen Sto¨reffekt haben, dem mit Meidung der Fla¨chen entgegnet werden wird (Lebensraumverlust). "Das Monitoring zum Windpark Zitz, der 2003 im Fiener Bruch errichtet wurde, hat gezeigt, dass vormals durch Großtrappen fu¨r Brut und U¨berwinterung genutzte Fla¨chen nach Errichtung der Anlagen gemieden wurden", sagt Tobias Du¨rr von der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg.

"Angesichts dessen, dass heute, im Vergleich zum Jahr 1940, nur noch ein Prozent des urspru¨nglichen Lebensraumes fu¨r die Großtrappen in Deutschland vorhanden ist, ein dramatischer Verlust fu¨r die selten gewordenen Vo¨gel. Zudem bedeuten Windra¨der fu¨r Großtrappen, die mit 50 bis 60 km/h Reisegeschwindigkeit schnelle Flieger sind, eine sehr ernste Kollisionsgefahr. Die Tiere ko¨nnen wegen ihres beachtlichen Ko¨rpergewichts nur sehr schlecht mano¨vrieren", so Dr. Heinz Litzbarski, Fo¨rderverein Großtrappenschutz e.V.

Erwachsene Ha¨hne geho¨ren mit einem Ko¨rpergewicht von bis zu 17 Kilogramm zu den schwersten flugfa¨higen Vo¨geln der Erde. Sa¨mtliche Vorkommen der Großtrappe in Deutschland sind bereits inselartig.

Ein Austausch der Individuen erfolgt bislang nur noch auf den schmalen Verbindungskorridoren zwischen den verbliebenen Trappen-Gebieten. Beeintra¨chtigungen innerhalb der Korridore bewirken zwangsla¨ufig eine zunehmende Isolation der Kernpopulation durch Meidung der benachbarten Einstandsgebiete, was letztendlich den Fortbestand der Art in Deutschland unmittelbar gefa¨hrdet.

Dementsprechend wichtig ist die Barriere- und Hindernisfreiheit, der von Großtrappen traditionell genutzten Flugkorridore. Die Großtrappe ist im Anhang I der EU-Richtlinie u¨ber die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (Richtlinie 79/409/EWG) aufgelistet.

Lebensraum der Großtrappe nimmt dramatisch ab

Fu¨r die darin aufgefu¨hrten Arten sind besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensra¨ume anzuwenden, um ihr U¨berleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. So auch fu¨r die Großtrappe. Um sie in Deutschland zu erhalten, darf die Qualita¨t des Lebensraumes in den drei verbliebenen Einstandsgebieten nicht beeintra¨chtigt werden (EU-Vogelschutzrichtlinie, Bundes- und Landesnaturschutzgesetz).

Dies gilt auch fu¨r die Trappen-Flugkorridore zwischen den Einstandsgebieten. Die Vernetzung der letzten Schutzgebiete und ihres Umlandes darf nicht durch Windkraftanlagen gefa¨hrdet werden.

Sowohl die Fo¨rdermittel, die ja¨hrlich von der EU und den beiden Bundesla¨ndern zur Optimierung der Schutzgebiete ausgegeben werden, als auch die seit Jahren laufende Schutzarbeit des Fo¨rdervereines Großtrappenschutz zur Stu¨tzung des Trappenbestandes werden mit jedem Windkraftprojekt innerhalb der Trappengebiete und der Flugkorridore mit einem deutlichen Zuwachs in den letzten Jahren zwischen den Gebieten ernsthaft gefa¨hrdet.