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Kinder und Erwachsene in der Märchenausstellung Rapunzel sagt nicht, dass sie schwanger ist

Von Manuela Langner 24.12.2012, 02:25

Die Vorschulkinder der Genthiner Kindertagesstätte "Rasselbande" und eine Gruppe der QSG gehörten vor Weihnachten zu den Besuchern der Märchenausstellung im Kreismuseum Jerichower Land. Die Volksstimme begleitete die Kinder und die Erwachsenen bei ihrem Rundgang.

Genthin l Eins, zwei, drei - Lisa gibt das Kommando und die Vorschulkinder der Genthiner Kita "Rasselbande" singen das Lied von Hänsel Gretel. Sie stehen in der Weihnachtsausstellung des Kreismuseums "200 Jahre Grimms Märchen" und sehen direkt vor ihren Augen, wovon sie singen: die Bäume, die Pfefferkuchen und die Hexe im aufgeklappten Märchenbuch. Museumsleiterin Antonia Beran nimmt einen Lebkuchen aus der Auslage. Die Kinder riechen daran, bestätigend nickend seine Echtheit, erklären aber, dass sie Plätzchen eigentlich lieber mögen.

"Die Verfilmungen aus DDR-Zeiten, die russischen und die tschechischen Märchenfilme sind sehr gut. Die neuen Filme eher nicht."

Klaus-Jürgen Mund

Grimms Märchen begleiten uns unser ganzes Leben. "Knusper, knusper, knäuschen: Wer knabbert an meinem Häuschen?" Die ersten Worte der Hexe sind auch bei den gestandenen Männern der QSG-Bildungsgruppe zu hören, noch bevor Antonia Beran danach fragen kann.

Nicht alle, aber einige geben sich als Märchenfans zu erkennen. Sie haben als Kinder die Bücher gelesen und schauen sich heute mit den Enkeln die Filme im Fernsehen an. "Die Verfilmungen aus DDR-Zeiten, die russischen und tschechischen Märchenfilme sind sehr gut", sagt Klaus-Jürgen Mund. Und Karl-Heinz Schlag stimmt ihm zu. Die neuen Verfilmungen gefallen ihnen dagegen nicht.

"Der Wind, der Wind, das himmlische Kind", ruft Simon aus der Rasselbande leise in seine Gruppe und vervollständigt die "knusper, knusper, knäuschen"-Stelle im Märchen. Vor Hänsel Gretel haben sich die Kinder Zeichnungen zu Frau Holle angesehen. Sie kennen die Worte des Apfelbaumes und des Backofens und den Unterschied zwischen Goldmarie und Pechmarie. Lilli holt tief Luft und erklärt in einem Zug: "Die hat Pech gekriegt, weil sie nicht fleißig war. Sie hat die Äpfel nicht geerntet und die Brote nicht aus dem Ofen geholt." Beim Basteln erzählt Lilli später, dass Frau Holle ihr Lieblingsmärchen ist. Aber nicht wegen Pechmarie, sondern "weil ich die Goldmarie am besten finde."

Wer hat beim Froschkönig die goldene Kugel im Brunnen verloren? Warum lassen die sieben Geißlein den bösen Wolf doch in ihr Haus? Keine Märchenfrage von Antonia Beran, die die Rasselbande nicht beantworten kann. Aber das Märchenbuch "Der süße Brei" kennen die Kinder nicht. Die Museumsleiterin stellt ihnen das Bilderbuch vor und die Jungen und Mädchen lachen und staunen, wie sich der Brei in der ganzen Stadt verteilt: "Du meine Güte."

Die elegante Garderobe für König und Königin, die goldenen Becher und Teller hat das Genthiner Amateurtheater aus seiner Requisite für die Märchenausstellung ausgeliehen. Für die Kinder ist das dargestellte Märchen eindeutig Dornröschen. Die Teller sind für sie entscheidend. Für die Männer aus der Bildungsgruppe ist die Antwort komplizierter. Dornröschen ja, aber der Spiegel hinter der Königin könnte auch ein Hinweis auf Schneewittchen sein. Und zum Froschkönig passe es auch.

Kleinigkeiten reichen aus, um die Märchen wieder zu erkennen, sagt Antonia Beran zur Erwachsenengruppe. "Der Verdienst der Gebrüder Grimm war es, eine einfache, schöne Sprache zu finden." Allerdings sei die Sammlung in ihren vielen Auflagen immer wieder um neue Märchen ergänzt und bereits enthaltene seien umgeschrieben worden. So darf Rapunzel schon lange nicht mehr ihre Schwangerschaft verraten, aber die Hexe in Hänsel Gretel weiter in den Ofen gestopft werden. "Daran haben sich die Leute nicht gestört."

Weitaus zurückhaltender als die Jungen und Mädchen reagieren die Männer aus der QSG-Bildungsgruppe auf den Topf mit Linsen, den jeder sofort mit Aschenputtel in Verbindung bringt. Die Männer wissen, wie Linsen aussehen und wie sie schmecken. Sie müssen sie nicht unbedingt anfassen, aber sie fragen sich schon, ob es im Märchen nicht eigentlich Erbsen gewesen sind. Antonia Beran bestätigt, dass es beide Versionen gibt. Zuerst seien es jedoch Linsen gewesen.

Die Kinder nimmt Antonia Beran zwei Räume weiter in die Dauerausstellung zur Standuhr mit. Hier hat sich das siebte Geißlein versteckt. Jeder will einen Blick in den Uhrenkasten werfen. Aber auch die anderen Ausstellungsstücke wecken die Neugier der Kinder. Was ist das? Die Museumsleiterin erklärt ihnen, wie die Tischmangel funktioniert und wird prompt zurückgefragt: "Gab es da noch keine Bügeleisen?" Auch mit der Nähmaschine gleich daneben wissen die meisten Vorschulkinder nichts anzufangen.

Eine ehrwürdige Stille kehrt vor dem alten Puppenwagen mit der Porzellanpuppe ein. Josefine und ihre Freunde machen ganz ernste Gesichter, als sie hören, dass die Kinder früher nicht immer mit ihrem Spielzeug spielen durften, wenn ihnen danach war und sie wegen des Porzellankopfs der Puppe ganz vorsichtig sein mussten.

"Die hat Pech gekriegt, weil sie nicht fleißig war. Sie hat die Äpfel nicht geerntet und die Brote nicht aus dem Ofen geholt."

Lilli

Die große Spieluhr hat es der Rasselbande im nächsten Ausstellungsraum angetan. Sie lauschen aufmerksam der schwungvollen Melodie. Wenige Schritt davon entfernt sehen sich die Kinder das Spinnrad aus Dornröschen an.

Dornröschen und das tapfere Schneiderlein fallen Karl-Heinz Schlag und Klaus-Jürgen Mund spontan als schöne Märchen ein. Die "sieben auf einen Streich" des tapferen Schneiderleins, die sieben Zwerge hinter den sieben Bergen von Schneewittchen oder drei Brüder, drei Schwestern oder drei Wünsche frei zählt Antonia als Beispiele für magische Zahlen auf, die in Märchen eine große Rolle spielen. Sie wollen zum einen unterhalten, zum anderen aber auch ihren Lesern vermitteln: Die Guten werden belohnt, die Schlechten bestraft.

Während die Männer zufrieden lachen, als ihnen Antonia Beran verkündet, dass sie ihre "Märchenprüfung" bestanden haben, sitzen die Kinder wie die zwölf Feen am langen Tisch im Veranstaltungsraum und basteln Kronen. Nur Prinzen und Prinzessinnen werden eine Viertelstunde später das Kreismuseum in Richtung Kita verlassen.

Noch bis zum 3. Februar 2013 ist die Ausstellung zu sehen. Auch an den kommenden Feiertagen wird das Kreismuseum geöffnet sein. Bis zum 30. Dezember können Besucher täglich zwischen 14 und 16 Uhr die Ausstellungsräume besuchen. Am Sonnabend bleibt das Haus geschlossen.

Ab dem 2. Januar gelten die normalen Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr, Freitag von 8 bis 12 Uhr und Sonntag von 14 bis 16 Uhr.