Jerichowerin präsentiert in der Bibliothek Kalligrafie im Wandel der Jahrhunderte Renate Braun gewährt Blick in die Schatzkiste schönen Schreibens
Kalligrafie im Wandel der Jahrhunderte zeigt Renate Braun aus Jerichow in einer sehr sehenswerten Ausstellung in der Genthiner Stadt- und Kreisbibliothek Edlef Köppen.
Von Mike Fleske
Genthin l "O wie schwer ist das Schreiben: Es trübt die Augen, quetscht die Nieren und bringt zugleich allen Gliedern Qual. Drei Finger schreiben und der ganze Körper leidet ..." Diese Worte eines Schreibers aus dem 8. Jahrhundert begegnen den Besuchern im Veranstaltungsraum der Stadt- und Kreisbibliothek derzeit als Erstes.
Mit feinen Ornamentverzierungen und irischer Halbunizialschrift umrahmt hat Renate Braun die Worte versehen und ihrer Ausstellung aus gutem Grund vorangestellt. "Das zeigt, dass das Schreiben ein Handwerk ist und mit Kunst nichts zu tun hat", erklärt die Hobby-Kalligrafin. Bei ihr sei es so schlimm nicht, beruhigt Braun. "Die Schreiber haben in den Skriptorien den ganzen Tag an den Pulten gestanden und geschrieben", erläutert die Jerichowerin. "Die Bücher waren alle handgeschrieben und kleine Kostbarkeiten", fügt sie hinzu.
Einen kleinen Blick hinein in die Schatzkiste der Handschriften können die Besucher derzeit in der Ausstellung "Vom Skriptorium zu Atelier" werfen. Renate Braun hat dafür eine Reihe neuer Arbeiten zur Verfügung gestellt und zeigt einen Querschnitt der Entwicklung der Handschrift. Eine Besonderheit sind auch die karolingischen Minuskeln eines alten "Vater unser". "Diese Schrift leitet sich von Karl dem Großen ab", erklärt Braun. Er habe selber schreiben wollen und diese Buchstaben so begründet. Auch die Fraktur oder lombardische Buchstaben begegnen den Besuchern.
Bei vielen Werken fallen besonders die Anfangsbuchstaben, die so genannten Initialen, mit ihren schmuckvollen Verzierungen auf. Braun lässt sich dabei von originalen Vorlagen inspirieren und empfindet die Schriften und auch die Verzierungen diesen Vorlagen nach. "So ganz schaffe ich das nicht, aber es gibt einen Eindruck der damaligen Buchmalereien", sagt sie. Diese alten schmuckvoll gestalteten Texte seien ihre große Liebe in der Kalligrafie.
Zweimal kommt ein Glaubenstext in der Ausstellung vor, zu dem das Ehepaar Braun eine besondere Beziehung hat. Er endet mit den Worten: "So wird er meine Taten strenge prüfen, doch meinen Glauben, - nein, das glaub\' ich nicht."
"Dieser Spruch hängt bei uns im Kaminzimmer", sagt Gunter Braun. Er begleitet die Arbeit seiner Frau stets aufmerksam. Er sei es auch, der ihre Werke als Erster zu sehen bekommt. Auf Grund der Unterstützung ihres Ehemannes sei es überhaupt möglich, dass sie ihrem Hobby nachgehen könne, bestätigt Renate Braun, die sich von Kindesbeinen an für die schöne Schrift interessiert. Durch ständige Beschäftigung mit der Schrift, Kursbesuchen bei namhaften Kalligrafen und dem Ausprobieren neuer Möglichkeiten ist ein breites Oeuvre entstanden, das auch Jugendstilelemente bis hin zu modernen Erscheinungsformen der Schrift einbezieht. Daneben verziert Braun ihre Schriften mit Kunstelementen wie Scherenschnitt und Durchreibetechnik.
Das neueste Feld, das sich die Hobbykünstlerin erschlossen hat, sind die freien Formen der Kalligrafie. "Dort wird der Buchstabe oder das Wort selbst zur Kunst." Für die Besucher ergibt sich bis zum 14. Dezember die Möglichkeit, eine Zeitreise in Schriftform zu unternehmen und sich von der Begeisterung Renate Brauns für das schöne Schreiben anstecken zu lassen.