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Saisonarbeiter Reise nach Deutschland wird zur Odyssee

Zwei rumänische Mitarbeiter mussten einige Umwege auf sich nehmen, um zu ihrem Arbeitsplatz Agarhof Heringa in Klietznick zu kommen.

Von Thomas Skiba 02.04.2020, 23:01

Jerichow l Fast hätte der Agrarhof Heringa in Klietznick zwei seiner rumänischen Mitarbeiter verloren, doch mit Hartnäckigkeit und Erfindungsreichtum kam es zu einem guten Ende. Dabei sind das Ehepaar Maria und Sorin Cirraaci fest auf dem Hof in Klietznick angestellt: „Wir arbeiten und leben seit etwa vier Jahren hier“, erzählt Maria.

Zweimal im Jahr fahren sie mit ihrem Pkw nach Hause, ins 1700 Kilometer gelegene heimatliche Brosteni, in den malerischen Ost-Karpaten. Als sich in Deutschland langsam Maßnahmen zur Eindämmung und Verbreitung des Virus Covid 19 anbahnten, rüstete sich das Paar für die Rückreise. Doch andere Länder waren schneller und sperrten die Grenzen zu, auch für den Transitverkehr. Über Polen, Slowakei und Ungarn konnten die Ciriacos nicht mehr einreisen, ein Umweg über die Ukraine wäre noch möglich gewesen, jedoch mit dem Erstellen eines Visums verbunden. Das hätte aber lange gedauert. Damit entwickelte sich eine kleine Odyssee.

Wie jetzt nach Deutschland kommen, wenn alle Wege versperrt sind? In der letzten Woche gab es noch Flüge von der nahe Brosteni gelegenen Stadt Suceava nach Berlin. Die Cirraacis ließen schweren Herzen ihr Auto zurück und checkten ein: „Doch man wollte uns nicht in den Flieger lassen.“ Die Abweisung begründete der Flughafenmitarbeiter, laut Sorin Cirraaci, damit, dass sie kein Wohneigentum in Deutschland besäßen und damit auch keinen Grund nach Deutschland auszureisen. Hier kamen die unterschiedlichen Wohneigentumsverhältnisse und damit auch Mentalitäten in Europa ans Licht: Rumänien ist das Land mit der höchsten Wohneigentumsquote in Europa. Auch in dem südosteuropäischen Land ist man derzeit sehr bedacht darauf, dass seine Bürger nicht unnötig reisen zu lassen und empfehlen für alle eine weitgehende Selbstisolierung.

Bei einem zweiten Versuch, den Flieger nach Deutschland zu besteigen, ließ sich Heringa mit der Flughafenverwaltung verbinden. „Dort habe ich den Beamten über die deutschen Verhältnisse aufgeklärt“, schildert er und erläuterte, dass die Cirraacis hier gemeldet sind, in einen festen Arbeitsverhältnis stehen und eine Wohnung gemietet hätten.

Nach und nach setzte ein Umdenken bei dem Beamten ein und das Paar durfte das Flugzeug besteigen. In Berlin nahm Henk Heringa die beiden in Empfang: „Ich habe mich gefreut, dass ich meine Mitarbeiter wieder bei mir hatte.“ Denn zu tun gibt es jede Menge auf dem Agrarhof und da zähle jede Hand, so Heringa. Jeder der beiden arbeite für zwei, lobt er den Fleiß und das Engagement der Cirraacis. „Sie sehen die Arbeit und kommen auch gut mit den besonderen Anforderungen der Milchviehhaltung zurecht.“ Die rund 170 Milchkühe müssen jeden Tag gemolken werden - morgens und abends, erklärt der Landwirt. Er hatte auch schon einheimische Mitarbeiter, die dann nach kurzer Zeit wieder kündigten. Zum einen ist die schwere Arbeit, die viele nicht mehr gewohnt sind, betont der Landwirt, zum anderen sind es auch die Arbeitszeiten. Denn der erste Melk-Gang fängt um 3.30 Uhr an und dauert um die vier Stunden, der zweite beginne am späten Nachmittag und Heringa weist darauf hin: „So ist der Ablauf an jeden Tag, auch am Wochenende.“

Die Mitarbeiter aus Rumänien seien da anders, kennen die Arbeit in der Landwirtschaft von Kindesbeinen an und wissen um die Eigenheiten ihres Berufes. Aus diesem Grund könne man die Arbeiter aus Ost- und Südosteuropa nicht so einfach ersetzen und sieht die Vorschläge mit Skepsis, fehlende Saisonarbeiter mit Studenten oder Menschen in Kurzarbeit auszugleichen. Sei es Spargelstechen, Erdbeeren pflücken oder Kühe melken – alles habe seine eigenen Verfahren und die müsse man können. „Das lässt sich nicht schnell erlernen und nur weil es leicht aussieht, ist es nicht leicht zu tun.“