Brettiner Sekundarschüler beteiligen sich erstmals an einem groß angelegten Projekt Schüler diskutieren mit Jugendlichen in England über den Nationalsozialismus
Mit einer Englandreise haben Schüler der zehnten Klassen das Projekt "Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus" abgeschlossen. Dort begegneten sie englischen Jugendlichen und diskutierten mit ihnen über die anspruchsvolle Problematik und heutige Vorurteile.
Brettin l Die intensive Auseinandersetzung mit dem National- sozialismus hat die Jugendlichen geprägt. Monatelang haben sie sich mit der NS-Zeit beschäftigt. Wer in ihre Gesichter blickt und mit ihnen über die Thematik spricht, der merkt: Sie sind sehr kompetente Gesprächspartner.
Zum Abschluss des erstmalig so groß angelegten Projektes waren sie vergangene Woche in England, um sich dort mit Jugendlichen über die Thematik auszutauschen. Dabei kamen auch Vorurteile von Engländern gegenüber Deutschen und umgekehrt zur Sprache. Eine besondere Erfahrung, wie Schüler Lukas Stender sagt. "Unser Kennenlernen war sehr interessant. Ich musste mich auf ein großes Blatt Papier auf den Boden legen, dann hat mich ein Engländer mit einem Stift in Lebensgröße gemalt. Danach bin ich aufgestanden und er hat englische Vorurteile über Deutsche in meinen Körper geschrieben." Begriffe wie Lederhose, Bier, Fußball und Arroganz waren darunter. Aber auch Lukas und seine Freunde haben vor dem Besuch Stereotypen im Kopf gehabt: "Wir dachten, dass sie über uns denken, dass wir alle noch Nazis sind. Aber das war gar nicht so", sagt er und betont, dass es gut war, diese Stereotypen und Vorurteile anzusprechen und zu entkräften.
"Wir dachten, dass sie über uns denken, dass wir alle noch Nazis sind. Aber das war gar nicht so"
Schüler Lukas Stender
Doch nicht nur die Begegnung mit den englischen Schülern hat die Reise besonders gemacht. Auch der Besuch einiger Gedenkstätten und Museen stand auf dem Plan. "Das Imperial War Museum in London hat mich beeindruckt. In Deutschland waren wir auch in Museen, aber das war riesig und dort wurden ganz verschiedene Aspekte des Zweiten Weltkrieges präsentiert", sagt die Schülerin Carolin Stobbe. Mitschüler Dustin Richter sieht das ähnlich: "Die Ausstellung hat mich echt umgehauen."
Vor der Reise hatte die Schule in Zusammenarbeit mit dem Projekt "Horizont 21" (Miteinander e.V.) mehr als ein halbes Jahr das Thema "Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus" bearbeitet. Exkursionen und viele Unterrichtsstunden wurden dazu genutzt. Das Besondere: Nicht nur im Fach Geschichte wurde die Thematik aufgearbeitet, sondern auch in anderen Fächern. "Egal ob Deutsch, Englisch, Ethik oder auch Sozialkunde: Alle Lehrer haben das Thema in ihren Fächern behandelt", sagt Lehrerin Diana Gellrich. In ihrem Fach Deutsch wurde beispielsweise "Das Tagebuch der Anne Frank" gelesen, in Geschichte die historischen Fakten diskutiert. Unterstützt wurden die Lehrer dabei von Mareike Tegtmeier, die mit dem Projekt Horizont 21 die Schule bei der Umsetzung des Themas auf verschiedenen Wegen unterstützt hat. "Das haben wir gern gemacht. Wir wollen die demokratische Lebens-, Lern- und Arbeitskultur der Jugendlichen stärken", sagt Mareike Tegtmeier.
"Dass die Thematik vor dem Englandbesuch in mehreren Fächern aufgearbeitet wurde, ist hervorragend"
Mareike Tegtmeier von Horizont 21
Aber auch im finanziellen Bereich hat Horizont 21 der Schule unter die Arme gegriffen: Das Projekt finanzierte einen Großteil der Kosten für die Abschlussfahrt nach England. Nur Schüler, die sich vorher besonders im Rahmen des Nationalsozialismus-Projekts engagiert hatten, wurde die Teilnahme am Englandbesuch ermöglicht. "Wir arbeiten seit zwei Jahren mit der Schule zusammen und fanden dieses Nationalsozialismus-Projekt inhaltlich und methodisch besonders spannend: Dass die Thematik vor dem Englandbesuch in mehreren Fächern aufgearbeitet wurde, ist hervorragend", sagt Mareike Tegtmeier zufrieden.
Zu Exkursionen waren die Schüler unter anderem in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und auch zu Recherchen im Kreismuseum in Genthin. "Durch den Unterricht, die Ausflüge in Deutschland und die Englandreise haben die Schüler ein umfangreiches Bild von der Zeit des Nationalsozialismus bekommen", sagt Lehrerin Diana Gellrich und freut sich, dass sich die Schüler so engagiert dem Projekt gewidmet haben. Zum Abschluss gab es dafür Zertifikate. "Diese lang angelegte thematische Aufarbeitung der NS-Zeit soll auf in den zukünftigen neunten und zehnten Klassen fortgesetzt werden", sind sich die Lehrerin und Mareike Tegtmeier einig.
Im März erwarten die Zehntklässler dann einige englische Schüler zum Besuch in Deutschland. Dann wollen sie sich für die Gastfreundschaft revanchieren und vielleicht auch die interessanten Diskussionen über die Zeit des Nationalsozialismus mit ihnen fortführen. Die Kompetenz zur Thematik haben sie sich in den vergangenen Monaten eindrucksvoll erarbeitet.