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Stadtrat Streit um die Fraktion der AfD in Jerichow: Warum alles an einem Stempel hängt

Zweifel an der ordnungsgemäßen Bildung einer Fraktion der AfD im Stadtrat von Jerichow sind längst nicht ausgeräumt. Es fehlen Unterlagen und ein wichtiger Stempel.

Von Simone Pötschke 27.12.2023, 07:00
Streit zwischen AfD-Fraktion und Verwaltung in Jerichow.
Streit zwischen AfD-Fraktion und Verwaltung in Jerichow. Foto: dpa

Jerichow - Zweifel an der ordnungsgemäßen Bildung einer AfD-Fraktion im Stadtrat von Jerichower führen zu einer hitzigen Debatte. Der Verwaltung liegen keine Antragsunterlagen vor. Und die Kommunalaufsicht vom Landkreis hält sich bedeckt. Die Zutaten für ein kleines Theater.

Nur wenige Minuten vergehen bei der jüngsten Stadtratssitzung in Jerichow zwischen deren offiziellen Eröffnung, ehe die Wortgefechte an Fahrt aufnehmen, die sich Stadtratsvorsitzender Andreas Dertz (Freie Wähler) und Ordnungsamtsleiterin Anja Schünicke mit Birgit Albrecht (AfD) liefern.

Auf den Besucherplätzen herrscht für einen Moment Verwirrung, vermutlich nur wenige der Gäste kennen die Hintergründe der Auseinandersetzung. Dass die Beteiligen seit Längerem über Kreuz liegen, ist jedoch längst kein Geheimnis mehr.

Kalkül vermutet, obwohl es klare Vorgaben gibt

Birgit Albrecht - sie kandidierte für das Bürgermeisteramt - spricht nun davon, dass der AfD im Jerichower Stadtrat der Status einer Fraktion aberkannt worden und deshalb drei Fraktionsanträge, die sie seit September gestellt hat, unbeantwortet geblieben seien. Bei dem Handeln von Ordnungsamtsleiterin Anja Schünicke, die in den Vorgang maßgeblich involviert ist, vermutet Albrecht Kalkül. Auch von Lüge und davon, dass Unterlagen absichtlich verschwunden seien, ist die Rede.

Auf den Hinweis von Andreas Dertz, dass inzwischen ein Statement der Kommunalaufsicht zu dem Vorgang vorliege, reagiert Albrecht zerknirscht. Damit sei sie nicht zufrieden, sagt sie.

Wie sich später herausstellt, wurde der AfD der Fraktionsstatus bisher nicht aberkannt. Trotzdem liegt bei diesem Vorgang einiges im Dunkeln.

Viele offene Fragen

Was ist geschehen? Strittig bleibt, fast vier Jahre nach der konstituierenden Sitzung des Stadtrates und einem halben Jahr vor der nächsten Kommunalwahl, ob die Fraktionsbildung der AfD ordnungsgemäß zustande gekommen ist.

In einem Schreiben an Birgit Albrecht vom 6. Dezember 2023 verweist die Ordnungsamtsleiterin darauf, dass weder dem Stadtratsvorsitzenden noch der Verwaltung die geforderte schriftliche Anzeige zur Gründung der AfD-Fraktion vorliege, so wie es die Geschäftsordnung eigentlich vorschreibt.

Auf die notwendigen Formalitäten zur Fraktionsgründung hatte seinerzeit Bürgermeister Harald Bothe, der plötzlich verstorben war, auf der konstituierenden Sitzung des damals neugewählten Stadtrates am 2. Juli 2019 hingewiesen. Das ist schriftlich belegt.

Im Gespräch mit der Volksstimme sagt Anja Schünicke, dass ihr die fehlende schriftliche Anzeige zur Gründung der AfD-Fraktion im März dieses Jahres aufgefallen sei, als sich Christian Piesker zur Schöffenwahl aufstellen ließ. Daraufhin sei er von ihr aufgefordert worden, die Unterlagen nachzureichen. Monatelang habe sich aber nichts getan, sagt Schünicke.

Schreiben ohne Stempel

Birgit Albrecht legte der Volksstimme auf Anfrage eine Kopie eines Schreibens von Christian Piesker vom 6. Juli 2019 an den damaligen Jerichower Bürgermeister vor, in dem die Bildung der Fraktion der AfD unter seinem Vorsitz angezeigt wird. Das Schreiben weist allerdings keinen Eingangsstempel der Verwaltung auf. Das sei der Haken, bestreitet auch Birgit Albrecht nicht.

Ihre Sicht ist trotzdem eine andere als die der Ordnungsamtsleiterin. In den zurückliegenden vier Jahren sei niemandem das Fehlen eines solchen Dokumentes aufgefallen. In der Amtszeit von Bürgermeister Bothe habe der Fraktionsstatus der AfD im Stadtrat stets Akzeptanz gefunden, sagt Birgit Albrecht. Dabei sorgte die AfD für einen heftigen Disput.

Offen bleibt in der bisherigen Auseinandersetzung, ob diese Aussage mit schriftlichen Unterlagen, etwa durch Niederschriften oder Protokolle, untersetzt werden kann.

Landkreis reagiert zurückhaltend

Dessen ungeachtet wäre für Birgit Albrecht zumindest eine Duldung des Fraktionsstatus bis zu den Wahlen im Juni 2024 möglich. Auch die Kommunalaufsicht habe festgestellt, dass die notwendigen Unterlagen zur Fraktionsbildung nicht vorliegen, betont Stadtratsvorsitzender Andreas Dertz in der Stadtratssitzung mehrfach.

Auf Volksstimme-Anfrage reagierte die Pressestelle des Landkreises zurückhaltend. Es sei noch keine „abschließende schriftliche Bewertung ergangen“, heißt es. Zu einem noch nicht abgeschossenen Verwaltungsvorgang könne keine Auskunft erteilt werden.

Die beiden Jerichower AfD-Stadträte wollen offensichtlich eine Entscheidung der Kommunalaufsicht nicht mehr abwarten. Albrecht reichte beim Stadtratsvorsitzenden einen neuen Antrag zur Bildung einer Fraktion ein, der sie als Fraktionsvorsitzende aufführt. Dertz hat ihn noch nicht unterschrieben.