1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Vom Fernseh- zum Wasserturm

Umzug Vom Fernseh- zum Wasserturm

Gehört Genthin zum Speckgürtel Berlins? So abwegig ist das nicht, meinen der Immobilienmakler Frank Müller und der Investor Thomas Ulsamer.

Von Martin Walter 07.08.2019, 01:01

Genthin l Immer mehr Berliner ziehen ins Brandenburger Umland, wie Daten des Statistischen Bundesamts belegen. Das hat nicht nur mit den Mietpreisen zu tun, sondern auch mit dem Wunsch nach Ruhe.

Einige zieht es sogar bis nach Genthin, wie der Immobilienmakler Frank Müller sagt: „Genthin ist für Berliner nicht uninteressant. Es gibt erste Berliner, die nach Genthin gezogen sind, nachdem die Gebäude in der Silva-Siedlung von einem Berliner Investor übernommen wurden.“

Der Investor ist Thomas Ulsamer, Geschäftsführer des Immoblienunternehmens Valorhaus. Er bestätigt den Zuzug von Berlinern nach Genthin. Konkrete Zahlen kann er jedoch nicht nennen. Aus Interesse habe er mit mehreren Mietern gesprochen und die Gründe für den Umzug erfragt. „Sie schätzen erstens das günstige Mietniveau, zweitens die gute Anbindung nach Berlin und drittens das ruhige Wohnen im Grünen“, so Thomas Ulsamer.

Bezüglich des letzten Punktes habe beispielsweise ein Elternpaar erwähnt, dass ihre Kinder nicht dem Großstadtleben ausgesetzt sein, sondern geborgen aufwachsen sollen. Was die Anbindung anbelangt, ergänzt Thomas Ulsamer, dass es zeitlich kaum einen Unterschied mache, ob man von Genthin oder vom Berliner Ortsteil Köpenick aus mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Zentrum der Hauptstadt fährt.

„Für die Mieter ist es so, dass sie die kleinstädtische Ruhe vorfinden und mit dem Zug in einer Stunde wieder in Berlin sind. Entweder zum Ausgehen, vor allem aber zum Arbeiten“, benennt auch Frank Müller die Pluspunkte, die Genthin zu bieten hat.

Die günstige Lage der Kanalstadt hebt auch Bürgermeister Matthias Günther (parteilos) hervor: „Genthin liegt im ‚Gravitationsdreieck‘ zwischen Magdeburg, Stendal und, in Richtung Brandenburg-Potsdam, der Hauptstadt Berlin.“ Die wohl höchste „Gravitationskraft“ komme seiner Meinung nach aus Richtung Berlin, Potsdam und Brandenburg an der Havel.

„Berlin und Potsdam sind stark wachsend, gute Wohnungen sind knapp und teuer. Daher ziehen viele Menschen ins Umland; besonders gerne auch entlang der Bahntrassen“, geht er auf die Entwicklung ein, die auch das Statistische Bundesamt bestätigt.

Er meint jedoch: „Von Berlin in Richtung Genthin macht der Trend aktuell in Brandenburg an der Havel einen Stopp.“ Denn zwar sei die gute Zugverbindung ein Vorteil, ist man doch als Pendler innerhalb einer Stunde in Berlin. Zugleich benennt Matthias Günther diesbezüglich einen Nachteil: „Die Bundeslandgrenze sowie auch die Tarifgrenzen der Bahn (Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg und Marego) sind Ursache, dass noch verhältnismäßig wenige Menschen bis nach Genthin vordringen.“ 45 Euro koste eine normale Hin- und Rückfahrt.

Das kritisiert auch Frank Müller: „Um Genthin wirklich attraktiv zu machen, müsste an einem vernünftigen Bahntarif gearbeitet werden. Derzeit ist das Bahnfahren von Genthin nach Berlin aufgrund der Tarifzonen mehrerer Verkehrsbetriebe zu teuer.“ Die Landesbarrieren abzubauen und die Bahnkosten zu reduzieren wären deshalb Maßnahmen, die beide begrüßen würden.

Neben der Bahnverbindung bestehen mit der Bundesstraße 1 und der Bundesautobahn 2 auch gute Verkehrsanbindungen für Autofahrer in Richtung Berlin. Matthias Günther erwähnt als weitere Vorteile der Kanalstadt „gute Luft, Kitas und Schulen sowie geringe Kriminalität“. Ebenso Frank Müller, der zudem auf Freizeitangebote wie Kino, Schwimmhalle, Bibliothek und Museum eingeht.

Die Stadt habe also durchaus Chancen, dass sich mehr Menschen aus Berlin für sie interessieren könnten. „Vorausgesetzt, Genthin steigert seine kulturelle Attraktivität, kann sich auch wirtschaftlich stärken und die große Politik unterstützt und stärkt den ländlichen Raum“, so Matthias Günther.

Auch Frank Müller plädiert dafür, dass Genthin seine „Chance nicht verpassen“ sollte, ergänzt jedoch: „Daraus kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass man eine gezielte Werbekampagne für das Jerichower Land in Berlin machen kann. Das würde dort aufgrund der unzähligen Angebote einfach untergehen.“

Seiner Meinung nach wäre es sinnvoll, die bestehende Infrastruktur zu halten und auszubauen, aber auch für eine gute medizinische Versorgung zu sorgen und das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln attraktiv und erschwinglich zu machen.