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Vogelkunde Von den Lieblingstieren gelernt

Wir können viel von Vögeln lernen, meint Ernst Paul Dörfler in seinem Buch "Nestwärme", dass er auch in Genthin vorstellt.

Von Daniela Apel 12.03.2019, 00:01

Zerbst l „Bei meiner Recherche ahnte ich noch gar nicht, was wir alles von den Vögeln lernen können“, gesteht Ernst Paul Dörfler. Gut zwei Jahre arbeitete er intensiv an „Nestwärme“. Noch druckfrisch ist das nunmehr 13. Buch, das der Vogelfan als Autor veröffentlicht hat. Es ist die augenzwinkernde Aufforderung, das eigene Leben hin und wieder aus einer neuen Perspektive zu betrachten und seine Gewohnheiten zu ändern.

„Wenn wir das gesunde Maß für uns finden, geht es allen besser“, formuliert es der gebürtige Kemberger. Ihm liegt es am Herzen, auf unterhaltsame Weise Naturwissen zu vermitteln und ökologische Zusammenhänge aufzuzeigen. Er möchte das Umweltbewusstsein der Menschen wecken und das geschieht am besten, wenn diese eine Beziehung zur Natur entwickeln.

Genau an der Stelle kommen die Lieblingstiere Dörflers ins Spiel: die Vögel. Schon mehrfach hat er sich mit den gefiederten Gesellen beschäftigt, mit ihrer Liebeslust und ihrem Ehefrust, ihrer Speisekarte und den Tischsitten... „Aber ich wollte noch tiefer in das Leben der Vögel eintauchen.

 Ich wollte reinschauen, was in ihnen vorgeht, eben ihre Gefühlswelt erkunden. Das finde ich spannend“, erklärt der 68-Jährige lächelnd. Fasziniert erzählt er, dass im Körper von Meisen & Co. während der Brutsaison das Kuschelhormon Oxytocin verstärkt ausgeschüttet wird, das auch beim Menschen für die Stärkung sozialer Bindungen sorgt. Und wenn es um die Werbung der Männchen um die Weibchen geht, spielt auch bei den Vögeln Testosteron eine wesentliche Rolle.

Lässt sich aufgrund der gleichen Hormone auf ähnliche Gefühle schließen? Die Frage stellt sich Ernst Paul Dörfler genauso wie jene, wovon Hühner und Tauben wohl träumen. Dass sie träumen, sei inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen, berichtet er von einem weiteren beeindruckenden Fakt, den die Recherchen zu seinem aktuellen Buch ergaben.

„Vögel haben die selben Schlafphasen wie wir Menschen“, erklärt der promovierte Ökochemiker. Auch wenn es im ersten Moment nicht den Anschein hat, „stehen wir den Vögeln näher als wir denken“, weiß der Wahl-Steckbyer.Zugleich gibt es einiges, was sich der Mensch von den gefiederten Gesellen abschauen kann, die keine Schlafstörungen, Übergewicht oder Rückenprobleme kennen.

„Diese Krankheiten haben Vögel nicht“, weist Dörfler auf die natürliche Lebensweise der Vögel hin – mit viel Bewegung an der frischen Luft, einem ausgewogenen Verhältnis von Anspannung und Entspannung sowie gesunder Ernährung statt Fertiggerichten, Dauerstress und stundenlangem Sitzen vorm Computer. Dies alles führt beim Menschen zu negativen Belastungen für Körper und Geist. Nicht nur, dass der Mensch in der Leistungsgesellschaft mit Schlaf geizt. „Wir verlagern unsere Aktivitäten in die Nacht“, nennt Dörfler ein weiteres Beispiel, das sich unvorteilhaft auswirkt.

Der Bio-Rhythmus der Vögel hingegen „tickt wie eh und jäh“, drückt es der Naturschützer aus. Dabei streitet er nicht ab, dass auch Spatzen, Amseln und all die anderen gefiederten Bewohner in Dörfern und Städten vom künstlichen Licht in ihrem Tagesablauf beeinflusst werden. Ausnahmen gibt es ebenfalls hinsichtlich der Ernährung, die bei Vögeln grundsätzlich immer erntefrisch ist .

Von aasfressenden Geiern also mal abgesehen, handelt es sich um saisonale und regionale „Produkte“, die im Schnabel der Vögel landen. Ein durchaus vorbildhaftes Verhalten, wie Ernst Paul Dörfler findet. Er möchte Menschen motivieren, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen – der Natur zuliebe. „Umweltbewusstes Verhalten muss attraktiver sein“, betont er und meint günstiger. Nur das würde zu Veränderungen führen, von denen letztlich – unter anderem durch pestizidfreie Anbaumethoden – auch die Vögel profitieren würden.

Denn „innerhalb der letzten 30 Jahre hat ihr Bestand um die Hälfte abgenommen“, gibt der Ökologe zu bedenken. „Vögel sind Indikatoren für den Zustand unserer Umwelt“, sagt Dörfler und betont: „Es geht um nichts weniger als unsere Lebensgrundlagen.“ Um hier ein Umdenken zu erreichen, bedient er sich dem geheimen Leben der Vögel, das Überraschendes parat hält und sich von dem des Menschen weniger unterscheidet als vermutet.

Dörfler kann auf eine große Fangemeinde im Jerichower land bauen. So waren etwa seine Vorträge über das Liebesleben der Vögel bei den Landesliteraturtagen in Genthin oder im Preußenhaus Mützel sehr gut besucht. Im vergangenen Jahr war der Vogelexperte im Genthiner Volkspark zu Gast und referierte während einer Abendwanderung über das Familienleben der Nachtigallen.

Dabei machte er auf ein ernstes Thema aufmerksam: Die Population der Tiere geht immer weiter zurück. „Hauptursachen sind Pestizide und Herbizide, die in der Landwirtschaft verwendet werden und Insekten vernichten“, nannte Dörfler einen Grund. Dadurch fehle die Nahrungsgrundlage für Vögel. Er warb für ökologische Landwirtschaft, die aber auch von den Kunden unterstützt werden müsse. „Ökologische Erzeugnisse kosten ein paar Euro mehr, das geht nicht ganz billig.“