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  7. 60 Jahre DNC: Im "Generationenhaus" vereint

Von der Festsitzung des Deersheimer Narrenclubs, dem ältesten Karnevalsverein im Landkreis Harz. Von Mario Heinicke 60 Jahre DNC: Im "Generationenhaus" vereint

27.01.2012, 04:20

Der Deersheimer Narrenclub feierte am vergangenen Sonnabend seinen 60. Geburtstag. Damit ist er zugleich der älteste Karnevalsverein im Harzkreis. Alte Karnevalisten wurden aus dem Ruhestand zurückgeholt und viele Freunde eingeladen - für ein fünfstündiges Jubiläumsprogramm.

Deersheim l Scherben bringen Glück. Als beim Gratulationsempfang vor dem Programm ein Tablett mit vollen Sektgläsern auf die spätere Tanzfläche krachte, nahm man\'s mit Humor. Die Aufregung war allen anzumerken, die Aufregung vor etwas Großem, Ungewohnten.

Denn erst vor wenigen Monaten musste sich der Deersheimer Narrenclub (DNC) quasi neu finden, standen die Jubiläumsfeierlichkeiten gar infrage. Doch schon der großartige Festumzug zum 11.11. zeigte, dass der Verein diesen Generationswechsel mit Hilfe seiner Ur-Mitglieder geschafft hat. Tobias Sallie, der neue Vereinspräsident, nannte den Verein deshalb ein "Generationenhaus". Er und Diemo Huth, die sich das Amt des Sitzungspräsidenten teilten, nahmen stellvertretend für ihre Mitstreiter die Glückwünsche der Politiker, Sponsoren und Fans entgegen.

Derweil schwitzte an der Seite von Jaqueline Wolff Karnevalsprinz Ingolf Meerbote tapfer in seiner Uniform, die er sich extra bei Sylvia Mutschall in Rhoden hat schneidern lassen. "Beim Umzug im Winter ging es", sagte er. Doch nun in der aufgeheizten Edelhofhalle wurde es ihm sichtlich warm (ums Herz).

Bevor das Bühnenprogramm startete, nahm auch Ortsbürgermeister Wolfgang Englert das Mikrofon in die Hand. Als Frohnatur zeigt er sich seit einigen Jahren zum Karnevalsauftakt am 11.11., doch dem Narrenclub ist es bisher nicht gelungen, ihn in die Bütt zu holen. Lieber hält er seine Rede im November auf der Edelhoftreppe. Für die nächste Saison, so kündigte er an, "habe ich schon manches Material zusammen. Vielleicht lasse ich mich als Ex-Mitglied der Kita von meiner Frau in Strampler und Schnuller vorfahren", sagte er angesichts von städtischen Überlegungen, die Deersheimer Kindertagesstätte zu schließen. "Das wird ein heißes Jahr."

Erstmal wurde es aber am Sonnabend ein heißer Abend, der zunächst die junge und ganz junge Prinzengarde zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne tanzen sah.

Das mit 36 Jahren dienstälteste Deersheimer Karnevalsensemble, die "Fallstein-Krähen", stand gleich zweimal auf der Bühne. Vom singenden Quartett konnten aber nur Siegfried Sallie und Lothar Kuß dabei sein. Dass sie wenigstens zu dritt auftreten konnten, hatten sie Mario Dickehut aus Wasserleben zu verdanken, der mit seiner Gitarre einsprang. "Die Krähe fliegt auch gut", sagte Siegfried Sallie über seinen neuen Kollegen, bevor ein eigens zum Vereinsjubiläum von Günter Schwetjer und Günter Krautwein getextetes Lied erklang.

Lob für Nachwuchsarbeit

Dass der DNC mit seinen 75 Mitgliedern und 100 Programm-Mitwirkenden seine internen Probleme so gut gemeistert hat, ist auch seiner langjährigen Nachwuchsarbeit zu verdanken. "Hut ab, da kommt was nach bei euch in Deersheim", zollte Dirk Vater dafür Respekt. Er besuchte die Veranstaltung als Vorstandsmitglied des Karnevalsverbandes Sachsen-Anhalt, in dem Deersheims Narrenclub zu den ältesten Mitgliedern gehört. Vater überreichte dem DNC das Ehrenkreuz des Landesverbandes.

Dem Nachwuchs wurde in dieser eigens zusammengestellten Jubiläumsveranstaltung viel Platz eingeräumt. Mutig standen die Jungs der Tanzgruppe "Die Wilden" auf der Bühne, Lea Wächter und Robert Heine witzelten selbstbewusst in der Bütt, und die beiden "Tanzmariechen" Antonia Wächter und Julia Andrejewa tanzten gar nur zu zweit auf der riesigen Fläche.

Zahlreiche Karnevalsvereine hatten sich die Deersheimer zum Fest eingeladen. Sie kamen aus Bühne-Rimbeck, Rhoden, Hessen, Osterwieck, Anderbeck und Wegeleben. Einige Vereine brachten sogar Programmbeiträge mit. Dazu gehörte das Rhodener Männerballett, das seinen bereits preisgekrönten Auftritt eines Wettbewerbs wiederholte. Aus Osterwieck stellte sich Büttenredner Holger Greulich vors Publikum. Für ihn eigentlich ein Heimspiel. Zwar als "der Sachse" weithin bekannt, ging er seine ersten Karnevalsschritte im Vorharz aber in Deersheim, woher seine Frau stammt.

"Ruhe hier", hallte es plötzlich, aber nicht unerwartet durch die Edelhofhalle, als Karneval-Ruheständler Karl-Heinz Kramer die Bühnenbretter betrat. Der Badersleber ist Ehrenmitglied des Deersheimer Vereins, stand vor 49 Jahren hier erstmals in der Bütt und machte sich durch seinen "Ruhe hier"-Ruf unvergessen.

Unvergessen machte sich Ehrenmitglied Walter Hirschelmann mit seiner Büttenrede, in der er die sechs Jahrzehnte voller Namen und Anekdoten in gereimter Form Revue passieren ließ. Und dazu für jede Episode mit einer zeitgenössischen Kopfbedeckung. Er war von 1967 bis 2004 Büttenredner und wurde wie Karl-Heinz Kramer und zu späterer Stunde Ehrenmitglied Rosemarie Peschel für dieses eine Mal noch reaktiviert.

Hirschelmann, einmal im Redefluss, nahm dabei auch die Ehrengäste aus der Lokalpolitik aufs Korn. "Wenn ich Dracula wäre", so stellte er sich vor, wie das Blut des Landrates Dr. Michael Ermrich wohl schmecken würde. "Nach Amtsallerlei, Halberstädter Würstchen und Hasseröder Blütentee." Das Blut von Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ, so befürchtete er, wäre "etwas dünn geraten", weil darin sicher viel Regenwasser ist. Sogar das gerade erst in Osterwieck wortgeschöpfte "Kita-Schließungs-Wachrüttelpapier" fand Eingang in Hirschelmanns Rede.

Starke Tanzgruppen

Die Tanzgruppen im Deersheimer Karnevalsprogramm sind eine Klasse für sich. Von den Kindern über die Aue-Fuzzis bis zur Tanzgruppe Bille, der ältesten im Verein. Leiterinnen wie Sibylle Heine, Caroline Busse, Sabine Scheffler, Silke Linzmeier, Kathrin Wächter, Doreen Mehlhorn, Heidi Wytek, Steffi Lüttgau oder Anika Sallie gehen dabei offensichtlich die Ideen nicht aus.

Manch Tanzgruppe trainiert sich aber auch selbst, wie die Deersen Dörp Dancers, in der drei Generationen vom Enkel bis zum Opa auf der Bühne stehen und viel fürs Auge bieten, diesmal aus "Tabaluga".

Zum Ende des Programms wurde fast der halbe Saal auf die Bühne gebeten. Der Narrenclub hatte nämlich alle Prinzenpaare aus sechs Jahrzehnten eingeladen. Mehreren verdienten Karnevalisten und Organisatoren wurde während der Veranstaltung noch gesondert Danke gesagt. So wurde Christine Hofmeister, als "guter Geist" geehrt, Erika Blume, Ursula und Wolfgang Kuß.

Als zu Mitternacht alle Programmteilnehmer ihren eigens gefertigten Karnevalsorden erhalten hatten, war noch lange nicht Schluss. Noch weitere vier Stunden feierten die Deersheimer und ihre Gäste in der Edelhofhalle.