1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Kein Zuschlag beim Stollen

Altlasten Kein Zuschlag beim Stollen

Die Stollenanlage in den Thekenbergen in Halberstadt stand erneut zur Zwangsversteigerung. Einen neuen Besitzer gibt es indes wieder nicht.

Von Sabine Scholz 27.09.2017, 06:00

Halberstadt l Dienstag, 9.59 Uhr. Rechtspflegerin Andrea Schütz tritt vor die Tür des Verhandlungssaals 104 des Amtsgerichts Halberstadt und ruft den Tagesordnungspunkt auf. Falls ein Interessent versäumt hat, einzutreten. Aber an diesem Morgen ist das öffentliche Interesse gering. Anders als vor zwei Wochen, als das riesige Areal der Untertageanlage zur Versteigerung stand. Gestern früh blieben die Sitzreihen leer. Nur Rechtspflegerin Schütz und Kurt Wende von der Stadtverwaltung Halberstadt hatten an ihren Tischen Platz genommen, um die Entscheidung zum Zuschlag zu verkünden.

Dass der Zuschlag nicht gleich an den Meistbietenden erteilt worden war, hat seine Ursache darin, dass es sich bei dem Areal nicht einfach nur um Wald- und Wiesengrundstücke handelt, sondern um ein historisch sensibles Gelände. Deshalb hatte die Stadtverwaltung noch im Zuge der Versteigerung die rechtlich mögliche Aussetzung der Zuschlagserteilung für 14 Tage beantragt. Gestern nun die Entscheidung: der Zuschlag wird nicht erteilt.

Dabei hatte die Versteigerung das Mindestgebot von 210.000 Euro deutlich übertroffen. Letztlich waren von Ricardo Henkelmann im Auftrag der St&UM GmbH aus Oststeinbek bei Hamburg 355.000 Euro geboten worden. Er hatte im Auftrag desselben Unternehmens auch für die zwei direkt im Anschluss versteigerten „gefangenen“, also mittendrin liegenden und über keine eigenen Zufahrtsmöglichkeiten verfügenden Grundstücke, die geforderten 16.800 Euro geboten. Diese Grundstücke gehören zwar zum Gesamtareal, aber einem anderen, ebenfalls insolventen Eigentümer. Weshalb ein eigenes Zwangsversteigerungsverfahren notwendig war.

Hauptgläubigerin und Betreiberin des Verfahrens ist die Stadt Halberstadt. Die will auf diese Art Außenstände eintreiben. Auf Nachfrage nannte die Stadt keine konkreten Zahlen, „weil es sich um ein Steuerschuldverhältnis handelt und dadurch ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt werden würde“, wie es in der Antwort aus der Verwaltung heißt. Im Zuge der Versteigerung aber waren Summen von über 28.000 Euro genannt worden.

Die Grundstücke sind Insolvenzmasse. Für beide Alteigentümer, Dr. Stefan Triebler für die Untertageanlage, und bei den zwei kleineren Flächen Guido Schneider, handeln Anwälte. Zum einen Dr. André Löffler, zum anderen Manuel Sack.

Dass die Stadt den Zuschlag verweigerte, begründete die Verwaltung auf Nachfrage damit, dass der der Stadt bislang unbekannte Bieter im Vorfeld keinen Kontakt zur Stadtverwaltung gesucht habe, um Ideen möglicher Vorhaben vorzustellen. „Dies erhärtete die Vermutung, dass kein tragfähiges Konzept vorliegt“, teilte Stadtsprecherin Ute Huch mit.

Das Zwangsversteigerungsverfahren ist einstweilig eingestellt und ruht für sechs Monate, kann aber innerhalb dieser sechs Monate wieder aufgenommen werden.

Was nicht zwingend passieren muss, weil es, so bestätigte die Stadt, einen Bewerber gebe, der bereits mit der Stadt im Gespräch sei. Dieser werde ein Konzept einreichen, das die Stadt prüfen wolle. Wichtig sei der Stadt, betont Ute Huch in ihrer Antwort, dass die Sensibilität des Areals beachtet werde.

Gehört doch der unter unmenschlichen Bedingungen von den im KZ Langenstein-Zwieberge inhaftierten Männern in den Berg getriebene historische Stollen, der heute in einem sehr kleinen Abschnitt als Gedenkort dient, zum Gelände. Ziel der Stadt sei es, „einen seriösen Investor, der die Liegenschaft im Sinne der örtlichen Gegebenheiten und Historie bewirtschaftet, zu finden“.

Selbst erwerben will die Stadt das Areal nicht – wegen der „nicht kalkulierbaren Folgekosten und Risiken dieser Liegenschaft“. Immerhin sei das Gelände Bergschadengebiet und die Luft im Stollen mit radioaktivem Radon belastet.

Und die Kosten für die Zwangsversteigerungen? Immerhin war es nicht die erste für das rund 900.000 Quadratmeter große Gelände. „Kommunen sind bei Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich von Gerichtsgebühren befreit. Verfahrenskosten werden bei Beendigung des Verfahrens aus dem Erlös bestritten“, teilte Stadtsprecherin Huch mit.