1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Aufatmen nach dem großen Ansturm

Asyl Aufatmen nach dem großen Ansturm

Ein Jahr nach dem Flüchtlingsansturm schließt das Land drei Harzer Außenstellen der Halberstädter Zentralen Anlaufstelle (ZASt).

Von Dennis Lotzmann 02.08.2016, 11:00

Halberstadt l Die „Lawine" ist Geschichte. Zwar ist diese Vokabel im Zusammenhang mit dem extremen Zustrom von Asylsuchenden und Flüchtlingen im Sommer 2015 umstritten. Letztlich jedoch trifft diese Begrifflichkeit die Realitäten in den heißen Sommermonaten Juli und August und während der restlichen Monate des Jahres 2015 wohl am besten. Die Zahl der Flüchtlinge erreichte ungeahnte Ausmaße, brachte Behörden an Grenzen und überrollte sie zuweilen. Was Zahlen des Innenministeriums belegen: Rund 41 400 Flüchtlinge kamen 2015 ins Land – 34 500 wurden aufgenommen und versorgt. Der Rest? Schwund.

Seit dem Schließen der Grenzen entlang der Balkanroute bis zum Frühjahr 2016 ist die Zahl der Flüchtlinge stark zurückgegangen. Zugleich greifen die mit der Türkei verabredeten Verfahren. Konsequenz vor Ort: Während in den „heißen" Monaten Oktober und November 2015 noch rund 10 000 Menschen zur Zentralen Anlaufstelle (ZASt) in Halberstadt strömten, werden dort gegenwärtig zwischen 400 und 500 Zugänge pro Monat registriert. „Die Zahl schwankt zwischen 574 im März und 396 im Juni", erklärt Christa Dieckmann, zuständige Abteilungsleiterin für Migrationsfragen im Magdeburger Innenministerium.

Der aktuelle Rückgang lässt die Verantwortlichen nicht nur aufatmen. Er schafft auch Spielraum, um einige Außenstellen, die im vorigen Jahr eilends zur Entlastung der ZASt angemietet und aufgebaut worden sind, wieder zu schließen. So hat Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) schon vor Wochen angekündigt, die im Herbst 2015 in der früheren Gartenbau-Fachschule in der Quedlinburger Wipertistraße eingerichtete Ausweichunterkunft im kommenden Monat zu schließen. Aktuell sind dort von 250 eingerichteten Plätzen nur noch rund 100 belegt. Dank der rückläufigen Zugänge kann Stahlknecht sein vor Jahresfrist gegebenes Versprechen, die Immobilie nur etwa ein Jahr zu nutzen, einhalten.

Analoges gilt nach Christa Dieckmanns Worten für die ZASt-Ausweichstellen im Reiterhof Pansfelde (Stadt Falkenstein/Harz) und an den Gegensteinen in Ballenstedt. Der Mietvertrag für ein Hotel im Thalenser Ortsteil Wendefurth sei bereits vor längerer Zeit gekündigt worden. Die übrigen ZASt-Außenstellen im Harz blieben derweil noch längere Zeit in Nutzung, so die Abteilungsleiterin.

So liefen die Mietverträge für die Objekte im Ferienpark Almsfeld und in der Straße der Opfer des Faschismus in Halberstadt noch bis Mai und September 2017. Für den ehemaligen Praktiker-Markt in Halberstadt, in dem aktuell rund 200 der 340 Plätze belegt seien, laufe der Kontrakt noch bis Oktober 2020. „Die Verträge laufen entsprechend – wenn sie kündigungsreif werden, schauen wir, ob und welchen Bedarf es dann gibt" , so die Abteilungsleiterin.

In der ZASt-Hauptstelle in der Friedrich-List-Straße in Halberstadt ist die Zeit von Notlösungen und Zeltcamps seit Jahresende 2015 Geschichte. Kurz vor dem Weihnachtsfest gingen Unterkünfte in Holzhäusern und Containern in Betrieb. Im Herbst 2015 hatte das Land erhebliche Mittel investiert, um für die Flüchtlinge eilends wintertaugliche Quartiere zu errichten.

Die Gesamtkapazität in der ZASt gibt Christa Dieckmann mit rund 1800 Plätzen brutto an – belegt seien aktuell rund 1350. „Letztlich muss man von der Maximalzahl immer rund 20 Prozent abziehen, weil einige Plätze wegen Reparaturen oder ethnischen und religiösen Fragen nicht belegt werden sollten", erklärt die Abteilungsleiterin im Innenministerium.

Die Frage der persönlichen Erfassung und Identitätsklärung habe sich – auch dank der rückläufigen Zugangszahlen – gegenüber 2015 verbessert. Gleichwohl sei man trotz der beschleunigten Verfahren „noch nicht am angepeilten Ziel". Auch, weil oft Papiere fehlen oder unvollständig seien.

In der Praxis würden die Antragsteller heute vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) je nach Herkunft in Cluster eingeteilt. Zur Klasse A gehören Länder mit hoher Anerkennungsquote wie Syrien. In Kategorie B fallen sichere Herkunftsländer wie die Balkanstaaten. „In diesen beiden Klassen haben wir in aller Regel schnelle Entscheidungen – sowohl hinsichtlich der Anerkennung als auch der Ablehnung und Abschiebung", so Christa Dieckmann.

Syrer müssten aktuell im Schnitt rund zwei Monate in der ZASt warten und würden dann landesweit auf Städte und Gemeinden aufgeteilt, um dort langfristig integriert zu werden. Seit diesem Jahr auch auf Kommunen im Harz.

Schwierige Anerkennungsfälle fallen ins BAMF-Cluster C. Flüchtlinge, die über sichere Drittstaaten nach Deutschland eingereist sind, werden im Cluster D bearbeitet. Ihnen droht nach der Dublin-Regelung die Rück-Abschiebung in diese sicheren Herkunftsländer. Und: Da Antragsteller ohne Bleibeperspektive nicht mehr auf Kommunen im Land verteilt werden, bleiben sie auf Monate in der ZASt hängen.