Ausstellungen Aufklärung mal anders

In der Ausstellung „Große Freiheit - liebe.lust.leben“ wird jetzt in Halberstadt über sexuell übertragbare Krankheiten aufgeklärt

Von Sandra Reulecke 06.09.2017, 07:00

Halberstadt l Über Sex wurde doch nun schon wirklich alles gesagt und geschrieben, oder? „Das sollte man meinen. Aber in unserer Arbeit erleben wird das Gegenteil“, berichtet Tanja Marton. Gerade wenn es um die Schattenseiten des Liebesspiels geht, nämlich um sexuell übertragbare Krankheiten (STI), seien in allen Generationen Wissenslücken vorhanden.

Diese zu füllen haben sich Tanja Marton und ihre Mitstreiter zur Aufgabe gemacht. Sie touren mit der mobilen Ausstellung „Große Freiheit – liebe.lust.leben“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durch Deutschland. Noch bis einschließlich zum Sonnabend, 9. September, ist die Schau auf dem Fischmarkt in Halberstadt zu sehen.

Die Gestaltung der Ausstellung überrascht: Statt schnöder Theorie und dem symbolischen, erhobenen Zeigefinger erwarten die Besucher leuchtende Farben, ein stöhnendes Schlagzeug und viele Möglichkeiten, auf interaktive Entdeckungstour zu gehen. „Hierbei ist uns vor allem die humorvolle, offene, aber trotzdem informative Vermittlung von Wissen über STI wichtig“, betont Tanja Marton.

Dass Aufklärung, auch die der Erwachsenen, notwendig ist, belegen Studien der BZgA: Während die Bevölkerung gut über HIV informiert ist, haben nur 14 Prozent der Befragten von der häufig vorkommenden Chlamydien-Infektion gehört, die im schlimmsten Fall zu Unfruchtbarkeit führen kann. Trichomoniasis kennt nur noch ein Prozent der Studienteilnehmer. Dabei zählt die durch parasitäre Einzeller ausgelöste, sexuell übertragbare Erkrankung weltweit zu den am verbreitesten.

In der Ausstellung erfahren die Besucher, mit welchen Symptomen sich STI äußern, wie sie erkannt und behandelt werden, in welchen Ländern sie wie häufig vorkommen und vor allem, wie man sich davor schützt. Mit Lernen wie im Unterricht hat das in der Ausstellung jedoch nichts zu tun. Vielmehr ist es eine spielerische Entdeckungsreise, die für unterschiedlich Altergruppen und Wissensstände geeignet ist, informiert Tanja Marton.

Den roten Faden durch die Erlebnisausstellung bilden acht fiktive Protagonisten – Männer und Frauen, Hetero- und Homosexuelle – mit verschiedenen Lebens-, Liebes- und Leidensgeschichten. Die einzelnen Räume geben Einblick in das Leben der Personen, vom verliebten Teeny bis hin zur erfahrenen Frauenärztin.

Auch eine Halberstädterin findet sich unter den Protagonisten: Katharina, 18 Jahre alt, ist Studentin an der Hochschule Harz. Während eines amourösen Abenteuers auf dem Festival „Rocken am Brocken“ hat sie eine unangenehme Erinnerung erhalten. Eine Pilzinfektion.

Erdacht wurde die Person von Vertretern der Berufsbildenden Schulen „J.P.C. Heinrich Mette“ Quedlinburg. „Es ist uns wichtig, mit lokalen Vertretern zusammenzuarbeiten“, sagt Tanja Marton. So wird das 14-köpfige Teams der Ausstellung von Mitarbeitern und Ehrenamtlern lokaler Beratungs- und Fachstellen wie der AIDS-Hilfe Sachsen-Anhalt Nord in Halberstadt unterstützt.

Das gilt insbesondere für die geschlechtsspezifischen Aufklärungsräumen „Scheideweg“ und „Spritztour“. Dort erhalten die Besucher Gelegenheit für diskrete Beratungs- und Aufklärungsgespräche. „Dort können Fragen gestellt werden, die sich viele sonst nicht trauen würden, sie zu stellen“, berichtet Ausstellungsmitarbeiter Victor Ugorets (29). „Die Gespräche sind intensive, gute Erfahrungen.“

40 Gruppen, rund 830 Personen, haben sich bereits für eine Führung durch die umgebauten Überseecontainer und das aufblasbare Zelt angemeldet. „Vorrangig sind es Schüler, aber auch eine Gruppe vom Gesundheitsamt kommt“, berichtet Tanja Marton. Und wer ist neugieriger, Jugendliche oder Erwachsene? „Offen neugierig sind mehr die jungen Leute. Die Erwachsenen sind es eher mehr heimlich“, verrät die Ausstellungsmitarbeiterin augenzwinkernd. Für Erstaunen und Erkenntnisse sorge die Schau in jedem Fall. Und für gute Laune – wohl niemand kann an dem stöhnenden Schlagzeug und der „Kondomschule“ vorbeigehen, ohne zu lachen.