Solaranlage Bedrohtes Refugium bei Schwanebeck
Im Landschaftsschutzgebiet Huy soll bei Schwanebeck eine Solaranlage entstehen. Naturschützer fürchten um seltene Vögel und Pflanzen.
Halberstadt/Schwanebeck l Alarm schlagen Dr. Bernd Nicolai und Dr. Uwe Wegener. Die Naturschutzbeauftragten des Landkreises Harz informieren über Pläne, dass zwischen Schwanebeck und dem Huy eine riesige Solaranlage entstehen soll. Die Konflikte könnten nicht größer sein, nach ihren Worten.
Die 66 Hektar umfassende Solaranlage soll im Landschaftsschutzgebiet Huy, angrenzend an ein besonders streng geschütztes sogenanntes FFH-Gebiet am Huy (Europäische Schutzgebiete für Natur und Landschaft), errichtet werden.
Die Dimension sei einfach erschlagend, so die beiden Naturschutzbeauftragten. „Die Anlage wäre so groß wie etwa 66 Fußballfelder“, sagt Bernd Nicolai. Das wäre im Landkreis Harz beispiellos. „Wir wollen nicht die Energieproblematik infrage stellen, sondern die Vernichtung eines wichtigen Schutzgebietes verhindern“, betonen Nicolai und Wegener.
„Wir machen uns große Sorgen. Der Bau dieser Anlage wäre ein nicht wieder gut zu machender Eingriff in die Natur. Die Schäden an seltenen und streng geschützten Pflanzen und Vögeln wären katastrophal“, warnen Bernd Nicolai und Uwe Wegener. Auf dem Areal befänden sich Waldreste, Hecken, Trockenrasen und alte Obstbaumwiesen. Was auf den ersten Blick nicht weiter spektakulär aussehen würde, wäre ein kostbarer Naturraum, der nicht zerstört werden darf.
„Dort sind Vögel, wie zum Beispiel die Heidelärche, der Neuntöter, der Wendehals und die Turteltaube, der Vogel des Jahres 2020, beheimatet“, informiert Bernd Nicolai, der einstige Chef des Vogelkundemuseums Heineanum in Halberstadt.
Uwe Wegener, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter des Nationalparks Harz, ergänzt: „Wer den Enzian sehen will, muss nicht unbedingt in die Alpen fahren. Der wächst auch in unserem Landkreis. Zum Beispiel auf der Fläche, auf der der Solarpark entstehen soll.“ Außerdem kämen dort seltene Trockenrasen-Orchideen und Ackerwildkräuter vor.
Nach Informationen der Naturschutzbeauftragten ist das Land in Besitz eines in Niedersachsen ansässigen Bauern. „Der kann mit dem Land nichts anfangen und klatscht natürlich in die Hände, dass ein Investor dafür Geld ausgeben will“, so Bernd Nicolai. Es wäre ein Frevel an der Natur, wenn das Vorhaben umgesetzt werden würde. Bernd Nicolai und Uwe Wegener gehen jedoch davon aus, dass Umwelt- und Naturschutzverbände gegen den Bau der Solaranlage klagen, wenn die Untere Naturschutzbehörde dafür grünes Licht geben würde. Derzeit nimmt die Untere Naturschutzbehörde das Projekt unter die Lupe, so die Naturschutzbeauftragten.
Bernd Nicolai und Uwe Wegener machen darauf aufmerksam, dass es eine Fläche gebe, wo die Solaranlage ohne Probleme gebaut werden könnte. An der Stadtgrenze befände sich das Gelände, auf dem einst das Betonwerk stand. Dort wäre der Bau einer Solaranlage ohne Konflikt mit der Natur ohne weiteres möglich.
Ute Pesselt, Chefin der Verbandsgemeinde Vorharz (parteilos), zu der die Stadt Schwanebeck gehört, bestätigt, dass der Stadtrat den Bau der Solaranlage mehrheitlich beschlossen habe. „Ich persönlich teile die Bedenken der Naturschutzbeauftragten. Allerdings bin ich als Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde – das ist eben Demokratie – an die Beschlüsse unserer Mitgliedsgemeinden gebunden“, betont Ute Pesselt, die viele Jahre dem Umweltamt des Altkreises Halberstadt vorstand. Jetzt würde die Entscheidung auf dem Tisch der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Harz liegen.
Benno Liebner (CDU), Bürgermeister der Stadt Schwanebeck, berichtet, dass die Eigentümer der Flächen auf ihn drauf zu gekommen seien und nichts darüber gesagt hätten, dass das Areal unter Landschaftsschutz steht. Im Stadtrat habe es zwar eine Diskussion über den Beschluss gegeben, aber letztendlich sprach sich eine Mehrheit dafür aus. „Wir haben reichlich Brachflächen in und um unsere Stadt, wie zum Beispiel ehemalige Deponien. Die würden sich als Standort für Solaranlagen bestens empfehlen. Ich bin dagegen, dass Acker dafür genutzt wird“, betont der Bürgermeister. Letztendlich müsse jedoch die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises über das Vorhaben entscheiden, unterstreicht auch er.
Wie Manuel Slawig als Sprecher im Halberstädter Landratsamt am Mittwochnachmittag auf Volksstimme-Nachfrage mitteilte, ist der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) aus der Veröffentlichung im Amtsblatt der Verbandsgemeinde Vorharz bekannt, „dass die Stadt Schwanebeck die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Solarpark-Röderhöferweg und die Verbandsgemeinde Vorharz diesbezüglich die Änderung des Flächennutzungsplanes plant“.
Aufgrund der Lage der benötigten Flächen von circa 66 Hektar im Landschaftsschutzgebiet „Huy“, dem Vorhandensein von naturschutzfachlich besonders interessanten Flächenanteilen (gesetzlich geschützte Biotope) und von größeren Waldflächen habe daher die UNB Anfang Februar der Verbandsgemeinde empfohlen, sich in einem gemeinsamen Erörterungsgespräch über dieses Vorhaben fachlich vorab auszutauschen. Slawig: „Für das Gespräch gibt es noch keinen Termin.“