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Verein Lernstatt Wernigerode und Teutloff initiieren neues Projekt Bereits jetzt dringend gesucht – Nachwuchs für Harzer Gießereien

Von Ingmar Mehlhose 10.09.2011, 06:26

Der Verein Lernstatt Wernigerode hat gemeinsam mit dem Teutloff Bildungszentrum ein neues Projekt initiiert. In der Schülergießerei Harz sollen Jugendliche an den Traditionsberuf herangeführt werden. Bereits seit längerer Zeit plagen sich die regionalen Unternehmen aus dieser Branche mit Nachwuchssorgen.

Wernigerode. "Ich liebe diesen Beruf", sagt Frank Löffler. Schon deshalb ist es für den 69-Jährigen Ehrensache, sich für die Schülergießerei Harz zu engagieren. Der Wernigeröder hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt – gut 50 Jahre lang Erfahrungen als Handformer mit Facharbeiterabschluss und Diplom-Ingenieur für Gießereitechnik kann er vorweisen. Statt im einstigen Metallgusswerk (Megu), steht er nun vor sechs Jugendlichen in einer Lehrwerkstatt des Teutloff Bildungszentrums in der Wernigeröder Weinbergstraße.

"Bei Jugendlichen das Interesse für Technik wecken"

Marie Hartbrecht, Luca Palm, Fabian Wersig, Ali Rashid, Richie Pietsch und Marc Czieschelski lernen in der 9. Klasse der Sekundarschule "August Bebel" Blankenburg. Ihr erster Praxistag in der Harzer Schülergießerei beginnt mit Theorie. Nicht zu viel davon will Löffler vermitteln, denn es geht um möglichst umfassende praktische Einblicke in das Berufsbild Gießer.

"Wir wollen der Zielstellung unseres Vereins gerecht werden, bei Jugendlichen Interesse für Technik zu wecken", erläutert Ludwig Hoffmann das Anliegen des Projektes. Der stellvertretende Vorsitzende der Lernstatt Wernigerode sieht dafür in der Schülergießerei Harz eine reelle Chance. Hoffmann: "Teutloff unterstützt uns." Im eigentlichen Domizil an der Marktstraße "wäre die Umsetzung etwas schwierig geworden". Aus dem jetzt vollzogenen "Vorstart" soll sich eine längerfristig agierende Einrichtung entwickeln und daraus idealerweise sogar eine Schülerfirma hervorgehen.

"Die Idee ist nicht neu, sondern stammt von der Erfindermesse in Havelberg", berichtet Bernhard Duve. Der Teutloff-Projektkoordinator hat das Konzept für die Lernstatt entwickelt. Er weiß: "Wir haben bereits Nachwuchsprobleme im gesamten technischen Bereich, speziell aber bei Gießern." Die vor Ort tätigen Unternehmen konnten sich in den vergangenen Jahren zu modernen, hoch automatisierten Produzenten entwickeln. Aber, so Duve: "Nur noch unmittelbar Beteiligte haben einen Einblick." Diesem Informationsmangel soll durch die Schülergießerei begegnet werden. Mit Nemak und der KSM Castings (beide Wernigerode) sowie der Firma Hüttenes-Albertus Chemische Werke Hannover sind bereits drei namhafte Erzeuger materiell und finanziell mit im Boot. Unterstützend wirken zudem die Initiative "GET-IN Form" und regionale Netzwerke aus der Branche. Auch die Arbeitsagentur in Halberstadt "bringt uns ganz schön voran".

Zielgruppe sind laut Duve Mädchen und Jungen aus der Klassenstufe 9. Interessierte Jugendliche sollen in Gruppen von sechs bis maximal acht Teilnehmern das neue Angebot nutzen. Begonnen wird mit den Sekundarschulen "Thomas Müntzer" und "Burgbreite" aus Wernigerode sowie "August Bebel" Blankenburg. Einbezogen werden könnten im Laufe der nächsten Monate die Sekundarschulen "Goethe" Ilsenburg und "Bodfeld" Elbingerode, das Landschulheim "Grovesmühle" Veckenstedt sowie die beiden Wernigeröder Gymnasien "Stadtfeld" und "Gerhart Hauptmann".

Neben den Praxistagen sollen Projektwochen, Wahlpflichtkurse und Arbeitsgemeinschaften angeboten werden. Für jeden der potenziellen Jung-Gießer wird ein Eignungsprofil entwickelt und alle erfassten Ergebnisse dokumentiert. Sie finden ihre Berücksichtigung als Empfehlungen für weitere schulische und außerschulische Förderungen. Zum Abschluss, so der Koordinator im Volksstimme-Gespräch weiter, gibt es eine Bestätigung der Teilnahme. Darin werden die vermittelten Kenntnisse aufgeführt.

"Gefallen ja, aber als Beruf wäre mir das zu anstrengend"

Gegen Mittag kann Frank Löffler den eigens für die Schülergießerei gekauften Schmelzofen anheizen. Innerhalb weniger Minuten wird er auf 750 Grad Celsius erhitzt. "Das ist die gängige Temperatur für Aluminium", erklärt der Experte.

Dann ist er da, der Augenblick der Wahrheit. Löffler gießt die von den Schülern vorbereiteten Formen ab. Vorsichtig klopfen die Neuntklässler anschließend deren Inhalt aus. Silbrig glänzend gelangen kleine Stücke wie Täfelchen mit Inschrift und Flaschenöffner ans Tageslicht. Bei allen ist der erste Versuch gelungen.

Die Nachwuchs-Gießer sind sichtlich stolz auf sich, aber längst nicht überzeugt. Marie Hartbrecht zum Beispiel hat der Praxistag "gut gefallen". Sie würde allerdings lieber Köchin oder Modeverkäuferin lernen. Luca Palm sagt: "Das ist ein ganz anderes Gefühl, denn so etwas habe ich noch nie gemacht." Als Beruf käme das für ihn dennoch auf keinen Fall in Frage, denn "das wäre mir zu anstrengend".

Es dürfte also noch einiges an Überzeugungsarbeit erforderlich sein, Jugendliche für die Faszination des Gestaltens und des eigenständigen Produzierens zu begeistern, wie es die geistigen Väter der Schülergießerei Harz vorhaben. Sie wird übrigens am Donnerstag, dem 29. September, um 10 Uhr offiziell ihren Betrieb aufnehmen.