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Bürgerinitiativen Warnung vor Hochwasser-Demenz

In Sachen Hochwasserschutz werden Forderungen nach einer Kooperation zwischen Ost- und Westharz laut.

Von Dieter Kunze 10.01.2020, 02:00

Halberstadt/Wernigerode l Nach einer gemeinsamen Tagung zum Thema Hochwasser, Starkregen und Klimaschutz fordern die Hochwasserschutz-Bürgerinitiativen in Wernigerode und Harsleben, die Harzregion als gemeinsames Risikogebiet zu deklarieren. Das dritte Forum der beiden Partner bezog in der Hochschule Harz in Wernigerode zahlreiche Gewässerverantwortlichen des Landkreises Harz sowie weitere Fachleute mit ein.

„Bisher haben wir uns auf das Thema Hochwasser konzentriert und schon einiges an Zusammenarbeit im Landkreis erreicht“, sagte Matthias Blessinger vom Umweltamt der Kreisverwaltung Harz. Er hob die beiden Bürgerinitiativen Hochwasserschutz aus Harsleben mit Bürgermeisterin Christel Bischoff (parteilos) und aus Wemigerode mit Juliane Beese hervor.

Die Dimensionen und Herausforderungen würden künftig durch den Klimawandel und Starkregen zunehmen. „Es gab die einhellige Stimmung, dass wir mehr und vor allem gemeinsam, auch mit dem Westharz tun müssen“, betonte Blessinger.

„Die vermittelten Erfahrungen von Bürgermeister Memmert aus dem niedersächsischen Schladen haben uns einiges verdeutlich“, berichtete Christel Bischoff. „Wir dürfen keine Hochwasser-Demenz bekommen“, fordert sie.

Auch Juliane Beese stellt fest: „Den zündendsten Beitrag verdanken wir Bürgermeister Memmert, der seit 25 Jahren im Westharz sehr erfolgreich Hochwasserschutz praktiziert und zwar in Kooperation mit den einschlägigen Kommunen, den Gewässer-Unterhaltungsverbänden und anderen.“ Als überzeugender lmpulsgeber weckte er großes Interesse gerade an dieser interdisziplinären Zusammenarbeit. Im Bereich der Oker habe man beste Erfahrungen mit Rückstaubecken, der Schaffung von Auwäldern und der Renaturierung von Fluss-Auen.

„Bei uns gibt es noch zu viele unterschiedliche Zuständigkeiten in Sachen Gefahrenabwehr“, stellte Juliane Beese fest. Die Bürgerinitiativen müssten mitgenommen werden und sich nicht, wie im Selketal, gegenseitig behindern.

Während der Tagung wurde von einem Experten der Forstlichen Versuchsanstalt Göttingen deutlich gemacht, dass Hitze und Dürre den Harzwäldern so zusetzen, dass sich die Puffermöglichkeiten bei Starkregen spürbar verringern. Die Aufforstung mit angepassten Bäumen müsse eine zentrale Forderung an Land und Bund werden. „Die umgehende und flächendeckende Wiederaufforstung ist der beste Schutz gegen Klimaschäden, Bodenerosion und Absinken des Grundwasserspiegels“, sagte Dr. Bernd Ahrends.

Christel Bischoff bedauert, dass zu besagter dritten Tagung der Hochwasserallianz Harz die angekündigten Vertreter des Umweltministeriums Sachsen-Anhalts kurzfristig abgesagt hätten. „Die Landeshaushalte werden sich ändern müssen.“ Das hätten die Erfahrungen in Niedersachsen gezeigt. Dort habe schon nach dem Überlaufen der Okertalsperre im Jahr 1994 ein Umdenken eingesetzt. Bei der Rappbodetalsperre habe es damals Veränderungen in der Betriebsregie gegeben. Wie nötig eine regionale Zusammenarbeit sei, machte Matthias Blessinger deutlich. „Rückhaltebecken können kaum auf dem Gebiet einer betroffenen Gemeinde angelegt werden.“

Bisher seien die Unterhaltungsverbände nur für die Pflege von Gewässern zweiter Ordnung zuständig. Auf Antrag von Harsleben soll dies per Satzung auf Bauvorhaben erweitert worden – „ein gewaltiger Erfolg“, wie Blessinger betonte. Zudem wurden praktische Hilfen des Technischen Hilfswerks (THW) vorgestellt. Dessen Fachleute könnten Wasserwehren nach ihren bundesweiten Erkenntnissen schulen.

Zu den praktischen Ergebnissen gehört die Hochwasserwarn-App, die mit Unterstützung der Hochschule Harz entwickelt werden soll. Inzwischen gebe es am Goldbach beim Pfeiffenkrug eine automatische Pegelmessung, deren Stand jederzeit per Internet abgerufen werden könne.

Die beiden Bürgerinitiativen übergaben der Kreisverwaltung Harz zehn konkrete Forderungen für das Risikogebiet Harz. Die dafür gebildete Allianz müsse zu einem gemeinsamen Masterplan gegen Klimaerwärmung und für besseren Hochwasserschutz ausgebaut werden. Konkrete Planungen sollten nach der in Kürze beim Land vorliegenden Analyse der Gefahrenpotentiale vorangetrieben werden.