1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Vermummt zur Fahrstunde im Harz

Coronavirus Vermummt zur Fahrstunde im Harz

Von Zwangsschließung in der Corona-Krise waren auch Harzer Fahrschulen betroffen. Der Unterricht läuft nun wieder - unter strengen Auflagen.

Von Jörg Endries 14.05.2020, 01:01

Halberstadt/Wernigerode l Vermummt hinterm Pkw-Steuer sitzen – Corona macht das möglich. Das ungestrafte Ignorieren von ­Verkehrsregeln scheint plötzlich möglich zu sein. Dank Schutzmaske kann niemand den Fahrer identifizieren. Doch der Schein trügt. Auch wenn in ­Coronazeiten der eine oder andere Kraftfahrer mit einer Maske hinter dem Lenkrad ­sitzend zu sehen ist – erlaubt ist das aus ­hygienischen Gründen nur ­wenigen Verkehrsteilnehmern.

Neben Funkstreifenwagen-Besatzungen gehören Fahrschüler und Fahrlehrer zum Kreis der Kraftfahrer, denen das Tragen einer Schutzmaske beim Fahren erlaubt ist, alle anderen nicht. Hintergrund: Weder Polizeibeamte noch Fahrschullehrer und Schüler können im Pkw den geforderten Sicherheitsabstand von 1,50 Meter einhalten.

„Das Fahren mit Atemschutzmaske ist alles andere als angenehm. Es belastet“, sagen unisono Stefan Fehling, Fahrlehrer und Geschäftsführer von Tom‘s Fahrschule, und Fahrschülerin Paula Belger aus Harsleben. Sie muss sich nicht nur auf die Straße konzentrieren, sondern auch noch auf die Anweisungen ihres Fahrlehrers, die durch die Maske gesprochen nur gedämmt zu ihr durchdringen. Außerdem werde der Mund mit der Zeit sehr trocken, berichtet Stefan Fehling. „Brillenträger sind mit der Schutzmaske noch blöder dran. Die Gläser beschlagen beim Ausatmen und nehmen einem die Sicht“, ergänzt er.

Trotz der erschwerten Bedingungen ist er froh, dass es nicht zum Ärgsten gekommen ist. Wie hätte das Szenario ausgesehen? Dann hätte man in den Fahrschulautos zwischen Lehrer und Schüler Plexiglasscheiben einbauen müssen, so der Lehrer. Die Maskenpflicht und weitere strenge Auflagen zum Betrieb der ­Fahrschule nimmt der Geschäftsführer dennoch gern in Kauf. „Haupt­sache wieder arbeiten.“

Am 19. März musste Stefan Fehling angesichts der Corona-Pandemie seine Fahrschule schließen. Das traf ihn und seine 16 Mitarbeiter in den Niederlassungen Halberstadt/Dingelstedt, Wernigerode, und Quedlinburg hart. Die komplette Belegschaft musste in Kurzarbeit geschickt werden, berichtet der Geschäftsführer. Das sei ein schwarzer Tag gewesen. Anstehende Prüfungen mussten abgesagt und Fahrschulstunden auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. Der wirtschaftliche Schaden sei für das Unternehmen erheblich.

Fehling ist froh, dass er und seine Mitarbeiter seit dem 4. Mai wieder arbeiten dürfen. „Allerdings unter strengen Auflagen, aber wir dürfen wenigstens wieder arbeiten. Nur das zählt“, zeigt sich der ­Halberstädter erleichtert. Ein Fakt, den die ­Fahrschüler mit Beifall quittiert hätten.

„Sie warten nun ungeduldig darauf, nach der Zwangspause so schnell wie möglich ihre Stunden und die Prüfung absolvieren zu können – verständlich“, so der Fahrlehrer. Der Termindruck auf ihn und seine Mitarbeiter sei derzeit enorm hoch. Ein Arbeitstag könnte derzeit 25 Stunden und länger sein, um eine Chance zu haben, die durch die Coronakrise liegengebliebene Arbeit nachholen zu können. Erschwerend käme hinzu, dass die Auflagen zur Wiederaufnahme des Fahrschulbetriebs zusätzlich wertvolle Zeit in Anspruch nehmen.

So könne man die Büros und Unterrichtsräume nur eingeschränkt nutzen. „Im Büro dürfen sich nicht mehr als drei Personen gleichzeitig ­aufhalten. Publikumsverkehr ist ganz und gar untersagt. Wer sich einen Fahrschultermin holen möchte, sollte daher besser anrufen“, sagt Stefan Fehling.

Noch dramatischer sind die Folgen für den Theorie-Unterricht. Wo sonst bis zu 15 Fahrschüler im Raum sitzen, dürfen sich derzeit maximal nur bis zu vier aufhalten. Das habe natürlich Folgen. Schüler müssen sich in Geduld üben.

Der praktische Unterricht im Fahrzeug ist natürlich ebenfalls betroffen. Dort ist Maskenpflicht angesagt. „Nach jeder Fahrstunde muss das Fahrzeug peinlich genau desinfiziert und gelüftet werden. Das kostet jedes Mal 15 Minuten und das mehrmals am Tag. Diese Zeit fehlt letztendlich für den Unterricht, mit dem wir unser Geld verdienen“, betont der Geschäfts­führer. Nahtloses durchfahren ginge unter ­diesen ­Bedingungen nicht mehr.

„Ich hatte letztmalig einen Tag vor der coronabedingten Schließung der Fahrschule praktischen Unterricht und sitze heute erstmals wieder ­hinterm Steuer“, berichtet ­Paula Belger. Sie sei sehr traurig gewesen, dass sie aus­setzen musste. Die junge Frau aus Harsleben kommt nach ­eigenen Worten trotz der wochenlangen Pause jedoch wieder ­problemlos mit dem ­Fahrschulauto klar. Die Maske sei gewöhnungsbedürftig, aber das gibt sich irgendwann.

Als Vollbremsung empfang Torsten Arndt die Schließung seiner Fahrschule, die er seit 2006 in Wernigerode betreibt. „Am Mittwoch war noch alles normal. Wir fuhren mit den Fahrschülern, zum Feierabend musste plötzlich alles auf Null gefahren werden“, erinnert sich Torsten Arndt. Am nächsten Tag waren Prüfungen angesetzt, die mussten von heute auf morgen abgesagt werden. Der Chef und seine zwei Mitarbeiter gingen mit Kurzarbeitergeld in die Zwangspause. „Über alle von der Corona­krise betroffenen Branchen ist berichtet worden, über unsere Probleme leider nicht“, kritisiert der Fahrschulchef.

Er und seine Mitarbeiter seien mit Freude nach siebeneinhalb Wochen Schließung am 4. Mai wieder neu ins Berufsleben gestartet. Trotz der strengen Auflagen. Alles sei besser als nicht arbeiten zu dürfen. Die Auftragsbücher seien voll.

Uwe Becker, Sprecher des Polizeireviers Harz in Halberstadt, bestätigt, dass das Tragen von Masken nur wenigen Kraftfahrern erlaubt ist. Neben Fahrschulen, zählen zum Personenkreis auch Polizeibeamte in Funkstreifenwagen. Wie zwischen Fahrschullehrer und Schüler könnten auch die Beamten den geforderten Abstand aus objektiven Gründen nicht einhalten. „Ohne Maske dürfen im Funkstreifenwagen nur Polizisten sitzen, die einem Hausstand angehören. Das ist bei unseren Beamten eher die Ausnahme“, sagt Uwe Becker.

Das Tragen einer Maske sei für alle anderen Kraftfahrer nicht erlaubt und würde eine Ordnungswidrigkeit ­darstellen. Sitzt man allein im Auto, sei das Tragen einer Maske auch nicht zwingend erforderlich. Ob sich die Kraftfahrer daran halten, werde von der Polizei derzeit nicht ­kontrolliert. Die geltenden ­Auflagen im Zusammenhang mit der ­Coronapandemie seien allerdings kein Freifahrtsschein.