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Corona Mit Regionalität gegen das Coronavirus

Warum es sich auszahlt, dass die Halberstädter Landwurst GmbH alle Mitarbeiter gleich behandelt:

Von Jörg Endries 28.05.2020, 11:57

Halberstadt l Schlachthöfe stehen aktuell in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bundesweit in den Schlagzeilen. Unternehmen wurden geschlossen, weil Hygienevorschriften nicht eingehalten und Arbeitnehmer aus osteuropäischen Ländern in Massenunterkünften untergebracht worden waren. Dort konnte sich das Virus rasant ausbreiten. Im Schlachthof der Halberstädter Landwurst GmbH sei das alles aber absolut kein Thema, informiert Stefan Kaufhold. Gemeinsam mit Dennis Looff leitet er das regional aufgestellte Unternehmen, beide sind je zur Hälfte auch Eigentümer des Traditionsbetriebes.

Er, so Stefan Kaufhold, bekomme einen dicken Hals, wenn die Branche pauschal über einen Kamm geschert und verurteilt werde. Die Kundschaft reagiere auf Me-dienberichte, in denen teilweise haarsträubende Details rund um Arbeits- und Lebensbedingungen von Schlachthofmitarbeitern thematisiert werden, sehr sensibel. Er habe persönlich Anrufe von Kunden erhalten, die fragten, warum die ausländischen Mitarbeiter nicht anständig untergebracht und bezahlt würden. „Dabei ist das in unserem Unternehmen gar kein Thema. Wir bezahlen anständig, arbeiten nach strengen Hygienevorschriften, die deutlich über den gesetzlichen Vorgaben liegen, und setzen alle Corona-Vorschriften um“, betont der Geschäftsführer.

Die Firmenphilosophie der Landwurst GmbH „Aus der Region – Für die Region“ stehe nicht nur bei der Schlachtung sowie der Fleisch- und Wurstproduktion im Zentrum, sondern auch bei den Mitarbeitern. „Gerade während der aktuellen Coronakrise zahlt sich eine regionale Belegschaft aus. Das heißt, dass alle unsere Arbeitnehmer in Halberstadt und in umliegenden Orten wohnen“, betont Stefan Kaufhold. Das bedeute jedoch nicht, dass alle Mitarbeiter einen deutschen Pass besäßen. In der Halberstädter Landwurst GmbH arbeiten auch Ausländer. Allerdings nur knapp sechs Prozent der Gesamtbelegschaft. Von den insgesamt 185 Mitarbeitern besitzen elf ausländische Wurzeln, berichtet Stefan Kaufhold. Sie stammen aus Bulgarien und leben seit vielen Jahren mit ihren Familien in Halberstadt und der Region in ganz normalen Wohnungen. Die Strukturen im Betrieb seien fast schon familiär.

Lohn-Dumping sei in seinem Unternehmen ebenfalls kein Thema. Die elf Bulgaren seien voll im Betrieb integriert und würden selbstverständlich genauso entlohnt wie die einheimischen Mitarbeiter mit vergleichbaren Qualifikationen. „Und die Wohnsituation unserer ausländischen Mitarbeiter ist genauso gut wie bei ihren deutschen Kollegen.“

Doch warum greift die Branche überhaupt verstärkt auf Arbeitskräfte aus Osteuropa zurück? „Der Grund liegt ganz einfach darin, dass aus Ermangelung von Alternativen keine andere praktische Möglichkeit besteht. Denn auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind schlichtweg keine Arbeitskräfte zu finden, die in den Basis-Produktionsstufen wie Schlachtung und Zerlegung ­arbeiten wollen“, erklärt Stefan Kaufhold. Um die Grundversorgung mit dem hochwertigen Lebensmittel Fleisch gewährleisten zu können, bleibe nur die Möglichkeit, auf osteuropäische Arbeitskräfte auszuweichen, so der Unternehmer. Diese Menschen seien noch ­gewillt, in diesen Jobs mit körperlich schwerer Arbeit tätig zu sein.

Die Umsetzung der strengen Corona-Hygieneauflagen und des damit verbundenen betriebseigenen Konzeptes, das einen ganzen Aktenordner füllt, sei für den Betrieb sehr kostenaufwendig, sagt Kaufhold. Seit Ausbruch der Pandemie herrsche im gesamten Unternehmen Maskenpflicht, Handdesinfektionsspender seien zusätzlich installiert worden. In den Pausenräumen gebe es ein striktes Pausenmanagement mit Personenbeschränkungen und zeitversetzten Pausenzeiten. Die Hygienestandards lägen deutlich über den gesetzlichen Vorgaben. Beleg dafür seien die EG-Zulassungen aller Betriebsbereiche und Qualitätszertifizierungen. Etwa 10.000 Euro flossen in den Kauf von Mundschutz, Desinfektionsmitteln und entsprechender Technik für die Desinfektion von Händen.

Die Corona-Pandemie brachte jedoch nicht nur strengere Hygieneauflagen und die damit verbundenen Kosten mit sich. Die Nachfrage gerade bei den in der Landwurst GmbH produzierten Konservenerzeugnissen sei im April stark angestiegen. „Jeder wollte sich zu Beginn der Pandemie mit haltbaren Lebensmitteln eindecken. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, wie sich die Versorgungslage entwickelt. Das merkten wir deutlich am Umsatz“, berichtet der Geschäftsführer. Speziell im Werksverkauf, also im kleinen Fleisch- und Wurstwaren-Geschäft direkt am Schlachthof, sei der Verkauf mittlerweile jedoch leicht rückläufig. Das sei auf das Coronavirus und die damit verbundenen Hygienevorschriften zurückzuführen. „Der Laden ist sonst proppenvoll. Jetzt dürfen sich maximal nur vier Kunden darin aufhalten. Das verursacht auf der Straße eine Schlange“, so Stefan Kaufhold. Gerade auf die Spontankundschaft, also Leute, die sich kurzfristig für einen Einkauf entscheiden, habe das Bild entsprechende Auswirkungen. Wer habe schon Lust, sich in diese Schlange einzureihen? Das schrecke vom Besuch des Geschäfts ab und schlage umsatzmäßig zu Buche. „In einem Monat nahm der Laden dadurch etwa 20 000 Euro weniger ein“, verrät der Unternehmer.

Rote Zahlen habe auch die zum Betrieb gehörende Gaststätte „Schwejk“ eingefahren. Die musste aufgrund der Corona-Pandemie so wie andere Gaststätten schließen. In Kurzarbeit konnten die Mitarbeiter allerdings nicht geschickt werden, weil dafür wenigstens zehn Prozent der Belegschaft hätte in Kurzarbeit gehen müssen. Dafür habe es insgesamt keinen Grund gegeben, so Stefan Kaufhold. Bis zur Wiedereröffnung hätten sechs Mitarbeiter weiter auf der Lohnliste gestanden, obwohl der „Schwejk“ keinen Cent erwirtschaftete. Das stark aufgestellte Unternehmen habe das trotzdem wegstecken können.

Beim teils harten Kampf um Dumping-Preise der Discounter und des Lebensmittel-Großhandels könne die Halberstädter Landwurst GmbH nicht mithalten – und das wolle man auch nicht. „Der knallharte Preiskampf ist das völlig falsche Signal für eines der hochwertigsten Lebensmittel. Bei uns wird der Rohstoff Fleisch noch wertgeschätzt“, unterstreicht Kaufhold.

Handwerkliche Qualität und gelebte Regionalität sowie Nachhaltigkeit seien nun mal etwas preisintensiver. Dafür stünden Mastschweine aus dem Harz und dem Harzvorland von stets den gleichen Bauern, eine eigene Schlachtung mit Personal aus dem Landkreis, Frischfleischgewinnung dank eigener Zerlegung, eigene Wurstproduktion in traditioneller Handwerkskunst, hohe Hygienestandards und intensive Corona-Schutzvorkehrungen sowie die eigene Vermarktungskette mit 17 betriebseigenen Fleischereifachgeschäften und fünf Verkaufsmobilen, betont der Geschäftsführer.

Das alles verursache höhere Kosten in Bezug auf die Herstellung pro Kilogramm Frischfleisch oder Wurst im Vergleich zu den hochindustriellen Großschlachtereien, sagt der Geschäftsführer. Dennoch biete man Produkte zu einem fairen Preis an. „Aus diesem Grund haben wir viele treue Stammkunden, aber auch immer mehr Neukunden, die unsere Wertschöpfungskette zu schätzen wissen.“