Harztheater „Corona-Opfer“ und Landeier im neuen Spielplan des Halberstädter Theaters
Das Sommertheater hat längst die ersten Open-Air-Aufführungen gemeistert. Zeit, einen Blick auf die kommende Spielzeit des Nordharzer Städtebundtheaters ab September zu werfen. Das neue Spielzeitheft ist in Halberstadt vorgestellt worden.

Halberstadt - So viel hörbare Lust, auf das, was da kommt, war selten bei Präsentationen von Spielzeitheften des Nordharzer Städtebundtheaters. Man habe sich bewusst für einen relativ späten Zeitpunkt entschieden, um das neue Programm vorzustellen, sagte Intendant und Musikdirektor Johannes Rieger. Dass es überhaupt eins gibt, trotz aller Unwägbarkeiten, die die Corona-Pandemie mit sich brachte und noch bringt, freute alle Beteiligten.
Zu denen gehörte Christian Fitzner. Der Chef des Wernigeröder Philharmonischen Kammerorchesters ist seit Ende März ehrenamtlicher Geschäftsführer des Theaterzweckverbands. Bis zum Vorstellungstermin hatte er das Spielplanheft noch nicht gesehen, lobte es nach intensiver Lektüre, weil es „sehr klar gestaltet“ ist, was ihm ausgesprochen gefalle. Das dürfte nicht nur Grafiker Dirk Grosser gefreut haben zu hören. Fitzner weiter: „Es gibt so viel Unklarheiten, die vor uns stehen“. Gemeinsam mit Intendant Johannes Rieger hoffe er, dass die Bevölkerung nicht noch gezwungen sein werde, in der Corona-Pandemie das ganze altgriechische Alphabet zu lernen.
Personelle Wechsel im Theater
Fitzner war gestern Mittag nicht das einzige „neue Gesicht“ in der Präsentationsrunde. So hatten neben Johannes Rieger der neue Chefdramaturg Marco Misgaiski Platz genommen sowie Rosemarie Vogtenhuber, die künftig Schauspieldramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit für das Haus übernimmt. Beide kennen das Harztheater aus eigenem Erleben, beide haben des Öfteren Regie geführt.
Dass beide in der neuen Spielzeit auch als Regisseure aktiv sein werden, habe mit den langfristigen Verpflichtungen zu tun, sagte Rieger. „Wir haben vor fast zwei Jahren darüber geredet, ob Marco Misgaiski nicht Lust hat, ,Hänsel und Gretel’ zu inszenieren, und Rosemarie Vogtenhuber war schon gebucht für ,Woyzeck’“, sagte Rieger.
Das Haus verlassen hat Andrea Kaempf. Die langjährige Ausstattungsleiterin bewogen private Gründe dazu, neue Wege einzuschlagen. „Es war wohl schon immer ein Traum von ihr, ökologischen Landbau zu betreiben, dafür absolviert sie jetzt eine Ausbildung. Sie ist uns weiter verbunden und wird auch einige Ausstattungen übernehmen, aber die Leitung zu übernehmen, geht nicht mehr.“ Für Kaempf sei Gretl Kautzsch ans Haus gekommen.
„Pandemiezeiten sind Gelegenheiten, sich neu zu orientieren“, erklärte Rieger. Er nannte noch weitere Veränderungen. So habe Florian Kießling auf eigenen Wunsch sein Engagement beendet, für ihn steht in der neuen Spielzeit Adam Szmidt am Dirigentenpult. Neben Rieger ist das unter anderem Fabrice Parmentier, der in der Lockdown-Phase hervorragende musikalische Fassungen geschaffen habe, so Rieger. Als Repetitoren mit Dirigierverpflichtungen sind außerdem Violetta Kollar, Jan Rozehnal und Hyung Ju Lee tätig.
Bei den Schauspielern wird Jonte Volkmann künftig als Gast agieren, vor allem bei der Wiederaufnahme der extrem erfolgreichen Inszenierung von „Familie Braun“. Für Volkmann kommt Frederik Reents ins Ensemble.
An einem kleinen Haus müssen alle viel tun, „hier lernt jeder in seinem Metier richtig zu schwimmen“, sagt Rieger, und berichtete mit hörbarem Stolz, das David Bolik als Regisseur an das Opernhaus Dortmund geholt worden sei.
Viele Verschiebungen im Programm
Die lange Zwangspause im Spielbetrieb hat nicht nur Auswirkungen auf den Mitarbeiterstab am Haus, auch der Spielplan sei in Teilen „Corona-Opfer“. So gebe es ungewöhnlich viele Wiederaufnahmen, sagte Rieger. Das sei einfach der Tatsache geschuldet, dass manche Inszenierungen nur ein-, zweimal auf die Bühne kamen, bevor der nächste Lockdown zuschlug. „Aber für viele haben wir Gastspielverpflichtungen, die wir erfüllen wollen und müssen. Dann kann es sich auch im normalen Spielplan finden.“
Der sei durch die vielen Verschiebungen sehr vielfältig, manche Stücke hätten deshalb nur wenige Aufführungstermine. Prominente „Corona-Opfer“ sind unter anderem das Musical „Shrek“ und die Komödie „Sonny Boys“, die nun fast zwei Jahre später als ursprünglich geplant, auf die Bühne kommen.
Die Palette der Inszenierungen ist bunt, so gibt es mit „Landeier“ einen Schwank, der von der Komik um der Komik willen lebt. Mit „Woyzeck“ kommt ein Klassiker auf die Bühne, der, obwohl von Georg Büchner nicht vollendet, ein extrem spannender Stoff sei, so Rosemarie Vogtenhuber. Ähnlich intensiv dürfte „9 Tage wach“ werden. Heiterkeit mit Tiefsinn verbinden „Waldweiberwildwechsel“, „Bier“, „Sonny Boys“ und die 65 Jahre ununterbrochen am Londoner Westend gespielte Krimikomödie „Die Mausefalle“.
Frohsinn verspricht auch „Draußen nur Kännchen“, ein Reigen an Film- und Theaterschlagern. Interessant hierbei – die ultimative Ansage von Kellnern, „Draußen nur Kännchen!“ kannten auch Rieger und Fitzner, die beide aus dem Südwesten Deutschlands stammen. Das also war keine DDR-Eigenheit. Was man nicht alles lernt, mit, am und im Theater.