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Corona Schwierige Zeiten für Orchester

Zehn Jahre Schwanebecker Musikanten: Die Mitglieder warten noch darauf, wieder durchzustarten.

Von Christoph Carsten 28.06.2020, 03:00

Schwanebeck l Die Lockerungen der coronabedingten Beschränkungen machen sich mittlerweile auch im Kulturbereich bemerkbar. Vielerorts wurden die Proben wieder aufgenommen, vereinzelt werden Auftritte und Konzerte – unter Auflagen – vor Publikum ausgerichtet.

Doch vor allem für Musiker im nicht-professionellen Bereich ist die Situation weiter schwierig – zumal, wenn es sich, wie im Fall der Schwanebecker Musikanten, um große Ensembles mit 15 Mitgliedern handelt, die noch dazu auf ausladenden Instrumenten wie Trommel, Trompete und Tuba spielen.

„Wir wissen noch nicht, wie es weitergehen soll, auch wenn uns natürlich allen etwas fehlt“, sagt Thomas Hellmich, der bei den Schwanebecker Musikanten die Trommel anschlägt. Und sein Orchester-Kollege Frank Heyer, der Mann an der Tuba, ergänzt: „Im Februar hatten wir unsere letzte Probe, alles hat sich nach hinten verschoben. Natürlich sind auch viele Einsätze weggebrochen, wodurch wiederum die Einnahmen fehlen.“

Problematisch sind für die Musiker vor allem die für Bläser-Ensembles geltenden Sicherheitsbestimmungen. Thomas Hellmich: „Ich habe sowohl beim Bürgertelefon in Halberstadt als auch bei der Staatskanzlei Kultur in Magdeburg angerufen. Beide Stellen haben mir gesagt, dass Blasmusik bei einer Gruppengröße von bis zu zehn Personen und unter Einhaltung des Mindestabstands erlaubt sei.“

Doch genau diese Auflagen würde den Verein bei Proben vor Probleme stellen, beklagt Hellmich. „Wie sollen wir das bei 15 Leuten in der Besetzung umsetzen? Ich möchte nicht derjenige sein, der sagt, ‚du darfst kommen, aber du musst zuhause bleiben‘. Entweder wir proben gemeinsam oder eben gar nicht.“

Zudem sei der dabei einzuhaltende Mindestabstand bei Blasorchestern ein anderer als die 1,5 Meter im Alltagsleben, sagt Frank Heyer. „Laut Verordnung müssen wir drei Meter zur Seite und sechs Meter nach vorne freihalten“, so der Tubist.

Das mache ein Zusammenspiel der einzelnen Akteure, wie es im Orchester erforderlich ist, aber praktisch unmöglich. Heyer: „Man hört dann nur noch sich selbst, nicht aber was der Nebenmann gerade macht. Ich habe das bei anderen Gruppen gehört und es klang scheußlich.“

Schon die Räumlichkeiten, die die Musikanten gegenwärtig zum Musizieren nutzen, ließen ein solches Vorgehen kaum zu. Denn nach dem Umbau des alten Proberaums, den eine lokale Firma zur Verfügung gestellt hatte, kam das Orchester vor der Krise zuletzt in den Räumen des Jugendclubs zu ihrer wöchentlichen Probe für zwei Stunden am Donnerstag zusammen. Als Gegenleistung für den Proberaum würden die Musikanten einmal im Jahr zum Kindertag kostenlos etwas zum Besten geben, so Heyer.

„René Hellmund vom Volkshaus hat uns zwar auch angeboten, dass er für uns den kleinen Saal aufschließen würde, damit wir mehr Platz hätten“, sagt Hellmich. „Aber wie gesagt – in der momentanen Situation ist uns das alles zu unsicher.“

Schmerzlich ist für die sonst so umtriebigen Schwanebecker – zehn bis 15 Auftritte im Jahr hätten sie in der Vergangenheit im Schnitt absolviert, wie Trommler Hellmich berichtet – außerdem der Wegfall zahlreicher geplanter Konzerte.

Dazu zählen unter anderem drei Umzüge zum Maifeuer, das beliebte Oldtimertreffen in Schwanebeck am 13. Juni sowie drei Schützenfeste. Und, besonders ärgerlich: „Wir sollten auch im März beim Landesschützentag in Magdeburg spielen. Ein ganzes Jahr lang haben wir uns darauf vorbereitet – alles umsonst“, sagt Frank Heyer.

Das letzte Mal hätten die Musikanten am 29. Februar zur Eröffnung der Rocknacht im Volkshaus auf der Bühne gestanden. Doch zumindest den Galgenhumor haben die Schwanebecker nicht verloren. So sagt Tubist Heyer: „Im Grunde könnten wir jetzt schon anfangen, Weihnachtslieder zu proben, vorher wird wohl nichts mehr gehen.“

Dabei hätte das Jahr, in dem die Corona-Krise die Menschen weltweit in Angst und Schrecken versetzte, eigentlich auch das Jahr sein sollen, in dem die Schwanebecker Musikanten ihr zehnjähriges Bestehen feiern wollten.

Bianca Stettin, die im Orchester das Flügelhorn spielt, erzählt von den Entstehungstagen des Blasmusikvereins: „Angefangen hat alles 2010, als einige ehemalige Mitglieder des früheren Schülerblasorchesters wieder zusammengefunden haben, um etwas für den Festumzug zur 950 Jahrfeier der Stadt Schwanebeck vorzubereiten.“

Per Zeitungsannonce habe die Gruppe weitere Mitstreiter gesucht und gefunden. Und da der Auftritt auf dem Festumzug zwei Jahre später so erfolgreich gewesen sei, habe sich die Formation dazu entschlossen, sich als Verein neu zu gründen, um die musikalische Tradition des Ortes fortzusetzen, führt Stettin weiter aus.

Inzwischen sei das Orchester auf 15 Aktive unterschiedlichen Alters angewachsen, davon 14 Musiker und ein Fahnenträger, berichtet Frank Heyer. Auf der Bühne sind die Schwanebecker Musikanten anhand ihrer Vereinstracht in den Schwanebecker Farben – blaue Hemden und weiße Hosen – dabei schon von weitem gut zu erkennen. Diese werde aus Spenden oder aus der Vereinskasse finanziert, so Heyer.

Stilistisch sei das Orchester zwischen Marschmusik und Besinnlichem breit aufgestellt, wobei man versuche, zwar für jeden Anlass etwas im Repertoire zu haben, dieses aber insgesamt zu begrenzen. Denn, so sagt Thomas Hellmich: „Als Hobbymusiker haben wir alle keine unendlichen Kapazitäten. Viele haben Familien, gehen arbeiten, haben noch andere Verpflichtungen.“

Nicht zuletzt deshalb sei die Befürchtung da, dass wegender Krise der eine oder andere den Spaß an der Sache verlieren könnte. Dennoch herrsche unter den Musikern „ein familiäres Verhältnis“, wie Thomas Hellmich betont.

Doch auch neue Mitglieder seien immer herzlich willkommen. „Wenn es denn keine Streicher sind“, schränkt Frank Heyer lachend ein. Tief in die Tasche greifen muss dafür übrigens niemand: Der Monatsbeitrag für die Mitgliedschaft betrage momentan einen Euro, so Heyer.