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Coronavirus Corona setzt Schleich & Co. schachmatt

Vor zwei Jahren begannen die umfangreichen Vorbereitungen für das Schachfest in Ströbeck. Das Corona­virus änderte den Zeitplan.

Von Jörg Endries 21.05.2020, 08:08

Schachdorf Ströbeck l Das Corona­virus durchkreuzt im Schachdorf Ströbeck mehrere große Veranstaltungsprojekte. Nicht nur die 1025-Jahr-Feier darf nicht stattfinden. Abrupt endeten im Schachdorf auch die Vorbereitungen für das traditionelle Schachturnier, das für den 6. Juni angesetzt war. Eingestellt wurde ebenfalls der Spielbetrieb in der Schach-Liga, in der drei Mannschaften des Schachvereins spielen.

Das ­Coronavirus machte den Organisatoren auf ganzer Linie einen Strich durch die Rechnung. Die Enttäuschung bei den vielen, die hunderte Stunden für die umfangreichen Vorbereitungen investiert haben, ist groß. Dennoch stecken sie die ­Köpfe nicht in den Sand, betont Frank Willke, Vorsitzender des Schachvereins Ströbeck. So bedauerlich das alles sei, die Gesundheit ginge nun einmal vor. „Und die Feste holen wir auf alle Fälle im kommenden Jahr nach.“ Ortsbürgermeister Jens Müller (Wählervereinigung BISS) bedauert ebenfalls, dass das kulturelle Leben im Dorf so in Mitleidenschaft gezogen wird. Aber auch er stellt die Gesundheit in den Mittelpunkt und freut sich auf ein veranstaltungsreiches Jahr 2021.

„56 Mannschaften wären angereist. Nicht nur aus ganz Deutschland, sondern unter anderem aus den Niederlanden, Tschechien und Polen“, berichtet Frank Willke. Alle hätten sich auf diesen Höhepunkt im Leben des Schachvereins und im gesamten Dorfleben gefreut. Im Januar seien die Einladungen verschickt worden.

Mit der Pandemie sei recht schnell deutlich geworden, dass das Fest in diesem Jahr ausfallen muss. In der fast 60-jährigen Geschichte des Schachfestes fällt es nicht zum ersten Mal aus. Allerdings war der Grund dafür bislang noch nie eine weltweite Seuche. „In den Jahren 1971, 1982 und 1986 wurde das Fest unter anderem wegen des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche abgesagt“, informiert der Vereinsvorsitzende. Sonst hätte man in diesem Jahr zusätzlich noch ein Jubiläum feiern können, das 60. Schachfest.

Buchstäblich schachmatt ist mit der Pandemie auch das Projekt „Kurierschach“ gesetzt worden, das bereits vor zwei Jahren startete und zum Schachfest Weltpremiere feiern sollte. Das Lebendschach­ensemble des Vereins will Kurierschach – eine aus dem Mittelalter stammende Form des Schachspiels, die fast vergessen ist – wiederbeleben. 2018 beschlossen die Ströbecker, dass es Teil der Traditions­pflege im schachverrückten Dorf werden soll und gründeten auf ­Initiative des örtlichen Schachvereins mit Unter­stützung des Ortschaftsrates sowie zahlreicher Bürger eine Projektgruppe, die das Vorhaben bis zum Schachfest im Juni 2020 verwirklichen sollte.

Karina Knopp vom Lebendschach­ensemble koordinierte das achtköpfige Nähteam. Modedesignerin Carmen Wilke entwarf für das Kurierschach die neuen Kostüme. Sie begleitete von Anfang an die Näharbeiten vor Ort.

Seit Sommer 2019 traf sich das Team fast täglich in der Werkstatt – bis zum Ausbruch der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen. Das Projekt sei eine große Herausforderung für die Ehrenamtler und ohne sie nicht umzu­setzen, betonte vor einigen Wochen Karina Knopp. Stehen beim normalen Schach 32 Figuren auf dem Brett, sind es beim Kurierschach 48. Hunderte Stunden hätten die fleißigen Frauen an den Nähmaschinen zugebracht und etwa 90 Meter an Stoffbahnen verarbeitet.

Wichtig für die Realisierung des Projekts „Kurierschach“ war neben der breiten ehrenamtlichen Unterstützung im Dorf die finanzielle Hilfe. Dabei half ein Fakt: Dass die Ströbecker Schach­tradition in Deutschland einmalig ist, machte mittlerweile bis Berlin die Runde. Im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wurde daher ein Fördermittelantrag positiv beschieden. 29 000 Euro bekamen die Ströbecker zur Finanzierung des Vorhabens.

Mit dem Projekt „Kurierschach“ verbinden die Ströbecker natürlich die Hoffnung für ein weiteres bedeutendes Vorhaben im Gespräch zu bleiben und für die Unesco-Liste des Immateriellen Kulturerbes nominiert zu werden. Anerkennung hat das Engagement der Ströbecker bereits im Dezember 2016 gefunden. Das Schachdorf ist vor vier Jahren mit seiner über 1000-jährigen Schachtradi­tion auf die bundesweite Liste des Immateriellen Kulturerbes gesetzt worden. Damit besteht die reale Chance, eines Tages von Deutschland für die Unesco-Liste des ­Immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen zu werden. Das ist das erklärte Ziel der Ströbecker.