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Coronavirus Huy-Burgen-Lauf mal anders

Der Huy-Burgen-Lauf 2020 wird wohl in die Geschichte als Corona-Lauf eingehen.

Von Ramona Adelsberger 06.05.2020, 12:50

Schlanstedt l Solch eine Ruhe wie an diesem 2. Mai herrschte vor der Burg Schlanstedt lange nicht mehr am ersten Sonnabendvormittag des Wonnemonats. Denn seit der Huy-Burgen-Lauf im Jahr 2002 seinen Premierenstart erlebte, trafen sich hier jedes Mal schon zu früher Stunde hunderte Sportbegeisterte, oft in Begleitung von Familienmitgliedern. Im Burgstall holten sie die Startunterlagen ab, auf dem Platz davor trafen sie auf „alte Bekannte“, erlebten die offizielle Eröffnung, den Auftritt von Ritter Bock, ein Kulturprogramm mit Tanzgruppen und Jagdhornbläsern und eine gemeinsame Erwärmung. Dann strömten alle in den Burghof, um nach dem Startschuss der Vorderladerschützen aus dem Tor zu strömen.

Doch diesmal ist alles anders: Kein Gemurmel, keine Musik. Bis auf das Vogelgezwitscher ist es still. Keine Läuferinnen und Läufer. Dabei hatten sich doch wieder Hunderte aus allen Teilen Deutschlands angemeldet und auf ein erlebnisreiches Laufwochenende gefreut. Doch im März ließen die mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen den Veranstaltern keine Wahl, sie mussten die 18. Auflage des beliebten Sportevents schweren Herzens absagen.

Und so bleibt das Burgtor verschlossen. Davor steht Irmgard Eggert, die bereits 13 Mal beim Huy-Burgen-Lauf gestartet ist. „Der Lauf ist ein ganz besonderer. Deshalb habe ich mich entschlossen, allein zu starten.“ Sie hat sich die selbst gefertigte Startnummer 1 auf die Brust geheftet und hebt ein Transparent in die Höhe. „2020 einsam – 2021 gemeinsam“ ist darauf zu lesen. Sie ahnt, dass sie nicht die einzige ist, die an diesem Tag bei einem Ersatzlauf unterwegs sein wird. Deshalb der Entschluss, sehr früh zu starten. Ein weiterer Grund ist der angekündigte Regen.

Los geht es ohne Startschuss. „Ich werde die Originalstrecke laufen und die kompletten 55 Kilometer zurücklegen“, kündigt die Halberstädterin an. Den Weg kennt sie, ohne auf eine Karte zu schauen. Einsam läuft sie nach Eilenstedt, dann durch die Feldflur nach Eilsdorf. Die Temperatur erlaubt sogar ein Trägershirt. Dann geht es über Anderbeck weiter nach Dingelstedt. Kaum jemand nimmt Notiz von ihr. Sie vermisst die Zuschauer, die tolle Stimmung zum Beipiel bei den Eilsdorfer Bikern oder bei den Helfern an der Üppel in Dingelstedt.

Ohne Pause geht es daher weiter Richtung Röderhofer Teich. Dass ihr Fred Borchert, der in Ströbeck gestartet war, auf den Fersen ist, weiß sie nicht. Der Langensteiner holt auf, begleitet sie eine Weile mit Sicherheitsabstand und setzt sich schnelleren Schrittes ab. Doch nicht nur die beiden sind unterwegs. Um 10 Uhr hat sich auch Maik Uhde in Schlanstedt auf den Weg gemacht. Aus Halberstadt kommend, erreichen Cornelia Clockau, Manuela Felsche, Mandy Giesecke, Dani und Michael Rietmüller über Klein Quenstedt, die Paulskopfwarte und die Huysburg den Kammweg und laufen ihn bis zum Warteturm bei Sargstedt. Auf demselben Weg läuft das Quintett zurück.

„Jeder läuft sein eigenes Tempo und hält so von vornherein Distanz zum nächsten“, so Cornelia Klockau, „da zurzeit keine Wettkämpfe stattfinden, gleichen wir unsere fehlenden Laufkilometer durch erweitertes Training aus. Heute aber geht es uns um mehr. Denn dieser Lauf hat eine große Tradition und ist für so viele Leute von besonderer Bedeutung. Das wollen wir mit unserem Ersatzrennen unterstreichen.“

Während sich Nicole und Jens Schlottag mit Nadine und Thomas Pohl, der Huysburg aus Richtung Westen nähern, machen sich neben Walkerinnen der „Heißen Plätte“ aus Langenstein auch die „Laufhexen“ in der Gegenrichtung auf den Weg zum Röderhofer Teich. „Für uns hat dieses Laufwochenende eine lange Tradition. Wir haben übers ganze Jahr trainiert, denn auch bei unserer 15. Teilnahme wollten wir flott voran kommen“, sagt Hannelore Beyer, die mit den Laufhexen Dunja Hoffmann, Nicola Thomas eine besondere Beziehung zum Huy-Burgen-lauf hat. Denn die Ehemänner des Trios sind schon seit Jahren als Rettungssanitäter, Fahrradbegleiter oder Feuerwehrmann mit dabei. Reinhard Beyer ist zudem Gründungsmitglied des Fördervereins, hat das Huy-Burgen-Läufer-Lied getextet, schlüpft in das Kostüm von Ritter Bock und schlägt jeden Erstläufer zum Ritter.

Beim Kinderlauf rund um die Huysburg wird die siebenjährige Lisa-Marie von ihrem Vater Raiko begleitet. Sie hat Wasser mitgebracht und versorgt alle Bäume, die anlässlich des Kinderlaufes in den Vorjahren traditionell gepflanzt wurden. Nur wenig später haben sich an gleicher Stelle einige Mitglieder des Fördervereins Huy-Burgen-Lauf getroffen, um den Baum des Jahres 2020 zu pflanzen, eine Robinie. Das dazugehörige Hinweisschild, das den Baum näher bezeichnet, trägt zusätzlich den Vermerk, dass dieser 18. Huy-Burgen-Lauf aufgrund des Cornoavirus nicht stattgefunden hat.

Auf dem Platz des Schachspiel in Ströbeck, dem traditionellen Ziel des ersten Huy-Burgen-Lauf-Tages, erscheinen nicht nur Läuferinnen und Läufer, sondern auch Ortsbürgermeister Jens Müller (SPD) und Rainard Mühlhaus, der Vorsitzende des Fördervereins. Für ein Foto, auf dem niemand dem anderen zu nahe kommt, bietet das riesige Schachbrett genügend Platz.

Am zweiten Lauftag, dem Sonntag, sind mehrere Gruppen mit einigem Abstand unterwegs. Zuerst läuft Maik Uhde, später Marcel Tryller und Rene Wagner von den Crazy Runners, begleitet von Andreas Wenig auf dem Weg und unterwegs betreut durch von Koordinatorin Diana Wenig. Am Vortag hatte Teamkollegin Sandra Wagner diese Aufgabe übernommen. Irmgard Eggert, Edgar Schirbel, Steffen Görner und Bernd Fuhrmeister, Claudio Vigorelli und Ralf Poerschke mit Tochter Nicole als Fahradbegleiterin bilden die letzte Gruppe durch die Feldflur nach Athenstedt. Hier erwartet die Läufer – normalerweise immer hinter der Kirche – eine Sektbar. Zwar hat die Bar in diesem Jahr gefehlt, zur großen Überraschung der Sportler gibt es jedoch trotzdem für jeden einen Sekt.

Einen alkoholfreieren Schluck gibt es später in Huy Neinstedt an der Piepenpal-Quelle. Von dort geht es weiter nach Badersleben, schnurstracks dem Ziel entgegen. Das Tor der Westerburg ist geöffnet. Doch hier warten in diesem Jahr weder Burgfräulein noch Ritter auf die Sportler. Es findet kein Mittagspicknick auf der großen Wiese statt, es gibt kein Programm und auch keinen Ritterschlag. Es herrscht ungewohnte Ruhe.

Läufer Ralph Poerschke sitzt zufrieden in der Sonne und zückt mit der 18. Stempelkarte, von seiner Tochter an den sonst üblichen Verpflegungspunkten abgestempelt, ein ganz besonderes Souvenir. Er gehört zu den Wenigen, die bisher alle Läufe absolviert haben. Das sei für ihn ein Grund mehr gewesen, an dem Wochenende erneut den Weg von Burg zu Burg zu vermessen.

Trotz offizieller Absage zu laufen, ist es eine gute Entscheidung gewesen, unterstreichen alle, die am Sonnabend und Sonntag über kurze oder längere Strecken unterwegs waren. „Es war oft sehr einsam. Da spürte man, was fehlt und was diesen Lauf in der herrlichen Natur unserer Heimat ausmacht – die Leute in den Huydörfern und an der Strecke, der anspornende Beifall, die vielen Helfer und der herzliche Empfang, die Superstimmung an und in den Burgen, die dem Lauf den Namen gaben und selbstverständlich die Organisatoren mit Reinard Mühlhaus und Sven Wasserstrass an der Spitze“, spricht Irmgard Eggert allen Freunden des Laufes aus dem Herzen und fügt hinzu, „nächstes Jahr laufen alle wieder gemeinsam.“