1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. So läuft der Neustart bei Friseuren im Harz

EIL

Coronavirus So läuft der Neustart bei Friseuren im Harz

Wie läuft der Neustart nach der Corona-Zwangspause? Seit Montag darf Ulrike Schmidt ihren Friseursalon in Osterwieck wieder öffnen.

Von Sandra Reulecke 08.05.2020, 10:47

Osterwieck l Schutzkleidung und Handschuhe anziehen, Visier aufsetzen, Desinfektionsmittel nicht vergessen. Wenn sich Ulrike Schmidt für die Arbeit vorbereitet, mutet es an, als würde sie sogleich einen Operationssaal betreten. Dabei hat die Osterwieckerin mit Medizin nichts am Hut. Sie ist Friseurin. Seit Corona gehört jedoch auch zu ihrem Job die Auseinandersetzung mit Viren und dem Schutz davor.

„Ich würde es mir nie verzeihen, wenn sich ein Kunde bei uns im Laden ansteckt“, sagt sie. Dafür, dass Risiko so gering wie möglich zu halten, sorge nicht nur ihr Team. Jeder Kunde habe bisher eine eigene Maske mitgebracht. „Die Kunden sind sehr, sehr dankbar, dass wir wieder da sind. Sie sind geduldig und diszipliniert. Das ist der Wahnsinn“, betont sie.

Obwohl die Kundschaft nicht wirklich besorgt sei, sich anzustecken, habe sie festgestellt. „Wir haben einen separaten Raum vorbereitet für Menschen, die zur Risikogruppe gehören. Aber bisher wollte den niemand nutzen.“ Die Leute seien viel zu froh, wieder raus zu kommen, andere Menschen zu sehen. Der Gang zum Friseur sei ein Stück Normalität.

Wobei die Plexiglasscheibe am Empfang, die Schilder mit Hinweisen auf Abstands- und Hygieneregeln sowie die abgegrenzten Bereiche im Salon zeigen, dass nichts normal ist. Nach jedem Kunden müssen Arbeitsplatz und -geräte desinfiziert werden. Das koste Zeit. Zudem darf sich nur eine begrenzte Anzahl von Personen im Laden aufhalten. „Bis zu 22 Kunden schaffen wir sonst an einem Tag“, berichtet die Salon-Inhaberin. „Unter den jetzigen Bedingungen wird es nur die Hälfte sein.“

Dabei hat sie die Öffnungszeiten deutlich ausgedehnt. Die Nachfrage sei so hoch wie nie. „Bei der Terminvergabe sind wir schon bei Anfang Juni“, berichtet Ulrike Schmidt. Von Berufskollegen und Kunden wisse die 57-Jährige, dass die Auftragslage derzeit überall ähnlich sei. „Wir bekommen Anrufe von Leuten aus Wernigerode und Halberstadt, die sonst nie zu uns kommen.“

Kein Wunder: Nach dem 23. März mussten Friseure bundesweit schließen – sechs Wochen, in denen Haare sprießen und Ansätze herauswachsen konnten. Gerade für ältere Kunden sei das schwer gewesen. „Sie haben einen festen Rhythmus. Und für sie ist ein Friseurbesuch mehr, als sich die Haare machen zu lassen. Wir sind auch eine Art Kummerkasten für sie.“

Trotz der so lange geschlossener Salons kommen nun nicht alle Kunden mit langen Haaren zu ihr. Manche Männer haben sich aus Verzweiflung von ihrer Frau die Haare schneiden lassen – nicht alle mit guten Ergebnissen. „Korrekturschnitte nennen wir das“, berichtet Ulrike Schmidt lachend. „Das kennen wir noch aus der Zeit der Währungsreform, da wollten viele sparen.“

In der Zeit der Schließung war der Friseurin nicht nach Lachen zumute. „In den ersten drei Wochen war ich ganz kribbelig, konnte gar nicht schlafen“, berichtet sie. Existenzängste und die Unsicherheit, wie es für sie und ihre drei Angestellten weitergehen soll, haben sie wachgehalten. Seit 36 Jahren sei sie Friseurin, seit 32 Jahren führe sie ihr eigenes Geschäft. „So lange habe ich noch nie nicht gearbeitet.“ Der erste Tag nach der Zwangspause habe sich angefühlt wie ein Neuanfang. „Es war aufregend.“

Die Freude ist nicht ungetrübt. Ihre größte Sorge sei eine erneute Schließung, falls die Ansteckungsrate wieder steigt. Zudem befürchte sie, dass die Nachfrage schnell nachlassen könnte. „Viele sind in Kurzarbeit, verdienen weniger und müssen sparen“, erläutert sie.

Zumal die Saloninhaberin ihrer Preise anheben musste. „Es ging einfach nicht anders. Masken und Desinfektionsmittel sind teuer. Wir müssen dreimal so viel Wäsche waschen wie sonst.“ Die Kunden reagieren bislang mit Verständnis, niemand habe sich beschwert, berichtet Ulrike Schmidt. Auch nicht darüber, dass sie keine Trockenhaarschnitte anbieten darf. „Ein Mann sagte sogar, dass er jetzt immer die Haare waschen lassen will. Er habe nicht gewusst, was ihm 30 Jahre lang entgangen ist“, plaudert Schmidt aus dem Nähkästchen.

Sie habe das Gefühl, dass die Corona-Krise trotz allem auch positive Aspekte für ihren Beruf mit sich bringt. „Das Friseurhandwerk wird jetzt viel mehr wertgeschätzt, nachdem alle gemerkt haben, wie sehr sie von uns abhängig sind.“

Zudem sei die Branche enger zusammengewachsen. „Wir sind keine Konkurrenten, sondern unterstützen uns gegenseitig.“ Via Internet und Whatsapp tausche man sich über Förderanträge aus und darüber, wo es Desinfektionsmittel zu bezahlbaren Preisen gibt.

Auch ganz praktische Tipps werden gegeben. Zum Beispiel für Friseure, die Brille tragen. Deren Gläser beschlagen sofort, wenn sie den Mund-Nasen-Schutz aufsetzen. „So kann man nicht arbeiten.“ Die Lösung: ein transparentes Visier, welches das gesamte Gesicht bedeckt. „Die sind auch erträglicher und besser zum Atmen, wenn man den ganzen Tag im Laden steht“, berichtet Ulrike Schmidt.

Sie sei dankbar dafür, wie sehr sich die Innung Harz-Bode für sie und ihre Kollegen einsetzt. „Der Vorstand hängt sich voll rein. Er holt Infos für uns ein, spricht mit der Politik und unterstützt uns.“ Zum Beispiel beim Erstellen eines Hygienekonzepts. „Es tut gut zu sehen, dass man in dieser Situation nicht allein ist.“