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Restauratoren sanieren Ornamente von Kanzel, Taufstein und Loge der Flechtinger Kirche Der Stuck erhält seine alte Pracht zurück

Von Carina Bosse 02.02.2013, 02:15

Restauratoren haben die Flechtinger Patronatskirche gegenwärtig fest in ihrer Hand. Zwar sind die Temperaturen im Gemäuer des Gotteshauses noch nicht optimal, doch die alte Pracht der Ornamente tritt so langsam schon wieder hervor.

Flechtingen l Die Baumeister früherer Zeiten waren wahre Meister. Davon ist Tom Zimmermann überzeugt. Der Diplom-Restaurator aus Potsdam hebt vorsichtig mit einem Spatel Dreck von der Patronatsloge der Flechtinger Kirche. Das Säubern der Stuckornamente an der Loge und am Taufstein zählt zu den Aufgaben, die er von der Kirchengemeinde übertragen bekommten hat. Die Wappen adliger Familien sind reich verziert und alle mit unterschiedlichen Symbolen versehen.

Eine Arbeit, die alles andere als einfach ist. Man braucht Ausdauer und Ruhe, und das bei Temperaturen um den Gefrierpunkte. Denn auch wenn draußen mittlerweile frühlingshafte Temperaturen herrschen, ist das Gemäuer der Kirche noch ausgekühlt.

Temperatur und Feuchtigkeit müssen von den Restauratoren ständig beobachtet werden. Schließlich wollen sie heilen und nicht kaputt machen. Tom Zimmermann hält ein Thermometer an den Stuck: - 0,9 Grad Celsius.

Trotzdem kommen er und seine Kolleginnen Mara Oricchio und Ulrike Wende gut voran. Sie sind dick angezogen mit Jacke, Schal und Mütze, sitzen oder stehen auf isolierendem Styropor.

Deutlich zu sehen sind Versuche früherer Zeiten, einige Reparaturen vorzunehmen. Im Gegensatz zum historischen gelblichen Baumaterial aus dem 16. Jahrhundert sind die Reparaturstellen aber schneeweiß. Tom Zimmermann hat schon Kontakt zu Sandgruben in der Gegend aufgenommen, um möglichst authentisches Material zu erhalten. Überall unter dem Gips schaut immer wieder Holz hervor, das wahrscheinlich als Stützmaterial verwendet worden ist.

Ein-, zweimal in der Woche sind sie in Flechtingen, um ihren Auftrag zu erfüllen. Der Taufstein ist auch schon begonnen worden.

Schwerer hat es Harald Straßburger. Der Diplom-Restaurator der Bau- und Denkmalpflege GmbH Fuchs und Girke aus Ottendorf-Okrilla in Sachsen steht auf einem Gerüst vor der Kanzel, die von Moses getragen wird.

Die filigranen Figuren bedeckt eine dicke Dreckschicht. Wird diese vorsichtig weggepinselt, erscheinen eine ganze Reihe von Schäden, die behoben werden müssen. "Das geht aber erst bei Plusgraden", sagt der Restaurator. Er verweist auf die kleinen Figuren, die Justitia umringen. Risse und Löcher durchziehen die Gipskonstruktion der ganzen einst prachtvollen Kanzel.

Wahrscheinlich tragen die Figuren und die Kanzel selbst den Staub vier ganzer Jahrhunderte auf sich, denn sie sind schwer zugänglich und kaum mal zum Reinigen zu erreichen.

Die Kanzel stammt aus dem Jahr 1592, ist wie vielerorts auch ein Ausdruck der Reformationszeit. Justitia, die größte Figur der Moses-Kanzel, hält eine Waage aus Holz in ihren Händen. Auf der anderen Seite fehlt ihr Zubehör. "Wahrscheinlich hielt sie ein Schwert in der Hand", meinen beide Restauratoren. Das soll nun unter anderem auch erneuert werden. Die kleinen Figuren sehen aus, als bilden sie ein Engelsorchester. Doch an einer lehnt auch so etwas wie ein Schild am Bein. Und was die kleinen Figuren wirklich einmal in ihren Händen hatten, ist vielfach nicht mehr zu erkennen. Mal sehen, was hervortritt, wenn Harald Straßburger vorsichtige Zentimeter um Zentimeter vom Staub befreit hat.

Es wird Frühjahr werden, ehe beide Denkmalpflege-Unternehmen die Arbeiten in der Flechtinger Patronatsloge abschließen können. Doch Ruhe und Ausdauer führen hier zum Erfolg.