Plan für Ortsumgehung liegt jetzt zur Einsicht im Haldensleber Rathaus aus Eberhard Arnstedt in Wedringen: Ganz Europa fährt bei uns vor der Haustür durch
Hoffnung für Wedringen: Im Rathaus in Haldensleben liegt der Plan für die Ortsumgehung Wedringen bis zum 5. Dezember aus. Das Planfeststellungsverfahren läuft endlich. Bis zum Baubeginn ist es dennoch weit.
Wedringen l Seit mehr als 20Jahren haben die Wedringer mit dem ständig wachsenden Verkehr zu kämpfen. Und so lange kämpfen sie auch für eine Umgehungsstraße. Vor den Fenstern der Wedringer, die an der Durchgangsstraße wohnen, rauscht ein Auto nach dem anderen durch. Es gibt keine Ruhe. Jürgen Heyer (SPD), Minister für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr in Sachsen-Anhalt von 1994 bis 2002, sei der erste Minister gewesen, der den Wedringern eine Umgehungsstraße versprochen hatte, sagt Sigrid Arnstedt. Seitdem fühlen sie sich immer wieder nur vertröstet.
"Wir warten schon 15 Jahre - leider", erklärt die Wedringerin, so lange sei die erste Zusage her. Inzwischen hat sie einen ganzen Wäschekorb voll Unterlagen und Zeitungsartikel, und alles dreht sich um eines - die Umgehungsstraße.
Nicht verstehen können Sigrid und Eberhard Arnstedt, dass mit dem Bau der Umgehungsstraße für Bebertal vor der Ortsumgehung für Wedringen begonnen wurde. Und als sie lasen, dass das Land damit rechnet, dass rund 6000 Fahrzeuge im Jahr 2025 über die Bebertaler Umgehungsstraße fahren würden, davon 1000 Lkw, schüttelten sie mit dem Kopf. Natürlich gönnen sie den Bebertalern ihre Umgehung, aber bei ihnen rauschen schon jetzt wesentlich mehr Fahrzeuge durch.
"Die Belastung lag 2010 auf der B71 bei 15172 Fahrzeugen in 24 Stunden, davon 2182 Lkw"
"Ganz Europa fährt bei uns vor der Haustür durch", sagt Eberhard Arnstedt. Und es werden immer mehr Autos, ist er überzeugt. Diese Einschätzung teilen offensichtlich auch die Zuständigen im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. "Bei den Planungen wird von einer Verkehrsbelastung im Jahr 2010 auf der bestehenden B71 in Wedringen von 15172 Fahrzeugen in 24 Stunden ausgegangen", erläutert Pressereferent Peter Mennicke. Die Schwerverkehrsbelastung liegt bei 14 Prozent, das heißt 2182 Kraftfahrzeuge sind Lkw. "Die Verkehrsprognose für die Ortsumgehung Wedringen geht für das Jahr 2025 von einer Verkehrsbelegung von 19350 bis 19700 Kraftfahrzeugen in 24 Stunden mit einem Schwerverkehrsanteil von etwa 19 Prozent aus."
Seit Mittwoch liegt der Plan für den "geplanten Neubau der B71n, A14 - Haldensleben, Abschnitt Ortsumfahrung Wedringen in den Gemarkungen Haldensleben, Wedringen, Vahldorf, Neuenhofe und Hillersleben" im Haldensleber Rathaus aus. In diesem Anhörungsverfahren im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens können noch Einwendungen erhoben werden. Bis zum 5.Dezember liegen die Pläne aus, bis zum 19. Dezember sind Einwendungen möglich. Danach werden die Einwendungen erörtert.
Für dieses Planfeststellungsverfahren seien die Landesstraßenbaubehörde Antragsteller und das Landesverwaltungsamt verfahrensführend, erklärt Peter Mennicke. Das Verfahren gliedert sich in das Anhörungsverfahren und die Feststellung des vorgenannten Plans. Im Anhörungsverfahren, wofür die Anhörungsbehörde zuständig ist, gehe es um die Offenlegung des Plans und die Erörterung der Stellungnahme der Behörden sowie der Einwendungen der Privaten, erläutert der Pressereferent weiter. Über die im Anhörungsverfahren nicht ausgeräumten Einwendungen entscheidet die Planfeststellungsbehörde mit einem Planfeststellungsbeschluss. Dagegen kann allerdings Klage erhoben werden. Dann müssen Verwaltungsgerichte entscheiden.
Da für die Ortsumgehung Land gekauft werden muss, fragte die Volksstimme im Ministerium, ob bereits mit den betroffenen Eigentümern verhandelt oder ob auf das Baurecht gewartet werde. "Erste Gespräche mit den Eigentümern finden in der Regel parallel zum Planfeststellungsverfahren statt. Kaufverträge können jedoch erst nach Freigabe von Haushaltsmitteln abgeschlossen werden", so Peter Mennicke.
Nun befürchten einige Wedringer, dass die Einwohner, die am Ortsrand in Richtung Haldensleben wohnen, unter dem Lärm der Fahrzeuge auf der zu bauenden Umgehung auch künftig zu leiden haben. Mennicke verweist auf das Bundesimmissionsschutzgesetz und die 16. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV), in der die gebietsspezifischen Lärmgrenzwerte für Tag und Nacht sowie Berechnungsgrundlagen festgelegt werden.
Weiter erklärt er: "Im Rahmen der schalltechnischen Untersuchung wurde für das Prognosejahr 2025 geprüft, inwieweit durch die von der B71n verursachten Lärmemissionen die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV überschritten werden und ob entsprechende Lärmschutzmaßnahmen zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte erforderlich sind. Dabei wurde berücksichtigt, dass eine lärmmindernde Fahrbahndecke eingebaut wird. Im Ergebnis wurden die gesetzlich vorgeschriebenen Immissionsgrenzwerte im Bereich der Wohnbebauung von Wedringen eingehalten."
"Unsere Lebensqualität ist gleich Null"
Die Wedringer wissen, dass dieses Planfeststellungsverfahren nur ein Schritt ist zu ihrem Ziel, wenn auch ein sehr wichtiger. Sie wissen auch, dass Klagen das Verfahren verlängern können. Als das Kabinett von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) vor einem Monat in Haldensleben war, wurde auch die Umgehung für Wedringen angesprochen. Das Bauvorhaben sei in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen, hieß es dazu, und 2015 könne theoretisch mit dem Bau begonnen werden. Brief und Siegel gibt es darauf aber nicht, nur Hoffnung.
Die Wedringer werden erst daran glauben, wenn die tatsächlich Baufahrzeuge arbeiten. "Viele stumpfen ab", sagt Eberhard Arnstedt, "zu lange müssen wir diesen Lärm und Schmutz schon ertragen." Obwohl das Schlafzimmer nach hinten raus liegt, gibt es keine Ruhe. "Das ganze Haus bewegt sich. Auch nachts vibriert die Glastür zum Badezimmer." Nicht selten steht einer nachts auf, um nachzusehen, weil sie von einem Knall wachgeworden sind. "Nach der Sanierung hat das Haus schon wieder extreme Risse", sagt Eberhard Arnstedt. Er hat das Grundstück mit viel Liebe und Ideen zu einem Schmuckstück gemacht. Seit Generationen lebt seine Familie hier. Eberhard Arnstedts Vorfahren haben das Haus im 18. Jahrhundert gebaut: "Wir wollen hier nicht wegziehen!"
Sie haben Schallschutzfenster der höchsten Stufe eingebaut, viel bringt das nicht. Im Garten können sie ihr eigenes Wort nicht verstehen. Hier gibt\'s nur Lärm und Dreck. Die Gläser im Schrank müssen immer wieder an ihren alten Stand gebracht werden, sie wandern von den Erschütterungen. Fenster aufmachen? Sigrid Arnstedt winkt ab: "Unsere Lebensqualität ist gleich Null."
Nicht nur der ständige Fahrlärm nervt die Anwohner. Mitten im Ort befindet sich eine Ampelanlage. Da quietschen ständig Bremsen, heulen Motoren auf, wenn die Fahrzeuge wieder anfahren. Von dem Dreck, dem Abrieb mal ganz abgesehen. Jetzt hoffen sie, dass der BUND nicht noch klagen wird. "Als naturliebende Menschen sind wir auch für die Erhaltung der Natur, aber hier steht doch wohl der Mensch im Mittelpunkt."