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Hoffest zum 125. Geburtstag der Halberstädter Straßenbahn Einstieg einst mit heufressendem Zwei-PS-Antrieb

Von Jörg Endries 09.05.2012, 05:19

Vor 125 Jahren fuhr in Halberstadt die erste Straßenbahn. Damals allerdings noch nicht elektrifiziert. Die Pferdebahn nahm am 28. Juni 1887 den Betrieb auf. Grund genug für die Halberstädter Verkehrsgesellschaft (HVG), dieses Jubiläum mit einem bunten Familienfest zu feiern. Obwohl die Zukunft der Bahn in Frage gestellt wird.

Halberstadt l Eine rasante Entwicklung liegt zwischen der Geburtsstunde der Halberstädter Straßenbahn bis zur Gegenwart. Nicht nur, dass die damals übliche Holzklasse aus den modernen Zügen verschwunden ist. Revolutionäres tat sich auch beim Antrieb. Sorgten damals maximal zwei PS für Vortrieb, so ziehen heute vier Elektromotoren die Wagen mit 355 Pferdestärken über die Schienen. Die Pferdebahn wurde erst 1903 durch die "Elektrische" ersetzt.

Die vorerst letzte Stufe der "Evolution" des öffentlichen Nahverkehrs in Halberstadt wurde 2006/2007 mit dem Kauf der fünf neuen Straßenbahnzüge erklommen. Die Vorteile der Bahn, mit der man ohne rote Welle, staufrei und umweltfreundlich auf 11,7 Kilometern Liniennetz komfortabel von A nach B in der Kreisstadt kommt, wissen Halberstädter und Gäste der Stadt zu schätzen. Immerhin werden für die Straßenbahnen und die acht Busse der HVG pro Jahr etwa 2,1 Millionen Fahrscheine verkauft.

Zukunftsfrage ungeklärt

Womit die 125-Jährige, die heute zum Firmenverbund der städtischen Holding Nosa gehört, weit davon entfernt ist, als Methusalem aufs Altenteil geschickt werden zu müssen. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Bahn in der Kreisstadt eine Zukunft hat. Mit den neuen Wagen wollte der Stadtrat die Frage zumindest für die kommenden zwei Jahrzehnte beantwortet haben. Vor gut einem Jahr begann jedoch erneut die Diskussion über die Zukunft der Straßenbahn. Hintergrund dafür ist die angespannte Haushaltslage und angesichts einer Schuldenlast von 84 Millionen Euro (davon 42,8 Millionen Kredite für Investitionen) die Frage, ob sich Halberstadt dieses Verkehrsmittel noch leisten kann. Schwarz auf Weiß ist der Ausstieg Bestandteil des Haushaltskonsolidierungskonzeptes, das die Stadt bis 2014 auf einen finanziellen Gesundungskurs bringen soll.

So wurde auf Antrag der Forum-Fraktion offiziell die Frage nach dem "Einstieg in den Ausstieg" des Straßenbahnbetriebs gestellt. "Die ist noch nicht abschließend beantwortet und wird immer noch diskutiert", sagt Axel Wöhlbier, HVG-Geschäftsführer, auf Nachfrage der Halberstädter Volksstimme. Vor allem, weil der Ausstieg die Stadt teuer zu stehen kommen könnte. Die Kommune hat sich mit dem Erhalt der Fördermittel verpflichtet, die Bahn 25 Jahre zu betreiben, mit einer Laufleistung von 1,45 Millionen Kilometern bis 2032. Geschieht dies nicht, so müssten Fördermittel in Höhe von fünf Millionen Euro, die die Stadt für den Ausbau des Gleisnetzes und den Kauf neuer Bahnen bekommen hat, an das Land Sachsen-Anhalt zurückgezahlt werden.

Ein Ergebnis der offenen Zukunftsfrage ist, dass für die weitere Modernisierung der Bahn und die Sanierung des Streckennetzes derzeit kein Geld zur Verfügung steht. Man muss sich mit den notwendigen Reparaturen und der Wartung der Technik begnügen. "Das ist das Mindestprogramm, damit die Sicherheit gewährleistet ist", so Axel Wöhlbier.

Obwohl sich die dunklen Wolken am Horizont immer noch zusammenziehen, will man sich bei der HVG die Feststimmung nicht verderben lassen. 125 Jahre Straßenbahn, darauf kann nicht jede Stadt zurückblicken. Darum soll das Jubiläum am Sonnabend, dem 30. Juni, ab 10 Uhr mit einem Hoffest auf dem HVG-Betriebsgelände in der Gröperstraße 83 gefeiert werden. "Ein buntes Familienfest im Zeichen der Straßenbahn", betont Axel Wöhlbier. Einen Mix aus Musik, Tanz, Rundfahrten mit der historischen Straßenbahn und der Schlanstedter Feldbahn sowie Ponyreiten wird es geben, verspricht der HVG-Geschäftsführer und hofft auf viele Festgäste.