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Eishockey Von Eisbären zur Feuerwehr Halberstadt

Vom Leben bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt zum Kampf gegen Flammen: Marcel Weise aus Halberstadt erzählt, wie es dazu kam.

Von Sandra Reulecke 03.03.2020, 00:01

Halberstadt l Am Wochenende ist es soweit. Der Berufsfeuerwehrmann Marcel Weise jagt einen Puck, eine kleine Hartgummischeibe, über das Glatteis. Er spielt am 7. und 8. März im Finale bei der Deutschem Pondhockey-Meisterschaft in Braunlage. „Bier-Liga“, sagt der Wahl-Halberstädter lachend. Der 41-Jährige ist andere Maßstäbe gewöhnt: Er spielte für die Eisbären Berlin und sogar in der Nationalmannschaft.

Seine Begeisterung für Eishockey wurde bei einem Wandertag in der ersten Klasse geweckt, berichtet Weise. Der Vater einer Mitschülerin, habe gefragt, ob die Jungen das Spiel ausprobieren wollen. Sein Interesse war sofort geweckt, sagt Weise. Dass er in Berlin geboren und aufgewachsen ist, ist nicht zu überhören. „Die Sprache lasse ick mir nich nehmen. Det haben schon viele versucht“, sagt er augenzwinkernd.

Sein Start beim SC Dynamo – heute Eisbären Berlin – verlief blutig. „Bei meinem ersten Auftritt auf dem Eis ist mir jemand über den Daumen gefahren“, berichtet der Halberstädter, zeigt seine Narbe und ergänzt: „Der Daumen blieb dran, mit den Schlittschuhen von damals konnte nicht viel passieren“. Seiner Begeisterung für den eisigen Sport habe die Verletzung keinen Dämpfer verpassen können. Auch für seine Eltern sei sie kein Grund gewesen, ihm das Hobby zu verbieten. „Mein Vater war selbst Leistungssportler und sah das locker.“

Abgesehen von kleineren Blessuren sollte der Schnitt die letzte größere Verletzung bleiben – dabei wurde aus dem Freizeitspaß schnell Ernst. Ab der siebten Klasse besuchte Marcel Weise eine Sportschule in Berlin. „In meiner Parallelklasse war Franziska van Almsick“, berichtet er. Viel habe er mit der Schwimmerin jedoch nicht zu tun gehabt. Die Schüler der verschiedenen Sportrichtungen blieben unter sich.

„Ich erinnere mich gern an diese Zeit, wenn meine Jugend auch sicher eine andere war“, sagt Weise. Während andere Kinder sich nach der Schule mit Freunden trafen, hatte er ein straffes Programm. Die Saison, inklusive Vorbereitung, ging von Ende Juni bis März, April. Um in Form zu bleiben, wurde zwischendurch Streethockey gespielt. Vor und nach dem Unterricht Training, an den Wochenenden standen Spiele auf dem Plan – oft gleich zwei nacheinander.

Bis zur Wende sah das noch anders aus. „In der DDR hatten wir eigentlich nur einen Gegner.“ Geschuldet war das einer Bestimmung der DDR-Regierung. Diese beschloss 1970, alle Eishockeyclubs zu Hobby-Mannschaften zu degradieren – bis auf die Teams von SG Dynamo Weisswasser und der SC Dynamo Berlin. Diese „Zwergenliga“ existierte bis 1990. „Und dann ging plötzlich für uns die große weite Welt auf. Wir hatten Spiele in ganz Deutschland.“ Und nicht nur dort. Weise war zeitweise Mitglied der Jugend-Nationalmannschaft. Aber nur als Ersatz-Torwart, wie er verrät.

Dennoch hegte er den Traum, Profi zu werden, liebäugelte mit einem Angebot aus Düsseldorf. Doch das habe sich angesichts der anfallenden Ablösesumme zerschlagen, berichtet Weise. Bei seinen Mannschaftskameraden von den Eisbären Berlin – aktuell Platz vier in der DEL (Deutsche Eishockey-Liga) – sei der Wechsel-Plan nicht gut angekommen. Als dann Unstimmigkeiten mit seinem Trainer dazu kamen, „habe ich 1998 den Entschluss gefasst, aufzuhören.“

Lange blieb der Torwart dem Eis jedoch nicht fern. „Man ist nicht derselbe, wenn man so lange gespielt hat und plötzlich aufhört“, sagt Weise. Nach einem kurzen Ausflug zum Berliner Schlittschuh-Club ging er zum Freien Akademischen Sportverein Siegmundshof Berlin e. V., kurz FASS Berlin, und spielte in der Regionalliga.

Mit dem Antritt seiner Wehrpflicht sei es schwieriger geworden, regelmäßig am Training teilzunehmen. „Irgendwann wusste ich selbst, dass aus der Profi-Karriere nichts wird“, gesteht der 41-Jährige. Deshalb habe er das Angebot, seinen Dienst bei der Bundeswehr zu verlängern, angenommen. „Ich hatte lieber meine Schäfchen im Trockenen als einem Traum nachzujagen. Immerhin konnte ich ja noch Regionalliga spielen.“ In insgesamt mehr als 160 Spielen. Bis 2008 war er bei FASS Berlin.

Im selben Jahr zog er für seine heutige Frau – die er bei der Bundeswehr kennengelernt hatte – nach Halberstadt. „Sie wollte auf keinen Fall in Berlin leben.“ Und da seine Zeit als Soldat endete, habe er ohnehin einen Neuanfang wagen müssen. Auch beruflich. Bei der Halberstädter Feuerwehr habe sich die Möglichkeit ergeben, sich ausbilden zu lassen. „Mein Vater war Berufsfeuerwehrmann, ich wusste also, worauf ich mich einlasse.“

Der Job gefalle ihm und in Halberstadt fühle er sich wohl. „Für die Kinder ist es hier ein besseres Aufwachsen. Und die Umgebung ist schöner – man kann wandern und radfahren“, sagt der dreifache Familienvater. Die Infrastruktur lasse dagegen zu wünschen übrig.

Ebenso die Möglichkeiten, Eishockey zu spielen. Er habe überlegt, sich dem Braunlager Verein anzuschließen. Aber die Fahr- und Trainingszeiten mit Familie und Beruf zu vereinbaren sei zu schwierig. „Meine Prioritäten haben sich geändert. Eishockey war früher das Wichtigste in meinem Leben – meine Eltern können ein Lied davon singen. Das ist nicht mehr so“, sagt Marcel Weise.

Aber manchmal, wenn er Spiele im Fernsehen sieht und der Winter beginnt, dann packe ihn schon die Sehnsucht nach dem Eis. Darum sei er froh, über solche Gelegenheiten wie die Deutsche Pondhockey-Meisterschaft. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Pond- und Eishockey? „Beim Pondhockey gibt keinen Torwart, gespielt wird vier gegen vier“, erläutert Weise. „Es ist der Ursprung des Eishockey.“

Von den Erfahrungen seiner Eishockey-Zeit profitiere er bis heute: Er habe Disziplin und Teamgeist gelernt, könne sich unterordnen. Alles Eigenschaften, die auch ein Feuerwehrmann mitbringen muss.