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Bernd von der Heide, Gründungsdirektor des Fallstein-Gymnasiums, geht nach 22 Jahren in den Ruhestand Geholfen, gekämpft und oft gewonnen

Von Mario Heinicke 28.06.2013, 03:20

Es ist der 20. Abiturjahrgang am Fallstein-Gymnasium, den Bernd von der Heide am Sonnabend zum Abschlussball begleitet. Und es ist sein letzter. Der Direktor geht in den Ruhestand.

Osterwieck l 22 Jahre besteht nun das Osterwiecker Gymnasium. Seit dem ersten Tag ist Bernd von der Heide dessen Chef. Ein Grenzgänger, denn zu Hause ist er im niedersächsischen Dörfchen Bornum, das von Osterwieck aber weniger weit entfernt liegt als Wernigerode oder Halberstadt. Täglich fährt er bei Willeckes Lust über die lange unüberwindlich scheinende Grenze, mit einer Freude tief im Innern. Die er schon 1992 ausdrückte, als er ganz persönliche Erinnerungen und Gedanken von seinen Schülern an die Grenzöffnung in Buchform herausgab und ein Exemplar seinen Weg sogar bis ins Bundeskanzleramt fand.

Heute ist es ganz normal, dass über 100 Schüler aus Niedersachsen in Osterwieck das Gymnasium besuchen. Und doch ist es noch außergewöhnlich. Wie überhaupt schon ein Gymnasium in einem 3500-Seelen-Städtchen nicht alltäglich ist.

"Dass das Gymnasium anfangs auf so tönernen Füßen stand, hätte ich nicht gedacht."

Das Fallstein-Gymnasium ging mit Direktor von der Heide von Anfang an keinen einfachen Weg. Auch notgedrungen, um das Überleben im Schatten der großen und auch leistungsstarken Gymnasien von Halberstadt und Wernigerode zu sichern.

Es waren die Osterwiecker Stadträte, die nach der Wende ein Gymnasium wollten. Bernd von der Heide war seinerzeit Lehrer für Englisch, Geschichte und Sozialkunde am Kranich-Gymnasium Salzgitter. Für das Kranich-Gymnasium hatte er zwecks Partnerschaft Kontakt mit der Osterwiecker Mauerstraßenschule und deren Direktor Dieter Wenderoth aufgenommen und wusste um die Bestrebungen der Stadtväter.

Von der Heide bewarb sich in Halberstadt um die ausgeschriebene Stelle, obwohl er bald in Salzgitter oder Bad Harzburg Schuldirektor hätte werden können. "Mein Dezernent konnte das nicht verstehen. Aber ich wollte beim Aufbau des Gymnasiums helfen. Dabei war es mir wichtig, dass ich keine Kampfkandidatur gegen den Amtsinhaber habe." Wenderoth stand seinerzeit schon vor dem Ruhestand. Wie von der Heide Jahre später hörte, habe das Halberstädter Gremium unter mehreren Bewerbern einstimmig für ihn votiert.

"Wir sind nicht nur auf den letzten Wagen des Zuges aufgesprungen, sondern auf den letzten Puffer."

Der Wille der Stadtväter war da. "Dass das Gymnasium anfangs aber auf so tönernen Füßen stand, hätte ich nicht gedacht", blickt von der Heide auf die Anfänge zurück. Die Mauerstraßenschule allein war viel zu klein für ein Gymnasium, es musste daher eine Außenstelle in Badersleben vorgehalten werden. In Osterwieck selbst wurden mehrere Gebäude genutzt.

Der geplante Neubau in der Ilsestadt war eine Geschichte für sich. Mit viel Glück hat die notwendige Landesförderung letzten Endes geklappt. "Wir sind nicht nur auf den letzten Wagen des Zuges aufgesprungen, sondern auf den letzten Puffer. Diese enge Kiste habe ich erst im Nachhinein erkannt."

Doch nicht nur das Geld und das Bauen gehörten zu den Abenteuern der ersten Stunde. Da war auch der Widerstand aus Badersleben, das sich aus seiner EOS-Geschichte heraus als Gymnasiumstandort ins Spiel brachte. Von der Heide hat nicht vergessen, wie bei einem Elternabend ein Baderslebener aufstand und sagte: "Sie werden doch nicht glauben, dass auch nur ein Schüler aus Badersleben nach Osterwieck kommen wird."

Für den Direktor war das einer der, wenn auch wenigen, schwarzen Tage im Dienst. Die Geschichte zeigt, dass es anders kam. Auch anders, als es der Dezernent aus dem Landesverwaltungsamt angekündigt hatte. Er verkündete auf einer internen Dienstberatung die Schließung des Fallstein-Gymnasiums zum 31. Juli 2007. Dass das nicht eintrat, haben die Osterwiecker nach von der Heides Einschätzung dem damaligen Landrat Henning Rühe und seinem Stellvertreter Hans-Dieter Sturm zu verdanken. Sie stellten die Weichen, dass mehr Schüler aus dem Huy-Bereich nach Osterwieck fuhren. Und die Ilsenburger erhielten darüber hinaus die Wahlmöglichkeit, auch Ilse abwärts ans Gymnasium zu gehen. Hinzu kamen die Niedersachsen. "Wir sind seit einigen Jahren vierzügig. Im nächsten Schuljahr bekommen wir drei fünfte Klassen. Das ist eine solide Ausgangsbasis für die nächsten Jahre."

"Wir sind seit einigen Jahren vierzügig. Im nächsten Schuljahr bekommen wir drei fünfte Klassen. Das ist eine solide Ausgangsbasis für die nächsten Jahre."

Dass es so viel Unterstützung für den Standort Osterwieck gab und gibt, hat auch etwas mit dem Ruf zu tun, den sich das Fallstein-Gymnasium über Jahre erarbeitet hat. Früher als andere ermöglichte Bernd von der Heide den internationalen Schüleraustausch, Vorreiter waren die Fallsteiner als Ganztagsschule, sie unterrichten - auch gegen anfängliche Widerstände - körperbehinderte Schüler. Bei Geschichtswettbewerben landeten Schüler des Fallstein-Gymnasium ganz vorn, wurden sogar zweimal vom Bundespräsidenten empfangen. Im Basketball fand die Schule aus einer vom Sportlehrer Jürgen Kluge begründeten Tradition heraus eine Nische, die bis in die Bundesfinalrunde führte. Obwohl früher nie aktiver Basketballer, ließ sich von der Heide übrigens von der Sportart "infizieren" und stand zehn Jahre an der Spitze des Basketballverbandes Sachsen-Anhalt.

"Wir hatten zwei Ministerpräsidenten bei uns zu Gast und bis auf Herrn Dorgerloh alle Kultusminister aus Sachsen-Anhalt", zählt der Direktor auf. Der Draht zur Politik liegt ihm wohl auch im Blut. Von der Heides Bruder war Landtagsabgeordneter, er selbst ist seit Jahrzehnten Kommunalpolitiker. "Die schulische Entwicklung ist immer der politischen vorausgeeilt", stellt er fest. Der erste Einzugsbereich des Fallstein-Gymnasiums entspricht etwa der heutigen Einheitsgemeinde. "Schule verbindet", sagt er mit Blick auf die Landkarte.

"Die schulische Entwicklung ist immer der politischen vorausgeeilt."

Doch der Niedersachse ist auch zu einem Teil Osterwiecker. "Mein Urgroßvater hat in der Gartenstraße gelebt", weiß Bernd von der Heide über seine Vorfahren. Noch mehr kennen ihn nach 22 Jahren die Osterwiecker. "Auf dem Lande ist alles ein bisschen enger gestrickt. Die ersten Abiturienten haben schon wieder ihre Kinder bei uns. Einschließlich der Eltern sind es drei Generationen, mit denen ich zu tun hatte."

1100 Schüler haben Bernd von der Heide und seine Lehrerkollegen bisher zum Abitur geführt. Wenn heute generell nur noch etwa die Hälfte der eingeschulten Gymnasiasten wirklich das Abitur erreicht, so wurmt das den Chef. "Das ist eine Entwicklung, die uns Sorgen macht." Zumal immer öfter Eltern die Lehrer als Sündenböcke sehen, wenn die Schüler den Schulabschluss nicht schaffen. Von der Heide hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er die siebte Klasse zweimal absolviert hat. "Man muss die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Ich war damals ehrlich zu mir und selber schuld, weil ich lieber Fußball gespielt und Briefmarken getauscht hatte", blickt er zurück. "Wir haben den Ruf, dass wir einen leistungsschwächeren Schüler nicht gleich von der Schule nehmen, sondern lange an ihm festhalten. Wir versuchen, ihn zum Kämpfen zu motivieren."

Bernd von der Heide hat in 22 Jahren viel gekämpft, viel kämpfen müssen. Er hat oft, aber längst nicht alles gewonnen. Mit der neuen Sporthalle hat es bis heute nicht geklappt. "Ich gebe zu, manchmal bin ich ein schlechter Verlierer." Die Tage der Freude überwogen. Etwa als das Fallstein-Gymnasium 2009 laut Schülerzeitschrift-Umfrage zur bundesweit besten Schule gewählt wurde. Oder als die riesige Salzgitter AG Kooperationspartner der Schule wurde. Der Vertragsunterzeichner damals in Osterwieck, Vorstandsmitglied Peter-Jürgen Schneider, ist seit Kurzem Finanzminister in Niedersachsen. Als Höchstes wertet von der Heide aber den achten Platz des Fallstein-Gymnasiums bei einer Untersuchung des Wirtschaftsmagazins "Capital" unter 575 befragten Schulen.

"Lehrer ist noch ein Traumberuf, weil man gestalten kann."

65 Jahre alt ist Bernd von der Heide im April geworden und einer der letzten Direktoren, die schon seit der Wende im Amt sind. Mit 65 muss er aufhören, so verlangen es die Regularien. "Lehrer ist noch ein Traumberuf, weil man gestalten kann. Ich gehe jeden Tag mit neuer Freude zur Arbeit." Er sagt es in der Gegenwart. Der so nahe Tag des Abschieds am 12. Juli scheint ihm noch fern.