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Geschichte Auf der Suche nach einer Lösung

Man würde die Opfer ein zweites Mal opfern. Sagt Claudio Burelli, Sohn eines Überlebenden des KZ Langenstein-Zwieberge.

Von Sabine Scholz 01.11.2018, 18:35

Langenstein l Es ist ein Zufall, aber einer, der für die Arbeit der drei Landtagsabgeordneten bedeutungsvoll sein dürfte. Als Monika Hohmann (Die Linke), Eduard Jantos (CDU) und Wolfgang Aldag (Die Grünen) das Ausstellungs- und Bürogebäude der KZ Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge betreten, begrüßen sie unter anderem fünf Italiener. Sie alle sind Mitglieder der Gruppe der 2. Generation, in der sich Kinder und Enkel von Langenstein-Überlebenden für die Gedenkstätte und deren pädagogische Arbeit engagieren. Die Gruppe hatte sich am Wochenende zu ihren jährlichen Seminar getroffen, die Italiener um Claudio Burelli, Sohn des ehemaligen KZ-Häftlinge Dino Burelli, konnten noch einen Tag länger bleiben. Und erlebten hautnah, wie kompliziert es zurzeit in Sachen historischer Stollen in den Thekenbergen ist.

120 Meter lang ist der Abschnitt, der – gesichert mit Spritzbeton – zugänglich ist für Besucher der KZ-Gedenkstätte. War dieser Stollen doch der Grund für die Errichtung des Konzentrationslagers in den Zwiebergen. Häftlinge trieben unter grausamen Bedingungen von März 1944 bis April 1945 ein 13 Kilometer langes Tunnelsystem in die Thekenberge. Hierher sollte die Halberstädter Flugzeugproduktion verlagert werden, damit sie sicher war vor den Bombenangriffen der Alliierten. Rund 2000 Häftlinge kostete dieses Unterfangen das Leben. Weitere 1500 wurden bei der Evakuierung des Lagers auf dem Todesmarsch umgebracht.

An all das erinnert die Gedenkstätte und der Stollen ist als authentischer Ort unverzichtbar für die Arbeit der Gedenkstätte, das beweist der jüngst von Schülern produzierte Film über die Gedenkstätte und den Stollen, an dessen Ende die Jugendlichen Fragen stellen nach dem Warum, nach dem Schicksal von Tätern und Opfern nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Weil „der Stollen das Herzstück der Gedenstättenarbeit ist“, wie Fördervereinsvorsitzende Hanka Rosenkranz sagt, hatte es im April zu den Internationalen Tagen der Begegnung eine Unterschriftensammlung gegeben. „Angesichts der unsicheren Zukunft fordern die Nachfahren der Opfer und wir als Förderverein das Land auf, tätig zu werden, um den Zugang zum Stollen auf Dauer zu sichern und möglichst ein größeres Areal als bislang zugänglich zu machen“, so die Vereinsvorsitzende. Und damit das gelingt, wurde die Petition an den Landtag übergeben.

Der hat sich nun der Forderung angenommen, drei Mitglieder des Petitionsausschusses sahen sich am Montag vor Ort um. „Wir haben zwei unterschiedliche Aussagen, in welche Bereiche wir gehen dürfen“, sagte Dr. Kai Langer, der als Direktor der Gedenkstättenstiftung des Landes die Ausschussmitglieder begrüßte. Während ihm bekannt sei, dass man nur in den 120 Meter langen Abschnitt dürfe, hatte Monika Hohmann die Information, dass die Ausschussmitglieder auch andere Teile des Tunnelsystems sehen könnten. In den 1970er Jahren hatte die Nationale Volksarmee der DDR Teile des Stollens wieder aufgefahren und zum Teil neu gebaut, bis 1994 wurde dieser Abschnitt von der Bundeswehr genutzt.

Doch weder diesen Teil, noch die seit 1945 ungenutzten Stollen konnten die Landtagsmitglieder sehen. Der zwar eingeladende, aber nicht anwesende Insolvenzverwalter hatte kurzfristig die zurückgezogen, wie Monika Hohmann am Besuchstag erfuhr. Die komplette Anlage ist Teil eines Insolvenzverfahrens, es gab bereits Zwangsversteigerungsverfahren, die ohne Zuschlag endeten. Weil man nicht wolle, so ein Vertreter der Stadtverwaltung, die Hauptgläuberigerin ist, dass die geschichtlich sensible Anlage in Hände gerät, die dem nicht Rechnung tragen würden.

Nach langen Gesprächen über die komplizierte Rechtslage besuchten die Ausschussmitglieder und die Nachfahren der Überlebenden den kurzen Stollenabschnitt. „Wenn der Stollen nicht zugänglich bleibt für die Öffentlichkeit, ist es, als opferte man die Toten ein zweites Mal in diesem Berg“, sagte Claudio Burelli.

Beim Gang in den Tunnel wurde den Landtagsabgeordneten klar, warum Verein und Nachfahren sich dafür einsetzen, einen größeren Abschnitt zugänglich zu machen – um Besuchern einen Blick in Richtstrecken und Kreuzgewölbe zu ermöglichen, der die Dimension des Geschehens erfahrbarer macht.

Monika Hohmann will das Thema in verschiedene Ausschüsse des Landtages einbringen, damit sich sowohl die politische als auch die Verwaltungsebene des Landes mit dem langfristigen Erhalt des Stollens für die Gedenkstätte befassen. „Die Petition bleibt offen, das Thema ist nicht abgeschlossen“, so Hohmann.