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Corona Halberstadt mit museumsreifen Ampullen

Moderne kleine Glasfläschchen begeistern Halberstadts Museumsdirektorin Antje Gornig. Das hat was mit dem Halberstädter Krankenhaus zu tun.

Von Sabine Scholz 08.05.2021, 10:57
Das Städtische Museum Halberstadt  bekam am Freitag leere Ampullen der Charge  des Impfstoffs von BiontechPfizer,  mit dem Halberstädter am 26. Dezember 2020 bundesweit als erste eine Impfung gegen Covid-19 erhalten hatten.
Das Städtische Museum Halberstadt bekam am Freitag leere Ampullen der Charge des Impfstoffs von BiontechPfizer, mit dem Halberstädter am 26. Dezember 2020 bundesweit als erste eine Impfung gegen Covid-19 erhalten hatten. Foto: Sabine Scholz

Halberstadt

Brandneu und schon museumsreif. Damit hätte Andreas Becker nicht gerechnet, gibt der Physiklehrer zu. Dass er es mit seinem Wirken mal in eine Museumssammlung schafft, hätte er nie erwartet. „Es war doch nur wichtig, auf kurzem Draht gemeinsam schnell eine Lösung zu finden“, sagt der Pädagoge. Weshalb bei ihm über den Jahreswechsel ein 3D-Drucker auf dem Küchentisch stand und pausenlos surrte. „Sehr zur Freude meiner Frau ...“

Becker ist technikaffin und einer der Lehrer, die am Martineum die Begabtenförderung unter ihren Fittichen haben. Über diese Schiene war das Gymnasium auch Ende November mit einem 3D-Drucker ausgestattet worden.

Viereinhalb Stunden pro Mini-Palette

Becker baute das Gerät zusammen und wollte es eigentlich nur kurz testen, bevor er es in Schülerprojekten zum Einsatz bringt. Doch dann ereilte ihn Weihnachten ein Hilferuf aus dem Impfzentrum. Die kleinen Impfstoffampullen stehen schlecht alleine. Allerdings sollte der Inhalt auch nicht übermäßig vielen Erschütterungen ausgesetzt sein, wenn er aufgetaut ist. Das Team im Impfzentrum behalf sich zunächst mit Styroporstücken, in die Vertiefungen geschabt wurden. Doch könnten die Gymnasien nicht mit Halterungen aus dem 3D-Drucker helfen, fragte das Aufbauteam des Impfzentrums, das in Nicht-Pandemie-Zeiten für die Digitalisierung an den Schulen im Kreis zuständig ist. Die Schulen konnten helfen.

„Das Programm dafür zu schreiben hat eine halbe Stunde gedauert“, erinnert sich Becker, denn zum Gerät dazu gab es passende Software. Allerdings dauert das Drucken einer Palette viereinhalb Stunden. Und so kam es, dass über die Weihnachtsferien die ersten Ampullenpaletten bei ihm zu Hause gedruckt wurden. Nach den Ferien ging es damit in der Schule weiter. Schließlich wurden viele der Mini-Paletten benötigt.

In verschiedenen Größen – für 30, 60 und 90 Fläschen entstanden die Halterungen, die den Namenszug der Schule auf einer Seite tragen. „Wir hatten sogar stapelbare Varianten entwickelt, aber dann kamen die dezentralen Impfzentren und der Bedarf an Halterungen ging zurück“, berichtet der promovierte Pädagoge.

Einfach gehandelt

Dass nun solch eine Palette seit Freitag Teil der Sammlung des Städtischen Museums ist, erfüllt nicht nur Andreas Becker mit Stolz, sondern auch den Direktor des Martineums, Stefan Pasderski.

Beide waren zur offiziellen Übergabe ins Foyer der Spiegelschen Kurie eingeladen worden, so wie auch Klaus Begall. Der Ärztliche Direktor des Ameos-Klinikums hatte die kleinen Ampullen im Gepäck, für die die Halterungen im Martineum gedruckt worden waren.

Es sind die Ampullen, aus denen am 26. Dezember 2020, einen Tag vor dem bundesweiten Start der Impfkampagne gegen Covid-19, die ersten Impfungen erfolgt waren. Dass man aus der Reihe tanze, sei allen Beteiligten damals nebensächlich gewesen. „Als Immo Kramer anrief, dass wir schon am 26. Dezember den Impfstoff bekommen, haben wir einfach alle gehandelt. Das Impfen ist in meinen Augen der einzige Weg, um rauszukommen, um gut rauszukommen aus der Pandemie“, sagt Klaus Begall. Da zähle jeder Tag.

Fan des Impfens

Was sich aktuell beweise, wie Oberbürgermeister Daniel Szarata (CDU) bei der Begrüßung der Gäste sagte. Halberstadt sei eine Weile Hotspot im Landkreis gewesen, inzwischen liege die Sieben-Tages-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner berechnet, bei knapp über 100. Daran Anteil habe sicher auch das Impfen. „Im Krankenhaus merken wir das tagtäglich“, berichtet Begall. „Wir haben jeden Tag etwas weniger neue Covid-19-Patienten. Vor einer Woche waren es 25, heute sind es elf.“

Der Mediziner berichtete weiter, dass der Impfstart im Klinikum reibungslos lief. Auch wenn es Weihnachten war – die Netzwerke im Klinikum funktionieren und so kamen am 26. Dezember 95 Mediziner, Pflegepersonal, OP- und Anästhesie-Schwestern ins Krankenhaus, um sich impfen zu lassen. Ohne mediale Begleitung wie bei der zeitgleich startenden Impfung im Pflegezentrum Krüger.

„Inzwischen sind viele Mitarbeiter geimpft, und es kommen immer noch welche dazu“, sagt der Ärztliche Direktor, was er ausdrücklich begrüße. „Ich bin ein Fan des Impfens.“

Spannende Zeitzeugnisse

Die Ampullen habe er zunächst nicht aufgehoben, um sie später ans Museum zu geben, sondern aus Sicherheitsgründen. „Es war ja für alle noch neu, und ich wollte einfach die Chargennummern da haben, sollte eine schwere Nebenwirkung oder Ähnliches auftreten“, erinnert sich Begall.

Das Klebchen im Impfausweis ist immer einer bestimmten Impfampulle zuzuordnen, was im Notfall hilfreich sein könnte. Doch die Mitarbeiter hätten die Impfungen gut vertragen. „Es gab keine gravierenden Nebenwirkungen, aber unterschiedlich starke Impfreaktionen“, so Begall, „bis hin zu Schüttelfrost. Aber alle haben berichtet, dass das nach kurzer Zeit vorbei war.“

Dass er mit den Ampullen spannende Zeitzeugnisse aufbewahrt hat, sei ihm erst vor Kurzem bewusst geworden, als er zufällig mit Museumsdirektorin Antje Gornig darüber sprach. Die Historikerin war sofort Feuer und Flamme.

Zwar verbänden viele Menschen mit dem Wort Museum alt und historisch, der Sammlungsauftrag bestehe jedoch auch in der Gegenwart, so Gornig. „Solche Artefakte wie die Impfampullen lassen eine Zäsur, wie sie der Impfstart in dieser Pandemie darstellt, nachfolgenden Generationen plastischer vermitteln.“

Weiter auf der Suche

Deshalb gehören neben den Glasfläschchen und der Halterung auch eine Alltagsmaske mit Halberstadt-Logo, eine Anleitung zum richtigen Tragen von FFP2-Masken und eine Packung Schnelltests zu den Corona-Objekten. Dazu kommen Hygienehinweise, wie sie aktuell überall hängen, oder das Angebot der Stadtwerke, Schülern, die sich plötzlich im Distanz-Unterricht wiederfanden, beim Ausdrucken von Aufgaben zu helfen. „All das zeigt, wie die Menschen sich gegenseitig helfen, wie sie umgehen mit dem Alltag in dieser Pandemie, die die Gesellschaft verändert hat.“ Ein Beispiel dafür sei eine Restaurant-Speisekarte „nur zum Liefern“.

Die Museumschefin ist zudem auf der Suche nach Dokumenten wie den Anschreiben von der Bundesregierung zur Ausgabe der kostenlosen FFP2-Masken oder Quarantäneanordnungen. Es sind solche Alltagsdinge, die später lebendig Geschichte vermitteln.

Andreas Becker, Lehrer am Gymnasium Martineum, Halberstadts Oberbürgermeister Daniel Szarata und Klaus Begall, Ärztlicher Direktor des Ameos-Klinikums Halberstadt,  bei der Übergabe der Impfstoff-Ampullen und  einer Halterungspalette für die kleinen Fläschen, die im 3D-Drucker des Martineums für das Impfzentrum Harz hergestellt worden waren.
Andreas Becker, Lehrer am Gymnasium Martineum, Halberstadts Oberbürgermeister Daniel Szarata und Klaus Begall, Ärztlicher Direktor des Ameos-Klinikums Halberstadt, bei der Übergabe der Impfstoff-Ampullen und einer Halterungspalette für die kleinen Fläschen, die im 3D-Drucker des Martineums für das Impfzentrum Harz hergestellt worden waren.
Foto: Sabine Scholz